Kyriakos Mitsotakis, der Chef der griechischen Partei Nea Dimokratia (ND)
AP/Thanassis Stavrakis
Machtwechsel in Griechenland

Konservative drängen Tsipras aus dem Amt

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras muss gehen – die Wählerinnen und Wähler in dem krisengeschüttelten Land haben sich bei der Parlamentswahl klar für die konservative Nea Dimokratia (ND) entschieden. Die Partei von Kyriakos Mitsotakis erhielt am Sonntag fast 40 Prozent der Stimmen – etwa zwölf Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren.

Im 300-köpfigen Parlament bedeutet das die absolute Mehrheit von mindestens 158 Sitzen, weil der Wahlsieger zur Vereinfachung der Regierungsbildung 50 Sitze zusätzlich erhält. Die bisherige linke Regierungspartei SYRIZA von Tsipras kam auf gut 31 Prozent (2015: 35,5 Prozent).

„Jetzt krempeln wir die Ärmel hoch“

In einer ersten Ansprache nach seinem Wahlsieg sprach ND-Chef Mitsotakis seinen Landsleuten Mut zu. „Ich werde für alle Griechen da sein, ich werde hart arbeiten“, sagte er am Abend in Athen. Der Wahlausgang habe nicht nur den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die schweren Zeiten der Krise endeten. „Es war mehr – es geht darum, unser Glück selbst in die Hand zu nehmen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Jetzt krempeln wir die Ärmel hoch.“

Kyriakos Mitsotakis umringt von Anhängern seiner Partei
AP/Thanassis Stavrakis
Mitsotakis in seiner ersten Ansprache nach der gewonnenen Wahl

Griechenland wieder „stolz“ machen

Mistotakis sagte zudem, dass er sein Land wieder „stolz“ machen wolle. „Ein schmerzlicher Kreislauf wurde heute beendet.“ Griechenland werde „sein Haupt wieder stolz erheben“. Der 51-Jährige versprach seinen Landsleuten „Jobs, Sicherheit und Wachstum“. Er wandte sich zudem an all jene Griechinnen und Griechen, die das Land wegen der schweren Finanzkrise in den vergangenen Jahren auf der Suche nach Arbeit verlassen hatten. Sein Ziel sei es, das Leben aller Griechen besser zu machen und den rund 400.000 Auswanderern wieder Perspektiven zu bieten. Das werde sein Land mit Wachstum erreichen.

Tsipras gratulierte Wahlsieger

Der scheidende Premier Tsipras gratulierte Mitsotakis nach Bekanntwerden der Ergebnisse. Er betonte, dass der Verlust der SYRIZA von nur vier Prozentpunkten im Vergleich zu 2015 ein starkes Mandat für die Partei sei, sich im Parlament weiterhin für Themen wie soziale Gerechtigkeit einzusetzen.

Zur Niederlage sagte er: „Wir haben uns hauptsächlich damit beschäftigt, das Land zu retten, und dafür manche Probleme nicht gesehen, die die Menschen beschäftigt haben.“ Man habe jedoch viel Erfahrung gesammelt und stehe parat für die weitere politische Entwicklung im Land. Die Niederlage des linken Regierungschefs führen Beobachter auf die harten Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre zurück, die hauptsächlich die Mittelklasse getroffen haben.

Ein großer Teil des Mittelstands, der in Griechenland traditionell über den Ausgang der Wahlen entscheidet, kehrte der SYRIZA den Rücken und setzte auf die Konservativen. Auch viele Pensionisten wandten sich von der linken Partei ab, nachdem Tsipras mehrere Pensionskürzungen durchgeführt hatte. SYRIZA war bereits bei der Europawahl Ende Mai abgestraft worden.

Rasche Regierungsbildung erwartet

Medienberichten zufolge könnte Mitsotakis bereits am Montag von Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos vereidigt werden. Dass die Regierungsbildung schnell geht und keine Zeit verloren wird, war nach Ansicht politischer Beobachter ein wichtiger Grund für viele Griechinnen und Griechen, konservativ zu wählen.

„Die Menschen wollten eine vernünftige Lösung, eine proeuropäische Partei, die keinen Koalitionspartner braucht, der womöglich bremst, und die ihr Programm schnell umsetzen kann“, sagte am Sonntagabend der in Griechenland bekannte Demoskop Dimitris Mavros. Den Wählern sei bewusst, dass die Lage des Landes immer noch heikel sei und sich auf keinen Fall verschlimmern dürfe.

Wirtschaftsfreundlicher Kurs zu erwarten

Mitsotakis’ Partei gilt als wirtschaftsfreundlich. Der Wahlsieger hatte im Wahlkampf versprochen, die Wirtschaft Griechenlands zu reformieren und neue Arbeitsplätze abseits des öffentlichen Sektors zu schaffen. Dafür will er um ausländische Investitionen werben und Steuern für Unternehmen senken. Zurzeit sind mehr als 18 Prozent der Griechen ohne Arbeitsplatz.

Auch mit der Günstlingswirtschaft, die insbesondere den konservativen Vorgängerregierungen vorgeworfen wurde, will er aufräumen. Der Harvard-Absolvent stammt selbst aus einer Politikerdynastie. Sein Vater, Konstantinos Mitsotakis, war bereits griechischer Ministerpräsident einer ND-Regierung und Präsident. Seine Schwester war Außenministerin und Bürgermeisterin von Athen. Im Juni wurde sein Neffe zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt.

Wahl vorgezogen

Tsipras hatte die für Oktober angesetzte Parlamentswahl vorziehen lassen. Der Finanz- und Schuldenmisere zum Trotz, die die Euro-Zone in die größte Krise ihres Bestehens stürzte, hatte sich der heute 44-jährige SYRIZA-Chef vier Jahre an der Regierung gehalten.

Regierungschef Alexis Tsipras
AP/Yorgos Karahalis
Tsipras wurde für die harten Sparmaßnahmen der letzten Jahre abgestraft

Im August 2018 verließ Griechenland schließlich den Euro-Rettungsschirm. Die Arbeitslosigkeit fiel in Tsipras’ Regierungszeit von 26 auf 18 Prozent. Mit fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist die griechische Gesamtverschuldung aber weiterhin mit Abstand die höchste in der Euro-Zone.

Durch ND verursachter Niedergang scheint vergessen

Vergessen scheint, dass es Politiker der nun wiederum an die Macht gewählten ND (sowie der sozialdemokratischen PASOK) waren, die das Land abwechselnd jahrzehntelang regiert und in die Krise geführt hatten: Schon vor dem Eintritt in die Euro-Zone hatte man geschönte Budget- und Defizitdaten an die EU geliefert. Auch in den folgenden Jahren wurde das wahre Ausmaß der Verschuldung verschleiert. 2010 platzte die Bombe, und das Land rutschte in eine tiefe Schuldenkrise.

Auch wurde Mitsotakis’ Popularität weder dadurch geschmälert, dass er von 2013 bis 2015 Minister für Verwaltungsreform unter Premier Antonis Samaras (ND) war, noch, dass er wie fast alle ND- und PASOK-Granden einem der Politclans entstammt, die einander in ihren politischen Ämtern förderten und ablösten.

Mehrere Parteien schafften Einzug

Ins Parlament schafften es außerdem die sozialdemokratische Partei KinAl (Bewegung des Wandels) mit etwa acht Prozent (22 Sitze), gefolgt von den Kommunisten mit 5,4 Prozent (15 Sitze). Die Dreiprozenthürde für den Einzug ins Parlament übersprangen auch die rechtspopulistische und prorussische Griechische Lösung (Elliniki Lysi) sowie die Partei des ehemaligen Finanzministers Giannis Varoufakis, MeRA25.

Zahl der Wahlberechtigten unklar

Wahlberechtigt waren rund zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger. Das verwirrt zunächst, weil Griechenland nur knapp elf Millionen Einwohner hat. Allerdings gibt es mehr als drei Millionen griechische Staatsbürger, die im Ausland leben – vor allem in den USA, in Australien und Kanada.

Weil es in Griechenland keine Briefwahl gibt, fallen ihre Stimmen weg, es sei denn, sie reisen eigens zur Wahl in die Heimat. Zudem wird vermutet, dass in griechischen Wahllisten bis heute etliche Tote aufgeführt sind, was die Zahl der potenziellen Wähler ebenfalls verfälscht. Griechische Medien gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Wahlberechtigten bei rund 6,5 Millionen liegt.