Brandner Gletscher in Vorarlberg
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Klimanotstand

Mehr als nur ein Schlagwort

Michaelerberg-Pruggern hat es getan, Traiskirchen und auch Vorarlberg: Die drei Orte haben als erste Gemeinde, Stadt und Bundesland Österreichs den Klimanotstand ausgerufen. Bald könnte dieser auch bundesweit gelten. Doch was bedeutet Klimanotstand überhaupt?

Ein Klimanotstand ist keine rechtlich wirksame Vereinbarung, sondern eine Art Selbstverpflichtung. Mit dessen Verkünden soll zum einen der Ernst der Lage anerkannt werden, zum anderen legen sich die Regionen auf konkrete Pläne fest. So will Vorarlberg beispielsweise künftige Gesetze auf ihre Klimaverträglichkeit prüfen und damit auch kontraproduktive Förderungen abbauen. Was konkret in den Vereinbarungen steht, das entscheiden die Gemeinden selbst.

„Was getan werden soll, beschließt jede Einheit für ihren Handlungsbereich. Es ist kein Gesetz, keine Verordnung, die einzuhalten ist. Es ist schlicht eine Erklärung, der zufolge eine Stadtgemeinde X, der Kanton Y oder das Bundesland Z in die Richtung der Erkenntnis geht, dass der Klimawandel ein Problem ist, und alles dafür tun will, dass klimaoptimiert vorgegangen wird“, so Reinhold Christian, Vizepräsident des Umweltdachverbandes und Mitglied im Nationalen Klimakomitee, gegenüber ORF.at.

Klimapolitik überprüfbar machen

Weil die Beschlüsse nicht rechtswirksam sind, gibt es auch keine Sanktionen: Das könne nur der Bürger machen, sagt Christian dazu. Für ihn ist der Klimanotstand ein weiteres Mittel, Klimapolitik überprüfbar zu machen. „Wenn man sich öffentlich dazu bekennt, hat man einen Pflock eingeschlagen und muss schauen, dass er hält.“ Unter anderem deswegen sei die Tendenz zum Klimanotstand eine positive: „Für mich ist das ein Qualitätssprung, in dieser energischen Form und Ausbreitung ist das neu. Die Entwicklung ist sicher eine positive.“

Die kürzlich geschlossenen Vereinbarungen seien aber auch inhaltlich relativ konkret abgefasst, sagt der Experte für Umwelt- und Naturschutz sowie Energieforschung. Und für die Gemeinden und Städte sei das Ausrufen des Klimanotstandes auch eine Art Selbstermächtigung: Sie sind in vielen Bereichen von der Gesetzgebung des Bundes abhängig, auch in der Klimapolitik.

#FridaysForFuture-Demonstration in Innsbruck
APA/Alexandra Unsinn
Klimademonstrationen in Innsbruck

Schüren von Ängsten?

Doch es gibt auch Kritik an dem Konzept Klimanotstand, und nicht an jedem Ort gelingt die Durchsetzung. In Deutschland etwa haben sich mehrere Gemeinden gegen das Ausrufen entschieden oder eine andere Wortwahl gefordert. Ebenso in Österreich: Im Burgenland etwa will man sich zwar zum Klimaschutz bekennen, den Notstand ausrufen wollte der Landtag vergangene Woche aber nicht.

Vor allem die FPÖ zeigte sich skeptisch: Ein Notstand schüre nur Ängste, es brauche mehr „nüchterne Sachlichkeit in einer Diskussion, die andernorts zu sehr von ideologischen Vorstellungen geprägt wird“, sagte die Dritte Landtagspräsidentin Ilse Benkö (FPÖ). Auch in Innsbruck sorgte das Bekanntwerden von Klimanotstandsplänen für Zwist. Die ÖVP sprach von „Effekthascherei“ und warf den Grünen vor, den Klimanotstand „einseitig“ ausgerufen zu haben. Mit einer gemeinsamen Erklärung habe man „auf die Notwendigkeit des Klimaschutzes“ hinweisen wollen, ein Notstand sei kein Ziel gewesen.

„Notstand ist eigentlich ein zurückhaltendes Wort“

Dass das Verkünden eines Klimanotstandes Ängste schüre, ist für Christian tatsächlich ein Argument. Aber: „In der Abwägung der Auswirkungen ist der Klimanotstand wichtig und wertvoll. Man kann sagen: Es verschreckt, aber Nichtstun wird noch mehr verschrecken.“ Er selbst möge „überzogene Formulierungen eigentlich nicht. Aber wir machen seit Jahrzehnten Energieforschung. Und Notstand ist eigentlich ein zurückhaltendes Wort. Es muss wirklich viel in die Wege geleitet werden. Das ist eine wirklich dramatische Sache.“

„Wo Angst entsteht, muss diese in Positives umgewandelt werden. Was kann der Einzelne tun? Was kann die Gemeinde leisten? Die klassische Gegenposition sagt dann natürlich: Was hilft das, wenn Österreich etwas unternimmt, aber die Welt hat acht Milliarden Bewohner. Aber wenn das alles sagen, passiert nichts“, so Christian.

Eben dass nichts geschieht, ist auch die Angst von Klimaaktivisten. Sie sehen im Notstand nur einen ersten Schritt: Wenn dieser dabei helfe, das Thema ernst zu nehmen und das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, sei das „super! Sonst bleibt es wie so oft nur bei Symbolpolitik. Wir brauchen endlich konkrete Maßnahmen, denn das Reden senkt den CO2-Ausstoß bekanntlich nicht“, hieß es von „Fridays for Future“ Deutschland.

Australien als Vorreiter

Zu den Klimanotstand-Vorreitern gehört Australien. Dort wurden bereits 2017 in einzelnen Gemeinden erste Klimanotpläne verabschiedet, die große Welle gibt es aber erst seit heuer. Aktuell haben laut der Kampagne Climate Emergency Declaration 740 Gebietskörperschaften in 16 Staaten den Klimanotstand ausgerufen.

Darunter befinden sich auch Irland sowie Wales und Schottland. Auch in Großbritannien hat das Parlament den Klimanotstand erklärt, der Beschluss ist allerdings für die Regierung nicht bindend. In Deutschland haben größere Städte wie Bochum, Münster und Kiel den Klimanotstand ausgerufen. Zuletzt rief ihn auch Paris aus.

Regierung soll Klimanotstand ausrufen

In Österreich wollen ÖVP, SPÖ, NEOS und JETZT nach Gesprächen mit der „Fridays for Future“-Bewegung die Bundesregierung dazu auffordern, den Klimanotstand für das ganze Land auszurufen. Das soll aber keine Grundlage für Notstandsmaßnahmen sein, sondern „ein starkes politisches Signal“, hieß es von den Parteien.

Der Bundesrat ist bereits vorgesprescht: Er setzte einen symbolischen Akt und sprach sich einstimmig für die Ausrufung des Klimanotstands aus. Die Klimakrise sei längst in Österreich angekommen, begründete der Bundesrat mit Verweis auf Temperaturanstieg und Wetterkatastrophen den an die Regierung gerichteten Appell.