Britischer Friedhof aus der Vogelperspektive
Reuters/Stefan Wermuth
Platznot auf Friedhöfen

Britischer Experte rät zu Grab an Autobahn

Vom Sparsarg mit Falltür unter Joseph II. bis zu Udo Prokschs „Verein der Senkrechtbegrabenen“: Gerade in Österreich hat man sich schon viele Gedanken über Platzeffizienz bei Beerdigungen gemacht. In Großbritannien ist das Problem akut, denn dort geht Friedhöfen und Urnenhainen der Platz aus. Ein Gesundheitsexperte ließ nun mit ausgefallenen und klimanützlichen Vorschlägen aufhorchen.

Als Teil einer Umweltstrategie, zu der die Klimakrise zwinge, müssten die Behörden auch Beerdigungen einbeziehen, so John Ashton. Der frühere Präsident der Fakultät für öffentliche Gesundheit, einer britischen Gesundheitsorganisation, schlug im „Journal of the Royal Society of Medicine“ vor, Menschen auch entlang von Autobahnen, Radwegen, auf Brachflächen und sogar auf alten Industriestätten zu bestatten.

So könne man mehrere Fliegen auf einen Streich erwischen: Die Städte könnten neue Grünflächen schaffen, zu denen alle Zugang hätten, dem Klima helfen und zugleich die „Friedhofskrise“ bekämpfen. Denn laut einer Studie aus dem Jahr 2013 soll auf Englands Friedhöfen spätestens 2033 kein Platz mehr sein.

Biologisch abbaubare Urnen

Ideen, wie Bestattungen mit Klimaschutz verbunden werden können, sind an sich nicht neu. Auch in Österreich sind naturverbundene Beerdigungen fixer Bestandteil des Angebots. „Es gibt dazu keine Studien, aber Beerdigungen wie auf dem Waldfriedhof und Ähnliches machen einige hundert aus im Jahr“, so Florian Keusch von der Bestattung Wien zu ORF.at. Bei mehr als 15.000 Bestattungen im Jahr kein großer Anteil, aber unerlässlich. Zudem gebe es neben der üblichen Sargbestattung weitere „grüne“ Möglichkeiten, etwa einen Urnengarten, in dem biologisch abbaubare Urnen unter Blütenstauden begraben werden.

Nischengrab in Spanien
APA/AFP/Desiree Martin
Nischengrab in Spanien: Diese Art der Einbettung ist im Mittelmeerraum verbreitet

Radikal geht es der US-Bundesstaat Washington an, der kürzlich die Kompostierung von Leichen erlaubte. Die Kosten für solch eine Bestattung sollen sich auf rund 5.500 Dollar (4.900 Euro) belaufen, wie der US-Sender CBS berichtete. Die Leichen sollen in Behältern mit Beigaben wie Holz und Stroh in kurzer Zeit kompostiert werden. Angehörige können, so sie wollen, die Überreste zum Pflanzen von Bäumen verwenden. Ende 2020 sollen die ersten Körper in Washington auf diese Weise kompostiert werden.

Gräber zum Wiederverwenden

„So werden Bedingungen geschaffen, unter denen es etwa 30 Tage dauert, bis eine Leiche in Komposterde verwandelt ist, die dann zum Bäumepflanzen oder Gemüseziehen verwendet werden kann“, so der Brite Ashton zu dem Vorstoß in den USA. Angesichts der wachsenden Bevölkerung und der voranschreitenden Urbanisierung sei das Ansinnen begrüßenswert, dürfte aber ein Nischenprojekt bleiben. „Ich glaube, ich persönlich würde mich nicht gern kompostieren lassen“, so Ashton.

Viele Städte und Gemeinden versuchen dem Platzproblem entgegenzutreten, etwa durch die Wiederverwendung von Grabstätten. Sie ist in vielen Ländern üblich. In einigen südeuropäischen Staaten sind Nischen- oder Schiebegräber verbreitet, die wiederverwendet werden. Auch in Österreich können Grabstellen wiederverwendet werden, wenn keine Verlängerung der Benützungsbewilligung durchgeführt wird. Die Friedhofsverwaltung kann dann das bestehende Grab auflösen und die Grabstelle neu vergeben.

In der Regel vergehen aber Jahre, bis es so weit kommt. Die sterblichen Überreste bleiben dann an der Stelle des aufgelassenen Grabes. Sie werden tiefer gebettet, darüber wird das neue Grab errichtet. Viele Expertinnen und Experten sehen in der Wiederverwendung aber nur die Verschiebung des Platzproblems.

Kein Problem wie in Großbritannien

Platzeffizient, aber wegen der Luftverschmutzung wenig umweltfreundlich ist die Feuerbestattung. Sie wird überall auf der Welt beliebter. Für die USA wird erwartet, dass sich im Jahr 2035 80 Prozent der Menschen kremieren lassen werden. In Westösterreich erreicht man eine ähnlich hohe Zahl, in Wien hingegen mit 32 Prozent weit weniger. Zumindest hier gibt es aber auch keinerlei Platzsorgen. Alle 46 Wiener Friedhöfe zusammen wären in etwa zweimal so groß wie der erste Bezirk, so Keusch.

„Allein der Zentralfriedhof hat eine Fläche von 2,5 Quadratkilometern.“ In Wien sei der Zentralfriedhof errichtet worden, um alle anderen Friedhöfe der Stadt abzulösen. Wegen heftiger Proteste sei das aber nicht umgesetzt worden. So kam der größte Friedhof zusätzlich zum Einsatz. „Wir haben daher mehr als genug Platz“, so Keusch.