Irans Präsident Hassan Rouhani bei einem Besuch des Atomkraftwerks nahe Buschehr
AP/Mohammad Berno
Urananreicherung

Iran kündigt Bruch von Atomabkommen an

Der Iran will die Urananreicherung am Sonntag – wie angekündigt – über das im Atomabkommen von 2015 erlaubte Maß hinaus hochfahren. Die „Anweisung des Präsidenten“ Hassan Rouhani werde „in wenigen Stunden“ umgesetzt, hieß es am Vormittag. Das wäre der zweite Verstoß gegen die Vereinbarung binnen weniger Tage. Teheran droht auch mit der Aufgabe weiterer Verpflichtungen in 60 Tagen.

„Ab heute halten wir uns nicht mehr an die 3,67 Prozent, und unsere Urananreicherung wird je nach Bedarf erhöht“, so der Regierungssprecher Ali Rabei bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Sprecher der iranischen Atomorganisation, Behrus Kamalwandi, und Vizeaußenminister Abbas Araktschi weiter. Der Iran werde die Urananreicherung je nach technischem Bedarf schrittweise auf fünf bis 20 Prozent erhöhen, sagte Kamalwandi.

Derzeit gebe es jedoch noch keine Anweisungen für eine Anreicherung auf 20 Prozent, die für den medizinischen Reaktor in Teheran erforderlich sei. Das Abkommen aus dem Jahr 2015 sieht eine Höchstgrenze von 3,67 Prozent bei der Urananreicherung vor, mit dem der Iran am Bau einer Atombombe gehindert werden soll.

Iran für diplomatische Lösung weiter offen

Araktschi bezeichnete den iranischen Schritt als legitim und im legalen Rahmen des Wiener Abkommens. Das Land werde sein Bekenntnis zu dem 2015 geschlossenen Vertrag alle 60 Tage reduzieren, wenn die Unterzeichner den Iran nicht vor den US-Sanktionen schützten, erklärten iranische Regierungsvertreter außerdem. „Wir haben nach dem Ausstieg der USA im vergangenen Jahr der Diplomatie ein Jahr Zeit gegeben, aber ohne Ergebnisse“, sagte Araktschi. Dennoch sei der Weg für eine diplomatische Lösung weiterhin offen.

Sprecher der iranischen Atomenergieorganisation, Behrus Kamalwandi
APA/AFP/Atta Kenare
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz kündigten iranische Regierungsvertreter die Aufgabe weiterer Verpflichtungen an

Gespräch zwischen Macron und Rouhani

Präsident Rouhani habe am Samstagabend ein konstruktives Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron über weitere Verhandlungen dazu geführt, sagte der Vizeaußenminister. Dabei sei es vor allem um ein Außenministertreffen der sechs verbliebenen Vertragspartner – das sind Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und der Iran – gegangen.

Macron und Rouhani hätten sich in dem Telefonat darauf geeinigt, bis zum 15. Juli nach Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines Dialogs zu suchen, teilte Macrons Büro mit. Der Iran sei bereit, Gespräche mit Washington aufzunehmen. Allerdings müssten zuvor alle Sanktionen gegen die Islamische Republik aufgehoben werden, sagte Rouhani laut offiziellen Angaben bei dem Telefonat. Dass die USA diese Bedingung erfüllen, gilt allerdings als ausgeschlossen.

Mit dem Beginn einer unbegrenzten Urananreicherung durch Teheran wäre auch der politische Wille der verbliebenen Partner schwerer umsetzbar denn je. Möglicherweise würde ein Streitschlichtungsmechanismus aktiviert, an dessen Ende eine Neuauflage auch der UNO-Sanktionen stehen könnte. Das wäre das faktische Aus des Abkommens.

Netanjahu: „Sehr, sehr gefährlich“

Als „sehr, sehr gefährlichen Schritt“, bezeichnete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Uranpläne des Iran. Der Iran breche sein im Atomabkommen gegebenes Versprechen, Uran nicht über einen bestimmtes Niveau hinaus anzureichern.

Netanjahu bekräftigte seine Forderung an Frankreich, Großbritannien und Deutschland, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. „Die Anreicherung von Uran hat nur einen Zweck – Atomwaffen zu bauen“, sagte der israelische Regierungschef, ein scharfer Gegner des 2015 ausgehandelten internationalen Atomabkommens.

EU besorgt, Russland verständnisvoll

„Wir sind extrem besorgt über die Mitteilung des Iran, dass er mit der Urananreicherung über dem Limit von 3,67 Prozent begonnen hat“, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Sonntag. „Wir rufen den Iran dringend auf, alle Aktivitäten, die den Verpflichtungen (…) zuwiderlaufen, zu stoppen und rückgängig zu machen.“ Die EU sei mit den übrigen Vertragspartnern bezüglich der nächsten Schritte im Kontakt.

Verständnis kam indes aus Russland. Bei allem Bedauern über die iranischen Handlungen halte sich Teheran letztlich an die juristischen Grundsätze, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschow, der Agentur Interfax am Sonntag. „Der Ball liegt auf der amerikanischen Seite“, sagte Kossatschow. Nur die USA könnten den Deal noch retten.

Trump: „Sie spielen mit Feuer“

Die Führung in Teheran hatte Anfang Mai angekündigt, vom 7. Juli an die vertraglich vereinbarte Höchstgrenze für die Anreicherung von Uran zu überschreiten, sollte bis dahin keine Einigung über die Abfederung der US-Sanktionen erzielt werden. „Sie wissen, womit sie spielen, und ich denke, sie spielen mit Feuer“, sagte jüngst US-Präsident Donald Trump zum Ultimatum.

Ingenieur mit Atemschutzmaske in der Uranium Conversion Facility (UCF) in Isfahan, Iran
APA/AFP/Behrouz Mehri
Das Abkommen sieht eine Höchstgrenze von 3,67 Prozent bei der Urananreicherung vor

Die USA sind 2018 aus der Vereinbarung mit Teheran ausgestiegen. US-Präsident Trump hat zudem Sanktionen gegen das Land verhängt, die jedem wirtschaftliche Nachteile androhen, der iranisches Öl kauft. Damit will er die Einnahmen der Islamischen Republik drastisch vermindern und Teheran politisch gefügiger machen.

Erster Verstoß Anfang der Woche

Seit der einseitigen Aufkündigung des Abkommens durch die USA ist die Zukunft des Vertrags ungewiss. Die EU pocht seither auf dessen Einhaltung. Anfang der Woche hatte der Iran bereits die erlaubte Menge von 300 Kilogramm niedrig angereicherten Urans überschritten.

Anlass des Atomabkommens war die Sorge der internationalen Gemeinschaft, der Iran könne eine Atombombe bauen. Daher wurde das iranische Atomprogramm massiv eingeschränkt und streng überwacht. Auf 90 Prozent angereichertes Uran kann für Nuklearwaffen benutzt werden. Sollte der Iran die Anreicherung des Urans wie angedroht und von ihm technisch beherrscht auf bis zu 20 Prozent hochfahren, ist der Schritt bis zum waffenfähigen Uran nur noch klein. Allerdings sind sich Fachleute weitgehend einig, dass Teheran bis zum möglichen Bau einer Atombombe mindestens ein Jahr brauchen würde.