Menschen an einer Trinkwassersäule in Wien
ORF.at/Peter Pfeiffer
Prognose für 2050

Wien wird so heiß wie Skopje

Wien könnte bis 2050 ähnlich der nordmazedonischen Stadt Skopje werden – zumindest was das Klima betrifft. Für London werden in den nächsten 30 Jahren Temperaturen wie im heutigen Barcelona prognostiziert. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie der ETH Zürich. Weltweit wurden 520 Metropolen untersucht. Auch europäische Städte sind stark von der Klimakrise betroffen.

Die Winter in Europas Städten werden laut diesen Berechnungen um 4,7 Grad wärmer. Im Schnitt würden über das Jahr verteilt die Temperaturen dort um 2,5 Grad steigen. Auf der Nordhalbkugel würden die klimatischen Bedingungen in Großstädten in rund 30 Jahren so wie heute mehr als tausend Kilometer weiter südlich, so die im US-Wissenschaftsmagazin „PLOS One“ veröffentlichte Studie. Europa rückt näher an den Äquator.

Die Temperaturen in Wien könnten in den besonders heißen Monaten laut Studie über dem europäischen Durchschnitt liegen, Wien würde damit zu den am stärksten betroffenen Städten zählen. Das Wissenschaftlerteam geht von einer Erhöhung der durchschnittlichen Jahrestemperatur um 2,3 Grad aus. Wien läge aber mit einem Anstieg der im heißesten Monat des Jahres registrierten Höchsttemperatur von plus 7,6 Grad in Europa im Spitzenfeld.

Grafik zeigt eine Hitze-Prognose für das Jahr 2050
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Crowtherlab/Guardian

„Sind überhaupt nicht vorbereitet“

Knapp 80 Prozent der untersuchten Städte müssen mit einer starken Erwärmung rechnen. Über ein Fünftel muss sich bis 2050 überhaupt auf völlig neue Klimaverhältnisse einstellen. Für London sind etwa Verhältnisse wie heute in Barcelona zu erwarten. Die Temperaturen in Paris würden mit denen von Canberra in Australien vergleichbar. Die Temperaturen in Madrid werden laut Studie ähnlich jenen im heutigen Marrakesch sein.

Menschen vor dem Eiffelturm
Reuters/Charles Platiau
Paris hat laut Studie 2050 mit Temperaturen ähnlich jenen heute im australischen Canberra zu rechnen

„Wir sind überhaupt nicht vorbereitet. Die Planung für den Klimawandel sollte bereits buchstäblich gestern begonnen haben. Je früher das erfolgt, umso geringer werden die Konsequenzen sein“, sagte der an der Studie beteiligte Umweltwissenschaftler Tom Crowthe gegenüber dem britischen „Guardian“.

Großstädte werden wärmer

Schweizer Forscher haben herausgefunden, dass sich Großstädte auf einen deutlichen Wandel der klimatischen Verhältnisse gefasst machen müssen.

Optimistische Annahmen für Modellrechnung

Das Wissenschaftlerteam des an der ETH Zürich angesiedelten Crowther Lab nahm für ihre Modellrechnungen an, dass die Durchschnittstemperaturen um 1,4 Grad steigen – eine optimistische Schätzung des durch die Erderwärmung bedingten Temperaturanstiegs.

Denn mit dem Pariser Klimaabkommen legten sich mehr als 200 Staaten auf eine Begrenzung des Temperaturanstiegs unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalters fest. Eine niedrigere Grenze von 1,5 Grad wird offiziell angestrebt. Die UNO rechnet damit, dass mit einer Begrenzung auf einen Temperaturanstieg von 1,5 Grad wirtschaftliche Schäden im Ausmaß von zwölf Billionen Dollar bis 2050 vermieden werden könnten.

Doch laut der ETH-Studie haben Metropolen selbst mit einem Temperaturanstieg von „nur“ 1,4 Grad mit drastischen Konsequenzen zu kämpfen. Betroffen ist ein Großteil der Weltbevölkerung. Laut UNO-Prognose werden 2050 fast 70 Prozent aller Menschen in Städten leben. Besonders betroffen von der Klimakrise sind tropische Regionen.

Risiken von Überschwemmungen und Dürre

Laut der Studie werden in Städten geringere Wechsel in den durchschnittlichen Temperaturen erwartet, dafür aber seien Veränderungen der Regenfälle möglich. „Es ist eine Veränderung der klimatischen Bedingungen, die wahrscheinlich die Risiken von Überschwemmungen und extremer Dürre steigern werden“, sagte der an der Studie beteiligte Jean Francis-Bastin gegenüber der Thomson Reuters Foundation.

Frauen schöpfen Wasser aus einem Loch in einem augetrockneten See in Chennai
Reuters/P. Ravikumar
In der indischen Metropole Chennai ist das Wasser bereits heute knapp

22 Prozent der untersuchten Städte werden „beispiellose“ Klimaveränderungen erleben. Der Großteil dieser Metropolen befindet sich in tropischen Regionen, etwa Kuala Lumpur in Malaysia, das indonesische Jakarta und Singapur. Die Auswirkungen der Klimakrise sind schon heute spürbar. Derzeit kämpft etwa die indische Stadt Chennai, mit knapp neun Millionen Einwohnern der viertgrößte Ballungsraum in Indien, mit gravierender Wasserknappheit.

„Psychische Folter“

Nachdem in den vergangenen zwei Jahren kaum Regen gefallen ist, sind die Reservoirs und Seen der Stadt ausgetrocknet. Eine Bewohnerin spricht angesichts des täglichen Kampfes um Wasser von „psychischer Folter“. Die Behörden versuchen, mit Wasserlieferungen und der Entsalzung von Meerwasser gegenzusteuern. Damit erreicht man einem Bericht der „Washington Post“ zufolge aber weniger als die Hälfte des Bedarfs, den die Stadt tatsächlich hätte.

Experten sehen in der Situation in Chennai nur einen Vorboten für ähnliche Krisen in anderen Regionen. „Dieses Jahr ist es Chennai“, stellte der Wasserexperte des World Resources Institute in Indien, Samrat Basak, fest. Bangalore, Hyderabad und Delhi kämpften mit ähnlicher Wasserknappheit, so Basak. Allein in diesen vier Städten leben laut UNO rund 60 Millionen Menschen.