Matteo Salvini 2016 in Moskau
www.picturedesk.com/Ivan Sekretarev
Italiens „Ibiza“?

Tonband aus Moskau belastet Lega

Bereits im Februar ist bekanntgeworden, dass die rechtspopulistische italienische Regierungspartei Lega Gespräche mit Vertrauensmännern des russischen Präsidenten Wladimir Putin geführt haben soll. Durch einen geheimen Öldeal soll die Partei des Innenministers Matteo Salvini illegal Wahlkampfspenden in Millionenhöhe erhalten haben. Ein neu aufgetauchtes Tonband scheint die Vorwürfe nun zu bestätigen.

Erstmals berichtete das italienische Nachrichtenmagazin „L’Espresso“ über den Deal zwischen Moskau und Rom. Geheime Tonbandaufnahmen, die dem Portal Buzzfeed zugespielt und am Mittwoch veröffentlicht wurden, scheinen nun zu belegen, dass es solche Gespräche tatsächlich gegeben hat.

„Das Band liefert den ersten Beweis für die heimlichen Versuche Russlands, die nationalistischen Bewegungen Europas zu finanzieren“, so Buzzfeed. Und weiter: „Im Vordergrund scheint ein Ölgeschäft zu stehen. Doch dahinter steht das Ziel, liberale Demokratien zu untergraben und ein neues nationalistisches Europa zu schaffen, das mit Moskau in Einklang steht“, so Buzzfeed.

Putin und Salvini in Moskau 2016
www.picturedesk.com/Nikolsky Alexei
Putin und Salvini in Moskau 2016

Pläne für „große Allianz“

Laut dem Bericht von Buzzfeed, der auf den Audioaufnahmen basiert, sollen sich sechs Männer, drei aus Italien, drei aus Russland, am 18. Oktober vergangenen Jahres im Metropol Hotel in Moskau getroffen haben, um Pläne für eine „große Allianz“ zu schmieden. Bei dem Treffen soll es darum gegangen sein, wie Millionen Dollar aus Russland verdeckt an Salvinis Lega geschleust werden könnten.

Bei einem der Männer soll es sich um einen Vertrauensmann Salvinis, seinen Ex-Sprecher Gianluca Savoini, handeln. Savoini, der zudem Präsident des Unternehmerverbands Lombardei-Russland ist, soll mit Mitarbeitern Putins über einen Ölhandel eines russischen Energiekonzerns, vermutlich Rosneft, mit einem norditalienischen Unternehmen verhandelt haben. Drei Millionen Tonnen Öl im Wert von 1,5 Milliarden Euro hätten demnach an das italienische Ölunternehmen ENI verkauft werden sollen.

Rabatte in der Höhe von 65 Millionen Euro

Der Rabatt von 65 Millionen Euro sollte dabei als Parteispende an die Lega gehen, so der Plan. Jedoch nicht direkt, sondern über Vermittlerpersonen. Schließlich müsse alles geheim bleiben, wie Savoini des Öfteren betont haben soll.

Veruntreute Parteigelder

Im Zeitraum von 2008 bis 2010 soll die Lega 49 Millionen Euro an Parteigeldern veruntreut haben. Nun muss sie jährlich 600.000 Euro an den Staat Italien zurückzahlen.

Im Gespräch seien Transaktionen über die italienische Bank Intesa gewesen. Zu der hat die Lega laut Angaben der Italiener Kontakte über einen Mittelsmann. Dieser soll selbst einst Mitglied der Lega gewesen sein. Den Vertrauensmännern der Russen wurde im Gegenzug eine hohe Provision angeboten, so Buzzfeed.

Kampagne „für beide Länder von Vorteil“

Der Zweck des Handels sei dabei rein politischer Natur, soll einer der Italiener den Russen versichert haben: „Wir setzen auf die Fortsetzung einer politischen Kampagne, die für beide Länder von Vorteil ist.“ Savoini soll des Öfteren auf die Dringlichkeit der Aktion eingegangen sein. Alles müsse schnell gehen, da mit dem Geld die Kampagne für die EU-Wahl finanziert werden solle. Die erste Lieferung hätte den Aussagen zufolge bereits im November stattfinden müssen.

Noch sei aber unklar, wer die russischen Teilnehmer wirklich waren und ob der Deal mit der Öllieferung tatsächlich abgeschlossen wurde, so Buzzfeed. Savoini sowie alle anderen im Gespräch erwähnten betroffenen Personen und Unternehmen dementierten Buzzfeed gegenüber die Geldflüsse. Savoini dementierte vor der Veröffentlichung der Tonbandaufnahmen im Februar aber auch, dass ein solches Treffen je stattgefunden habe. Moskau kommentierte den Bericht noch nicht.

Der italienische Innenminister und Vize-Premier Matteo Salvini
www.picturedesk.com/Francesco Fotia
„Ich habe nie einen Rubel, einen Euro, einen Dollar oder einen Liter Wodka an Finanzierung von Russland genommen“, so Salvini

Salvini droht mit Klage

Auch Salvini dementierte, jemals Geld von Russland bekommen zu haben. „Ich habe es schon in der Vergangenheit gesagt, ich werde es auch heute, morgen und übermorgen tun: Ich habe nie einen Rubel, einen Euro, einen Dollar oder einen Liter Wodka an Finanzierung von Russland genommen“, erklärte Salvini am Mittwoch. Er droht Buzzfeed nun mit einer Klage.

Die Oppositionsparteien in Italien glauben ihm nicht und forderten den Lega-Chef auf, sich vor dem Parlament zu erklären. „Nach dem Ibiza-Gate in Österreich scheinen die Buzzfeed-Enthüllungen zu bestätigen, dass es obskure Beziehungen zwischen Russland und national-populistischen Parteien gibt“, kommentierte Benedetto Della Vedova, Chef der Oppositionspartei „+ Europa“ am Mittwoch. Der Chef der oppositionellen Demokratischen Partei (PD), Nicola Zingaretti, sagte: „Russische Rubel an die Lega für ihre Wahlkampagne gegen den Euro? Salvini muss sofort eine Erklärung abgeben.“

Frage nach Rechtmäßigkeit und Unabhängigkeit

Doch selbst wenn der Deal nicht stattgefunden habe, werfe allein die Existenz der Tonbandaufnahmen „Fragen nach der Rechtmäßigkeit“ auf, so Buzzfeed. Als das Gespräch stattgefunden habe, sei es Parteien in Italien erlaubt gewesen, Spenden bis zu 100.000 Euro von ausländischen Unterstützern anzunehmen. Mittlerweile seien Spenden aus dem Ausland generell verboten.

Russland und Europa

Die russische Politik steht seit Längerem im Ruf, mit nationalistischen und populistischen Parteien und Politikern in Europa zusammenzuarbeiten, neben der Lega etwa auch mit der AfD, der FPÖ und der französischen Nationalistin Marine Le Pen.

Doch auch die engen Verbindungen zwischen Moskau und Salvinis Lega-Partei sowie die Integrität der Europawahl im Mai stünden zur Debatte, schrieb Buzzfeed: „Jahrelang wurde die europäische Politik von der Vermutung überschattet, dass russische Handelstransaktionen mit ultrarechten Politikern einen geheimen politischen Zweck verfolgen. Die Aufzeichnungen geben nun Klarheit darüber, wie Russland den Handel als Deckmantel benutzt, um den Austausch von Geld mit Macht zu maskieren.“

Kritik an Russland-Sanktionen

Salvini, der von den Russen während des Gesprächs als „europäischer Trump“ bezeichnet wird, nahm selbst zwar nicht an dem Treffen teil, befand sich zur selben Zeit aber in Moskau. Am Vortag hielt er eine Rede, in der er die Sanktionen gegen Russland als „wirtschaftliche, soziale und kulturelle Torheit“ anprangerte. Wiederholt forderte Salvini in der Vergangenheit die EU auf, die Sanktionen fallen zu lassen.

Abstimmung zur Ukraine im Europaparlament
Reuters/Vincent Kessler
Italienische Abgeordnete des Europäischen Parlaments protestieren gegen die Russland-Sanktionen

Die Tonbandaufnahmen legen Buzzfeed zufolge auch die Vermutung nahe, dass sowohl Salvini als auch hochrangige Regierungsvertreter Moskaus von den geheimen Verhandlungen Bescheid wüssten. In dem Gespräch getätigte Aussagen ließen zudem darauf schließen, dass dieses nicht das erste Treffen der Männer gewesen sei.

„Moskau ist das dritte Rom“

Mehrmals im Gespräch soll Savoini auf den Zweck des Deals eingegangen sein, es ginge darum, Europa nachhaltig zu verändern. Derzeit sei man jedoch umgeben von Feinden – vor allem aus Brüssel. Am Ende des Treffens sprach Savoini von „Moskau als dem dritten Rom“ – ein Ausdruck, der den Machtanspruch Russlands untermauern soll.

Die ausländerfeindliche Lega, die seit Juni 2018 in einer Koalition mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung in Rom regiert, hat ebenso wie die FPÖ eine Kooperationsvereinbarung mit Putins Partei Einiges Russland abgeschlossen. Salvini, der sich gegen die EU-Sanktionen gegen Russland ausspricht, hat auch bereits mehrmals Moskau besucht. Am vergangenen Donnerstag hatte Salvini Putin in Rom nach dessen Besuch beim Papst getroffen.