Kyriakos Mitsotakis, der Chef der griechischen Partei Nea Dimokratia (ND)
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Tsipras abgewählt

Griechische Konservative vor Erdrutschsieg

Die konservative Partei Nea Dimokratia (ND) hat am Sonntag einer ersten Hochrechnung zufolge die Parlamentswahl in Griechenland gewonnen. Im Parlament wird sie demnach künftig die absolute Mehrheit haben. Die Partei kam nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums auf 39,7 Prozent der Stimmen.

Die bisher regierende Linkspartei unter Alexis Tsipras erreichte den Angaben zufolge 31,6 Prozent. Für die Hochrechnung des griechischen Innenministeriums wurden bislang rund 80 Prozent der Stimmen ausgezählt. Tsipras räumte bereits seine Niederlage ein – er habe dem ND-Chef Kyriakos Mitsotakis zum Wahlsieg gratuliert, teilte ein Vertreter des SYRIZA-Partei von Tsipras am Sonntagabend mit.

Tsipras hatte nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl Ende Mai die regulär im Oktober fällige Wahl vorgezogen. Weil der Wahlsieger im 300-köpfigen griechischen Parlament zusätzlich 50 Sitze bekommt, erhält die Nea Dimokratia mindestens 158 Sitze und hat somit die absolute Mehrheit erzielt.

„Jetzt krempeln wir die Ärmel hoch“

In einer ersten Ansprache nach seinem Wahlsieg sprach ND-Chef Mitsotakis seinen Landsleuten Mut zu. „Ich werde für alle Griechen da sein, ich werde hart arbeiten“, sagte er am Abend in Athen. Der Wahlausgang habe nicht nur den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die schweren Zeiten der Krise endeten. „Es war mehr – es geht darum, unser Glück selbst in die Hand zu nehmen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Jetzt krempeln wir die Ärmel hoch!“

Mistotakis wandte sich zudem an all jene Griechen, die das Land wegen der schweren Finanzkrise in den vergangenen Jahren auf der Suche nach Arbeit verlassen hatten. Sein Ziel sei es, das Leben aller Griechen besser zu machen und auch den rund 400.000 Auswanderern wieder Perspektiven zu bieten. Dies werde sein Land mit Wachstum erreichen.

Für harte Sparmaßnahmen bestraft

Beobachter führten die Niederlage Tsipras und seiner SYRIZA auf die harten Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre zurück, die hauptsächlich die Mittelklasse getroffen haben. Ein großer Teil des Mittelstands, der in Griechenland traditionell über den Ausgang der Wahlen entscheidet, hat demnach der SYRIZA den Rücken gekehrt und auf die Konservativen gesetzt.

Auch viele Pensionistinnen und Pensionisten wandten sich von der linken Partei ab, nachdem Tsipras mehrere Pensionskürzungen durchgeführt hatte. Zudem konnte die Nea Dimokratia bereits bei den Europawahlen im Mai stark bei jungen Wählern punkten. Als drittstärkste Kraft kam die sozialdemokratische Partei Bewegung des Wandels mit rund sieben Prozent ins Parlament, ihr folgt die Kommunistische Partei (KKE) mit rund sechs Prozent.

Chef der Nea Dimokratia (ND), Kyriakos Mitsotakis
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ND-Chef Mitsotakis bei der Stimmabgabe – er ist der große Wahlsieger

Die Partei MeRA25 des ehemaligen griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis wird es wohl ebenfalls schaffen – sie hat laut Prognose gut drei Prozent erreicht, die Prozenthürde, die in Griechenland für den Einzug ins Parlament gilt. Bangen müssen die rechtsextreme Goldene Morgenröte und die rechtspopulistische Partei Griechische Lösung.

Wirtschaftsfreundlicher Kurs zu erwarten

Mitsotakis’ Partei gilt als proeuropäisch und wirtschaftsfreundlich. Er versprach während des Wahlkampfes, die Privatisierungen zu fördern, mit der Senkung von Steuern die Wirtschaft anzukurbeln und damit auch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Zurzeit sind mehr als 18 Prozent der Griechinnen und Griechen ohne Job. Auch Tsipras hatte im Wahlkampf versprochen, sich um die Mittelklasse zu kümmern, dabei allerdings auch soziale Aspekte nicht zu vergessen.

Regierungschef Alexis Tsipras
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Tsipras wurde für die harten Sparmaßnahmen der letzten Jahre abgestraft

Durch ND verursachter Niedergang scheint vergessen

Vergessen scheint, dass es Politiker der ND und der sozialdemokratischen PASOK waren, die das Land abwechselnd jahrzehntelang regiert und in die Krise geführt hatten: Schon vor dem Eintritt in die Euro-Zone hatte man geschönte Budget- und Defizitdaten an die EU geliefert. Auch in den folgenden Jahren wurde das wahre Ausmaß der Verschuldung verschleiert. 2010 platzte die Bombe und das Land rutschte in eine tiefe Schuldenkrise.

Auch wurde Mitsotakis’ Popularität weder dadurch geschmälert, dass er von 2013 bis 2015 schon Minister für Verwaltungsreform unter Premier Antonis Samaras (ND) war, noch, dass er wie fast alle ND- und PASOK-Granden einem der Politclans entstammt, die sich in ihren politischen Ämtern gegenseitig förderten und ablösten.

Ära Tsipras zu Ende

Mitsotakis’ Vater Konstantin war 1990 bis 1993 griechischer Premier, seine Schwester Dora Bakogianni Bürgermeisterin von Athen sowie Außenministerin, sein Neffe hat gerade erst die Wahl zum Athener Bürgermeister gewonnen. Viele Wählerinnen und Wähler kritisieren und fürchten diese „Sippschaften“, mit denen es unmöglich sei, das Land umzukrempeln und ehrlich zu machen.

Tsipras’ Chance auf eine politische Rolle im Land ist dahin, denn nicht nur wegen der nicht umgesetzten vollmundigen Wahlversprechen verlor er an Popularität. Zuletzt kamen auch gegen seine Partei die ersten Nepotismusvorwürfe auf, und das, obwohl er der Korruption immer den Kampf angesagt hatte. Er selbst ließ sich 2018 an Bord einer Luxusjacht einer steinreichen Reederin ablichten, was das Saubermann-Image ebenfalls beeinträchtigte.

Zahl der Wahlberechtigten unklar

Wahlberechtigt waren rund zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger. Das verwirrt zunächst, weil Griechenland nur knapp elf Millionen Einwohner hat. Allerdings gibt es mehr als drei Millionen griechische Staatsbürger, die im Ausland leben – vor allem in den USA, in Australien und Kanada.

Weil es in Griechenland keine Briefwahl gibt, fallen ihre Stimmen weg, es sei denn, sie reisen eigens zur Wahl in die Heimat. Zudem wird vermutet, dass in griechischen Wahllisten bis heute etliche Tote aufgeführt sind, was die Zahl der potenziellen Wähler ebenfalls verfälscht. Griechische Medien gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Wahlberechtigten bei rund 6,5 Millionen liegt.