Menschen vor dem Deutsche-Bank-Logo
Reuters/Simon Dawson
So radikal wie spät

Schmerzhaftes Ende für großen Traum

Der große Traum vom Aufstieg zur weltgrößten Bank ist ausgeträumt: Die Deutsche Bank hat sich – mit jahrelanger Verspätung – einen radikalen Sparkurs verordnet und verabschiedet sich von einer ihrer jahrelang wichtigsten Einnahmequellen. Nur Stunden nach der Ankündigung hat die Bank bereits mit Massenentlassungen begonnen.

Jahrelang war es das erklärte Ziel der Deutschen Bank, von Deutschlands Nummer eins zur weltweiten Nummer eins oder zumindest zu einer der global größten Banken aufzusteigen. Einem rasanten Wachstumskurs von Bilanzrekord zu Bilanzrekord folgte 2008 mit der Finanzkrise eine Bruchlandung, von der sich das Bankhaus bis heute nicht erholt hat.

Die Probleme waren ähnlich wie jene bei anderen Großbanken – von UBS über HSBC bis Barclays. Dass die Deutsche Bank anders als ihre Konkurrenz erst jetzt die Reißleine zieht, hat ihren Grund wohl auch darin, dass es dem Frankfurter Bankhaus, das den Internationalisierungskurs später einschlug, auch schwerer fiel, sich vom eigenen Traum zu verabschieden.

Christian Sewing
APA/AFP/Daniel Roland
Der 49-jährige Sewing hat den größten Umbau der Bank seit Jahrzehnten gestartet

Späte Erkenntnis

2012, als der lange in den Himmel gehobene Bankchef Josef Ackermann ging, hatten andere Großbanken wie UBS und Barclays, die in der Finanzkrise ebenfalls gefährlich nahe an den Rand des Zusammenbruchs schlitterten, bereits erkannt, „dass die neuen strengeren Aufsichtsregeln die Ertragsmöglichkeiten im früher so lukrativen Wertpapierhandel deutlich begrenzen“, bilanzierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montag-Ausgabe). Die Deutsche Bank dagegen setzte im Wesentlichen weiter auf das Geschäftsmodell von vor der Finanzkrise.

Bis zuletzt versuchte die Deutsche Bank, den Wachstumskurs weiterzufahren, und hielt insbesondere am umstrittenen Investmentbanking fest. Dieses war jahrelang für die hohen Gewinne, dann aber auch für den tiefen Fall in der Finanzkrise und den Jahren danach wesentlich verantwortlich. Der Bank fehlte es jahrelang an Eigenkapital.

Falsche strategische Wette

Ackerkmanns Nachfolger, das Duo Anshu Jain und Paul Achleitner, kamen selbst aus dem Investmentbanking. Sie glaubten laut „FAZ“, dass sich durch den Rückzug anderer Großbanken aus dem Geschäftsfeld neue Möglichkeiten für die Deutsche Bank ergeben würden. Diese strategische Wette ging nicht auf.

Monatelang verhandelte die Deutsche Bank zuletzt mit der deutschen Commerzbank über einen Zusammenschluss, um sich besser aufzustellen. Die Fusion scheiterte schließlich nach bereits sehr weit gediehenen Gesprächen doch. Nach großen Kursverlusten und langer öffentlicher Kritik zog der aktuelle Konzernchef Christian Sewing nun die Reißleine.

Deutsche Bank streicht 18.000 Stellen

Die Deutsche Bank steht vor einem radikalen Umbau. Über drei Jahre werden 18.000 Vollzeitkräfte entlassen.

Rückzug von Investmentbanking

Nun soll es offenbar ganz schnell gehen: Bereits wenige Stunden nach der Ankündigung Sonntagnachmittag wurden in Asien die ersten Kündigungen ausgesprochen. „In den Geschäftsbereichen, in denen wir uns zurückziehen werden, haben wir mit dem Prozess bereits begonnen“, sagte Sewing am Montag in einer Telefonkonferenz. „Das betrifft natürlich nicht nur Asien, das betrifft auch andere Regionen.“ Wie stark einzelne Länder und Standorte betroffen sind, sagte Sewing auch auf Nachfrage nicht.

Deutschlands größtes Geldhaus hatte am Sonntag den Abbau von weltweit rund 18.000 Vollzeitstellen angekündigt. Bis zum Ende des Jahres 2022 soll die Zahl der Vollzeitstellen von zuletzt knapp 91.500 auf etwa 74.000 sinken. Geschrumpft wird vor allem das Investmentbanking.

Für Sewing ist der Mitarbeiterabbau unvermeidlich: „Wir haben keine andere Möglichkeit“, sagte Sewing am Montag dem Sender n-tv. „Diese Bank muss sich auf ihre Stärken konzentrieren“, fügte er hinzu: „Das machen wir jetzt und das bedeutet, dass wir Dinge schließen, und das heißt auch Jobs abbauen.“ Die Stärke der Bank liege insbesondere im globalen Firmenkundengeschäft. Daneben werde es weiter eine „verkleinerte, sehr stark fokussierte Investmentbank“ geben, fügte er hinzu.

Verlust auch 2020 möglich

Die Deutsche Bank hofft nach einem Verlust heuer auf ein ausgeglichenes Ergebnis im kommenden Jahr, schließt aber zwei Verlustjahre in Folge nicht aus: „Wir arbeiten daran, 2020 ein ausgeglichenes oder besseres Ergebnis zu erreichen“, sagte Finanzchef James von Moltke am Montag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Allerdings gebe es erhebliche Unsicherheiten, beispielsweise, wann genau Umbaukosten verbucht würden. Für 2019 hatte Sewing wegen der Kosten für den Abbau von 18.000 Stellen und dem Kahlschlag im Investmentbanking bereits einen Verlust in Aussicht gestellt.

Hoffen auf „Befreiungsschlag“

Laut „Wall Street Journal“ gab es bankintern wochenlang ein heftiges Tauziehen, wie radikal der Jobabbau ausfallen soll – und vor allem darüber, wo angesetzt werden soll: bei den Gutverdienenden in Handel und Verkauf oder eher bei den weniger Verdienenden im Back-Office. Nach Ansicht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ist die neue Strategie ein „Befreiungsschlag für die Bank – und für Sewing“. Er müsse nun nicht mehr „die lange Zeit so mächtigen Investmentbanker aus London fürchten und auf sie Rücksicht nehmen“. Die „Financial Times“ betont, Sewing hinke mit der Restrukturierung anderen Banken Jahre hinterher, aber „immerhin hat Sewing nun offenbar den richtigen Weg eingeschlagen“.