Ursula von der Leyen
Reuters/Francois Lenoir
Von der Leyen

Sozialdemokraten stellen Forderungen

Das Ringen um die Wahl von Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionspräsidentin geht in die nächste Runde. Am Freitag schickten die europäischen Sozialdemokraten der CDU-Politikerin einen sechsseitigen Forderungskatalog. Schon am Donnerstag stellten auch die Liberalen Bedingungen. Die Wahl kommende Woche im Europaparlament könnte damit sehr knapp ausfallen.

Die sozialdemokratische Fraktionschefin Iratxe Garcia Perez schickte der CDU-Politikerin den Forderungskatalog, der unter anderem in der Sozial- und Klimapolitik über Zusagen von der Leyens hinausgeht. Ein ähnlicher Brief kam von den Liberalen. Von den Antworten hänge ab, ob man die Kandidatin wähle, sagten Sprecher beider Gruppen am Freitag.

Garcia Perez schrieb, nach dem Auftritt von der Leyens in der sozialdemokratischen Fraktion diese Woche seien noch Fragen offen, sodass man noch keine Entscheidung über ihre Wahl treffen könne. Darauf folgen detaillierte Forderungen, darunter ein Plan für zusätzliche Investitionen in Europa im Wert von einer Billion Euro bis 2024, Flexibilität bei der Auslegung der EU-Sparregeln, die seit Jahren umstrittene EU-Einlagensicherung, Mindeststeuersätze und ein neuer Anlauf für eine Agrarreform.

Beim Klimaschutz soll die künftige Kommission bis 2030 eine Senkung der Treibhausgase um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zusagen. Derzeit liegt das EU-Ziel bei 40 Prozent. Von der Leyen hatte von möglichen 50 Prozent gesprochen – was aber in ihrer eigenen Partei bereits auf Vorbehalte stößt.

Liberale fordern Rolle für Vestager

Die liberale Fraktion Renew Europe hatte am Donnerstag in ihrem Brief drei wesentliche Forderungen gestellt: ein verbindlicher Mechanismus zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit samt Strafen, genauere Zusagen für eine Konferenz zur demokratischen Reform der EU und eine Rolle der Liberalen Margrethe Vestager, die genau jener des Ersten Kommissionsvizepräsidenten, Frans Timmermans, entspricht.

Von der Leyen auf Stimmen angewiesen

Von der Leyen ist bei sehr knappen Mehrheitsverhältnissen auf Stimmen aus beiden Gruppen angewiesen, will sie am Dienstag an der Spitze der Kommission stehen. Denn Grüne und Linke haben bereits ein Nein angekündigt. Die 16 Europaabgeordneten der SPD haben ihr ebenfalls eine Absage erteilt. Die neue SPD-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Stand jetzt können die SPD-Abgeordneten der Bewerberin nicht zustimmen.“ Doch die Mehrheit der 153 Sozialdemokraten hält sich ihr Votum offen. Bei den 108 Liberalen ist es ähnlich.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger sagte im Radio, er gehe davon aus, dass von der Leyen eine „gute Chance“ habe. Eine Ablehnung wäre falsch – wenn auch kein politischer GAU, fügte er hinzu. Viele Abgeordnete seien verärgert, dass sich mit der Nominierung von der Leyens durch die EU-Staats- und -Regierungschefs das Parlamentsvorhaben zerschlagen habe, die Kommissionsspitze mit einem der Spitzenkandidaten bei der Europawahl zu besetzen.

Eine echte Zusage für Unterstützung hat von der Leyen bisher nur von der eigenen Parteienfamilie Europäische Volkspartei (EVP) mit 182 Sitzen. Nötig für ihre Wahl sind nach jetzigem Stand 374 Stimmen. Stimmen von der rechten Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) mit 62 Mandaten und der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung scheinen möglich. In jedem Fall wird ein sehr knappes Ergebnis erwartet.

Bierlein telefonierte mit von der Leyen

Die ÖVP-Abgeordneten im Europaparlament kündigten an, für von der Leyen zu stimmen. Die SPÖ-Europaabgeordneten wollen Leyen nicht unterstützen, NEOS zeigte sich nach einem Hearing nicht begeistert. Aus der FPÖ heißt es, dass man sich die Entscheidung offenhalten wolle. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein telefonierte unterdessen am Donnerstag mit der designierten Kommissionspräsidentin. Bierlein habe von der Leyen viel Glück für die Abstimmung im Europaparlament gewünscht, so Regierungssprecher Alexander Winterstein am Freitag.