Eine junge Frau mit Kind beim Wählen
AP/Yorgos Karahalis
Griechenland-Wahl

Konservative laut Exit-Polls klar voran

Die konservative Partei Nea Dimokratia (ND) hat am Sonntag laut einer Prognose die Parlamentswahl in Griechenland gewonnen. Sie kam nach Angaben des öffentlich-rechtlichen griechischen Fernsehens (ERT) auf rund 40 Prozent der Stimmen. Die bisher regierende Linkspartei SYRIZA unter Regierungschef Alexis Tsipras erreichte den Angaben zufolge 28,5 Prozent.

Sollte die Prognose amtlich bestätigt werden, erhielten die Nea Dimokratia (ND) und ihr Chef Kyriakos Mitsotakis die absolute Mehrheit im Parlament und wären nicht auf einen Koalitionspartner angewiesen. Dies gaben Demoskopen in mehreren griechischen Sendern übereinstimmend an. In Griechenland erhält die stärkste Partei 50 Sitze zusätzlich im 300-köpfigen Parlament. Dies soll die Regierungsbildung vereinfachen.

Beobachter führten die Niederlage des linken Regierungschefs Alexis Tsipras und seiner SYRIZA auf die harten Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre zurück, die hauptsächlich die Mittelklasse getroffen haben. Ein großer Teil des Mittelstands, der in Griechenland traditionell über den Ausgang der Wahlen entscheidet, hat demnach der SYRIZA den Rücken gekehrt und auf die Konservativen gesetzt.

Chef der Nea Dimokratia (ND), Kyriakos Mitsotakis
APA/AFP/Aris Messinis
ND-Chef Mitsotakis bei der Stimmabgabe – er ist der große Wahlsieger

Ältere und Jüngere kehrten SYRIZA den Rücken

Auch viele Pensionistinnen und Pensionisten wandten sich von der linken Partei ab, nachdem Tsipras mehrere Pensionskürzungen durchgeführt hatte. Zudem konnte die Nea Dimokratia bereits bei den Europawahlen im Mai stark bei jungen Wählern punkten. Als drittstärkste Kraft kam die sozialdemokratische Partei Bewegung des Wandels mit rund sieben Prozent ins Parlament, ihr folgt die Kommunistische Partei (KKE) mit rund sechs Prozent.

Die Partei MeRA25 des ehemaligen griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis wird es wohl ebenfalls schaffen – sie hat laut Prognose gut drei Prozent erreicht, die Prozenthürde, die in Griechenland für den Einzug ins Parlament gilt. Bangen müssen die rechtsextreme Goldene Morgenröte und die rechtspopulistische Partei Griechische Lösung.

Wirtschaftsfreundlicher Kurs zu erwarten

Mitsotakis’ Partei gilt als proeuropäisch und wirtschaftsfreundlich. Er versprach während des Wahlkampfes, die Privatisierungen zu fördern, mit der Senkung von Steuern die Wirtschaft anzukurbeln und damit auch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Zurzeit sind mehr als 18 Prozent der Griechinnen und Griechen ohne Job. Auch Tsipras hatte im Wahlkampf versprochen, sich um die Mittelklasse zu kümmern, dabei allerdings auch soziale Aspekte nicht zu vergessen.

Regierungschef Alexis Tsipras
AP/Yorgos Karahalis
Tsipras wurde für die harten Sparmaßnahmen der letzten Jahre abgestraft

Durch ND verursachter Niedergang scheint vergessen

Vergessen scheint, dass es Politiker der ND und der sozialdemokratischen PASOK waren, die das Land abwechselnd jahrzehntelang regiert und in die Krise geführt hatten: Schon vor dem Eintritt in die Euro-Zone hatte man geschönte Budget- und Defizitdaten an die EU geliefert. Auch in den folgenden Jahren wurde das wahre Ausmaß der Verschuldung verschleiert. 2010 platzte die Bombe und das Land rutschte in eine tiefe Schuldenkrise.

Auch wurde Mitsotakis’ Popularität weder dadurch geschmälert, dass er von 2013 bis 2015 schon Minister für Verwaltungsreform unter Premier Antonis Samaras (ND) war, noch, dass er wie fast alle ND- und PASOK-Granden einem der Politclans entstammt, die sich in ihren politischen Ämtern gegenseitig förderten und ablösten.

Ära Tsipras zu Ende

Mitsotakis’ Vater Konstantin war 1990 bis 1993 griechischer Premier, seine Schwester Dora Bakogianni Bürgermeisterin von Athen sowie Außenministerin, sein Neffe hat gerade erst die Wahl zum Athener Bürgermeister gewonnen. Viele Wählerinnen und Wähler kritisieren und fürchten diese „Sippschaften“, mit denen es unmöglich sei, das Land umzukrempeln und ehrlich zu machen.

Tsipras’ Chance auf eine politische Rolle im Land ist dahin, denn nicht nur wegen der nicht umgesetzten vollmundigen Wahlversprechen verlor er an Popularität. Zuletzt kamen auch gegen seine Partei die ersten Nepotismusvorwürfe auf, und das, obwohl er der Korruption immer den Kampf angesagt hatte. Er selbst ließ sich 2018 an Bord einer Luxusjacht einer steinreichen Reederin ablichten, was das Saubermann-Image ebenfalls beeinträchtigte.

Zahl der Wahlberechtigten unklar

Wahlberechtigt waren rund zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger. Das verwirrt zunächst, weil Griechenland nur knapp elf Millionen Einwohner hat. Allerdings gibt es mehr als drei Millionen griechische Staatsbürger, die im Ausland leben – vor allem in den USA, in Australien und Kanada.

Weil es in Griechenland keine Briefwahl gibt, fallen ihre Stimmen weg, es sei denn, sie reisen eigens zur Wahl in die Heimat. Zudem wird vermutet, dass in griechischen Wahllisten bis heute etliche Tote aufgeführt sind, was die Zahl der potenziellen Wähler ebenfalls verfälscht. Griechische Medien gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Wahlberechtigten bei rund 6,5 Millionen liegt.