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APA/Barbara Gindl
Auch SPÖ und ÖVP im Visier

Justiz ermittelt nach „Ibiza“ im großen Stil

Die Ermittlungen zum „Ibiza-Video“ weiten sich laut Medienberichten auf Vereine aus, die nicht nur der FPÖ, sondern auch der ÖVP und SPÖ nahestehen. Fix ist, inzwischen gibt es etwa 20 Beschuldigte und Angezeigte, darunter auch Verbände und unbekannte Täter, wie es am Dienstag von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hieß. Und die Justiz dürfte auch die im Video genannten Unternehmen unter die Lupe nehmen.

In der WKStA wurde für die Angelegenheit ein Team aus mehreren Oberstaatsanwälten gebildet. Auch eine Sonderkommission im Bundeskriminalamt sei eingerichtet, es würden Vernehmungen vorgenommen, hieß es am Dienstag. In der Causa seien bereits acht Berichte an die Oberstaatsanwaltschaft ergangen, darunter ein Vorhabensbericht. Über diesen sei noch nicht entschieden, so die WKStA-Sprecherin. Mehr könne man nicht preisgeben, weil es sich um eine Verschlusssache handle, berichtete am Dienstag der ORF-„Report“.

Im „Ibiza-Video“ hatte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gesagt, es gebe Unternehmen, die an die FPÖ verdeckt spenden würden, aber auch an ÖVP und die SPÖ. Alle genannten Firmen dementierten solche Spenden umgehend. Laut Medienberichten vom Dienstag ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft aber nun im Umfeld aller drei Parteien. Ebenso die genannten Firmen geraten in den Fokus. Die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“, die das Video publik gemacht hatten, berufen sich wie auch der „Falter“ auf die vertrauliche Ermittlungsanordnung der WKStA vom 29. Mai.

Erstellung einer „Landkarte politiknaher Vereine“

Die WKStA habe die Kriminalpolizei um „Ausmittlung von allfälligen weiteren FPÖ-, ÖVP- und SPÖ-nahen gemeinnützigen Vereinen, die als Empfänger der behaupteten Spenden der Novomatic AG, der Glock GmbH und der Signa-Holding in Betracht kommen würden“, ersucht. Staatsanwältin Christina Jilek lege den Fall als kriminalpolizeiliches Hochamt an, so der „Falter“. Sie wolle offenbar eine „genaue Landkarte politiknaher Vereine“ erstellen lassen, über die veruntreutes Geld an die Parteien geflossen sein könnte.

„Das Ibiza-Video“ und die Folgen

Vor knapp acht Wochen hat das „Ibiza-Video“ ein politisches Erbeben ausgelöst. Mittlerweile geistern unterschiedlichste Verschwörungstheorien durch die Politlandschaft.

Justiz überprüft vorerst 13 Vereine

Wie am Mittwoch bekanntwurde, überprüft die WKStA vorerst mögliche Geldflüsse an 13 parteinahe Vereine, wie die Rechercheplattform Addendum unter Berufung auf einen Bericht des Bundeskriminalamts von Ende Juni berichtet. Konkrete strafrechtliche Vorwürfe gegen die Vereine beziehungsweise deren Vertreter werden dem Bericht zufolge vorerst nicht erhoben. Als Basis für diese Beurteilung dienen offenbar Medienberichte.

Bei der FPÖ geht es um sechs Vereine, darunter jene um Kurzzeit-Finanzreferent Markus Tschank sowie den ORF-Stiftungsrat Markus Braun. Auf der Liste stehen u. a. das auch vom Verteidigungsministerium mit Geld bedachte Institut für Sicherheitspolitik, die Vereine Austria in Motion, Wirtschaft für Österreich und Patria Austria sowie ein Personenkomitee für Strache.

Fünf Vereine bei ÖVP, zwei bei SPÖ

Bei der ÖVP geht es um fünf Vereine, darunter der im BVT-Untersuchungsausschuss bekanntgewordene und von einem früheren BVT-Mitarbeiter geführte Verein „Pro Patria – Für Niederösterreich“, bei dem der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel lange Kassier war. Auch Blümels Verein zur Förderung bürgerlicher Politik steht auf der Liste, ebenso der Vorzugsstimmenverein des EU-Abgeordneten Lukas Mandl und das Institut für Bildung und Innovation.

Bei der SPÖ finden sich zwei Vereine auf der Liste – allen voran das Wiener Kulturservice. Dieser Verein tritt neben der SPÖ als Mitveranstalter des Donauinselfests auf und wurde allein für 2019 mit 1,8 Mio. Euro Fördermitteln bedacht. Laut einem Rechnungshof-Rohbericht verwendete er aber auch Gelder für Parteiwerbung. Zweiter der SPÖ zugerechneter Verein ist die 2017 gegründete Wahlkampfplattform Weil’s um was geht. Sie richtete sich vor allem gegen die FPÖ und wies eine Nähe zur SPÖ zurück.

Suche nach Verantwortlichen

Weiters will die WKStA wissen, „ob gegebenenfalls aus anderen vorangegangenen Verfahren Anhaltspunkte für derartige verdeckte Parteispenden durch die genannten Unternehmen vorliegen“. Und sie will „Ermittlungen dazu, ob bei den auszumittelnden Vereinen Großspenden gegebenenfalls auch durch die Summe zeitnah erfolgter kleinerer Spenden desselben Spenders eingegangen sind“, zitierte der „Falter“ weiter.

Gesucht werde auch nach „Verantwortlichen“ der im Video von Strache genannten Firmen Novomatic AG, Glock GmbH und der Signa Holding für angebliche Spenden, und zwar wegen des Vorwurfs der Untreue.

Glock, Signa und Novomatic

Im „Ibiza-Video“ sprachen Strache und der frühere geschäftsführende Klubobmann Johann Gudenus über Unternehmen, die verdeckt gespendet hätten.

Gesucht werden Personen, die „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor der Wahl zum Nationalrat am 15. Oktober 2017 ihre Befugnis, über fremdes Vermögen, nämlich über das Vermögen der von ihnen vertretenen Unternehmen, zu verfügen, wissentlich missbraucht haben“. Und zwar indem sie „mehreren Parteien Geldbeträge in der Höhe von 500.000 bis 2.000.000 Euro als nicht deklarierte Parteispenden zukommen ließen, sohin Leistungen ohne konkrete Gegenleistung erbrachten“, zitiert der „Falter“ aus dem Akt.

Spender, Vereine und Politiker unter Verdacht

Dadurch hätten die Manager „in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstoßen, die dem Vermögensschutz der von ihnen vertretenen Unternehmen als wirtschaftlich Berechtigte dienen“. Und auch gegen die angeblichen Empfänger soll vorgegangen werden.

Gespräch mit „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk

„Falter“-Chefredakteur Florian Klenk im „Report“ über die Ermittlungen nach dem „Ibiza-Video“.

Da der Verdacht auf Untreue bestehe, würden sich nicht nur jene Personen eines Verbrechens schuldig machen, sondern auch die Verantwortlichen der parteinahen Vereine und in weiterer Folge auch Politiker. „Das bislang so schwer fassbare System der Parteispenden wäre also ein großes Verbrechen“, schreibt der „Falter“.