Ein pinker und ein grüner Farbklecks
ORF.at/Christian Öser
NR-Wahl

NEOS und Grüne bringen sich in Stellung

NEOS und Grüne haben am Samstag ihre Bundeslisten für die Nationalratswahl im September fixiert. Als Spitzenkandidatin und -kandidat wurden wie erwartet Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Werner Kogler (Grüne) gekürt. Während Meinl-Reisinger den „inhaltlichen Führungsanspruch“ stellte, hielt Kogler eine Brandrede gegen den „Scheißdreck billigen Populismus“ der ehemaligen ÖVP-FPÖ-Regierung.

Mit 96,1 Prozent war Meinl-Reisinger auf der Mitgliederversammlung in Wien unumstritten. In ihrer Rede rechnete sie ebenso mit der „krachend gescheiterten“ ÖVP-FPÖ-Koalition ab. Für ein zuvor eingespieltes Video hatte NEOS schon alles zusammengeschnitten, was aus ihrer Sicht unter der zerbrochenen Koalition falsch lief: von der „Ibiza-Affäre“ bis zum Wutanfall des Nationalratspräsidenten im jüngsten Plenum, von den Grenzkontrollen und den engen Kontakten Viktor Orbans zu Sebastian Kurz bis zu dessen „Segnung“ durch einen evangelikalen Prediger in der Stadthalle.

„Es reicht. Zeit für ein neues Österreich“, schloss das Video. Und die frisch gekürte Spitzenkandidatin schloss hier gerne an. Meinl-Reisinger kritisierte die im „Ibiza-Video“ dokumentierte Korruptionsbereitschaft und Machtversessenheit („die Menschen sind denen scheißegal“), sieht die Verantwortung für das gescheiterte „Regierungsexperiment“ aber auch bei der ÖVP: „Wer sich mit Wölfen ins Bett legt, der darf sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht.“

Beate Meinl-Reisinger, NEOS Parteivorsitzende, bei der Bundesmitgliederversammlung der NEOS
APA/Hans Punz
Meinl-Reisinger kritisierte das „gescheiterte Regierungsexperiment“ zwischen ÖVP und FPÖ scharf

NEOS vermisst Balance bei grüner Umweltpolitik

Bei der SPÖ vermisst die NEOS-Chefin die Bereitschaft zu echter Kontrolle und bei den Grünen die nötige Balance zwischen Wirtschaft und Umwelt, denn: „Man muss nicht gegen die Wirtschaft sein, um für die Umwelt zu kämpfen.“ Zum Abschluss hielt Meinl-Reisinger noch einen großen Wegweiser in Richtung „Zukunft“ in die Luft und erklärte die Neuwahl im Herbst zur „Wahl zwischen mutlosen Nuancen und echten Zukunftschancen“: „Die Tür zum alten Österreich ist zugeschlagen worden, jetzt muss eine Tür aufgehen zum neuen Österreich.“

NEOS wählt seine Kandidatinnen und Kandidaten in einem dreistufigen System, wobei Meinl-Reisinger als Listenerste von Anfang an unbestritten war: Die offene Vorwahl gewann sie trotz dreier Gegenkandidaten haushoch, der Vorstand stimmte einstimmig für sie, und auf der Mitgliederversammlung schaffte die Parteichefin 635 von 661 gültigen Stimmen. Damit lag Meinl-Reisinger nur knapp unter den 98 Prozent ihres Vorgängers Matthias Strolz vor zwei Jahren.

Meinl-Reisinger in Wien Listenerste

Auf dem zweiten Platz kandidieren Sepp Schellhorn, Douglas Hoyos-Trauttmannsdorff, Gerald Loacker und Stephanie Krisper. Auf den Plätzen sechs und acht folgen als mögliche Neuzugänge Henrike Banrstötter und Julia Seidl. Fix ist die Liste nicht zwangsläufig, denn bis Ende Juli hat NEOS noch Zeit, einen Quereinsteiger mittels „Wildcard“ an wählbarer Stelle zu platzieren. Um sein Mandat zittern muss Michael Bernhard. Der NEOS-Vertreter im Eurofighter-Untersuchungsausschuss landete nach der Mitgliederversammlung auf dem siebenten Platz der Bundesliste und auf dem fünften der Wiener Landesliste. In Wien kandidiert nun, anders als ursprünglich angekündigt, Spitzenkandidatin Meinl-Reisinger als Listenerste vor Krisper und Yannick Shetty.

NEOS fixieren Liste für die Nationalratswahl

Spitzenkandidatin wird Beate Meinl-Reisinger. Sie wurde von den Mitgliedern mit 96,1 Prozent der Stimmen gewählt.

Mit einem Budget von 2,45 Mio. Euro geht die Partei in die Wahl. Den entsprechenden Vorschlag von Finanzreferent Michael Bernhard beschloss die Mitgliederversammlung am Samstag. Zur Finanzierung ist auch eine halbe Million Euro aus Parteispenden vorgesehen, wobei man versucht, möglichst viel noch vor Inkrafttreten der neuen Spendendeckelung einzuheben, wie Bernhard sagte. Die Spendengrenze wird kommende Woche schlagend, womit für den Rest des Jahres nur noch 375.000 Euro an Spenden eingehoben werden dürfen.

Kogler: „Werden gemeinsam wieder gewinnen“

Noch einen Hauch besser als das Ergebnis von Meinl-Reisinger war am Samstag jenes von Kogler. Er wurde mit 98,58 Prozent der Delegiertenstimmen fast einhellig zum Spitzenkandidaten der Grünen gekürt. Kogler plädierte in seiner Rede beim Bundeskongress für die Öffnung der Partei für Bündnisse mit der Zivilgesellschaft – „wer das nicht will, soll mich nicht wählen“ – und rief die Grünen zur Volkspartei mit Öko- und Sozialschwerpunkt aus.

Der Bundessprecher der Grünen, Werner Kogler
APA/Herbert Pfarrhofer
Kogler hofft nach der „vernudelten“ Wahl 2017 auf den Wiedereinzug in den Nationalrat

Demut statt Hochmut sei angesagt. „Wir haben vor zwei Jahren gemeinsam verloren“, sagte er zur „vernudelten“ Wahl 2017: „Jetzt werden wir gemeinsam wieder gewinnen.“ Das Ziel sei ein gerechtes, korruptionsfreies, bildungsgerechtes, weltoffenes und tolerantes Österreich, „wo der Zusammenhalt vor der Spaltung kommt“. Man müsse „Kinderarmut bekämpfen, nicht produzieren, nur wegen einem Scheißdreck billigen Populismus“. Er sprach vom Rechtsextremismus der FPÖ, und auch die ÖVP sei bereits blau eingefärbt. „Türkis ist mindestens rechtspopulistisch“, so Kogler.

Kogler für Sondierungen nach der Wahl bereit

Eine der wichtigsten Gerechtigkeitsfragen und ein Kernthema der Grünen sei der Klimaschutz. Von der SPÖ komme hier nichts, und bei ÖVP-FPÖ agierten ohnehin die „Fred Feuersteins der Anti-Klima-Politik“. Dass nun auch Sebastian Kurz den Klimaschutz für sich entdeckt habe, sei nicht mehr als ein Schmäh und eine Verhöhnung.

Grüne bestimmen Kogler als Spitzenkandidaten

Die Grünen bereiten sich mit Werner Kogler an der Spitze auf die Nationalratswahl mit ihrem Spitzenkandidaten vor.

„So gut wie die regieren wir schon lange“, meinte Kogler. Für Sondierungen nach der Wahl zeigte er sich bereit: „Wir können nicht Blau-Blau (so Koglers Charakterisierung der bisherigen Koalitionsparteien, Anm.) verhindern wollen und nicht da sein, wenn es darauf ankommt.“ Es müssten aber vor allem die anderen Parteien einen weiten Weg zurücklegen, um mit den Grünen koalieren zu können.

Quereinsteigerinnen auf Plätzen zwei und drei

Hinter Kogler wählten die Delegierten beim Bundeskongress Global-2000-Chefin Leonore Gewessler und die Journalistin Sibylle Hamann auf die Bundeslistenplätze zwei und drei. Beide mussten sich keinen Gegenkandidaten stellen. Auf Platz vier kam der bisherige EU-Mandatar Michel Reimon.

Platz fünf erhielt Alma Zadic, die 2017 für die Liste des Ex-Grünen Peter Pilz in den Nationalrat eingezogen war, Platz sechs der Gewerkschafter Markus Koza. Insgesamt 26 Personen bewarben sich um die 14 zur Wahl stehenden Positionen. Als aussichtsreich galten die Bundeslistenplätze bis höchstens acht oder neun.

Mit NEOS und Grünen haben somit alle Parteien, denen realistische Chancen auf den Einzug in den Nationalrat gegeben werden, ihre Spitzenkandidaten nominiert. Für JETZT, die in den Umfragen aber deutlich unter vier Prozent liegt, hat Parteigründer Peter Pilz zuletzt eine Klärung am kommenden Wochenende angekündigt. Und bei SPÖ und ÖVP fehlen noch die Bundeslisten.