Cetinkaya, der den Posten seit April 2016 innehatte, werde mit sofortiger Wirkung durch seinen bisherigen Stellvertreter Murat Uysal ersetzt, hieß es in einem präsidialen Dekret. Erdogan hatte immer wieder Zinssenkungen von der Zentralbank gefordert, um die türkische Wirtschaft anzukurbeln. Ratingagenturen und Analysten dagegen hielten die Währungshüter zu Zinserhöhungen an, um dem Anstieg der Inflation in der Türkei zu begegnen.
Cetinkaya wiederum hatte stets auf die Unabhängigkeit der Zentralbank gepocht. Diese Differenzen hätten sich in den vergangenen Wochen verschärft. „Der Präsident und der Finanzminister haben seinen Rücktritt gefordert“, sagte ein Insider. Doch Cetinkaya habe das abgelehnt.
Opposition sieht Glaubwürdigkeit in Gefahr
Die Zentralbank teilte am Samstag mit, sie werde weiter unabhängig handeln. Der neue Notenbankchef sehe die Preisstabilität als das wichtigste Ziel an und werde sich in den kommenden Tagen auf einer Pressekonferenz äußern. Dennoch sehen Banker die Glaubwürdigkeit der türkischen Notenbank in Gefahr. Die Absetzung Cetinkayas schüre Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank, sagte ein hochrangiger Banker aus Istanbul. „Wir werden die Notenbank in der Zukunft genau beobachten.“
Die Opposition warf der Regierung vor, die Notenbank als Geisel zu nehmen. „Die, die den Zentralbankchef über Nacht abgesetzt haben, haben das Recht verloren, Vertrauen in die Wirtschaft des Landes zu fordern“, sagte Faik Oztrak, Sprecher der größten Oppositionspartei.

Cetinkaya hat die Zinsen im vergangenen Jahr um insgesamt 6,25 Prozentpunkte auf 24 Prozent erhöht, um die schwächelnde Landeswährung zu unterstützen. „Wir werden die Folgen dieser Unabhängigkeit sehen“, wetterte Erdogan damals. Seine „Geduld“ mit der Bank habe ihre Grenzen. Im Juni war die Inflationsrate dann allerdings auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr gesunken. Analysten halten es deshalb für möglich, dass die Zentralbank erstmals seit der Währungskrise die Zinsen senken könnte.
Wirtschaft in tiefer Krise
Die türkische Wirtschaft befindet sich mit einem Rückgang von 2,6 Prozent im ersten Quartal in einer Rezession, die türkische Lira verliert weiter an Wert, und die Inflationsrate ist hoch. In der türkischen Bevölkerung ist der Unmut über die steigenden Lebenshaltungskosten hoch. Bei den Kommunalwahlen erlitt Erdogans AK-Partei einen herben Rückschlag, sie verlor die beiden Metropolen Ankara und Istanbul an die Opposition.
Bereits Ende 2018 war die türkische Wirtschaft so stark wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt sank zwischen Oktober und Dezember binnen Jahresfrist um drei Prozent. Im ersten Quartal dieses Jahres stieg die Arbeitslosenquote auf 14,7 Prozent und damit den höchsten Stand seit fast einem Jahrzehnt.
Kritik wird leicht zu Volksverhetzung
Dass es dennoch riskant sein kann, sich unzufrieden mit der Wirtschaftspolitik der AKP zu zeigen, musste erst im April der prominente Wirtschaftswissenschaftler Mustafa Sönmez erfahren: Nachdem er in Sozialen Netzwerken Kritik geübt hatte, wurde er vorübergehend festgenommen – ihm würden Beleidigung des türkischen Präsidenten und Volksverhetzung vorgeworfen, teilte Sönmez danach mit.