Experten gegen frühere Strafmündigkeit

Der Vorschlag der Wiener FPÖ, das Alter für die Strafmündigkeit von Jugendlichen von 14 auf zwölf Jahre herunterzusetzen, stößt bei Expertinnen bzw. Experten auf kein positives Echo. Anlass für die Diskussion hatte die Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau in Deutschland gegeben, wobei zwei der Täter erst zwölf Jahre alt waren. Die FPÖ bleibt trotz der Kritik bei ihrem Vorstoß.

„Gefängnisse sind keine Orte, an denen Kinder verwahrt werden dürfen“, sagte Alfred Kohlberger, Geschäftsführer des Vereins Neustart, im Interview mit der APA. Der Verein beschäftigt sich vor allem mit der Bewährungshilfe und der Resozialisierung von Straffälligen. Kohlberger warnte davor, Anlassdelikte für populistische Gesetzesänderungen zu nutzen. Eine Herabsetzung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre würde zwar Racheimpulse der Bevölkerung befriedigen, aber der Expertise der Justiz widersprechen.

Plädoyer für zweite Chance

Für 95 Prozent der jugendlichen Straftäter sei Kriminalität ein „episodenhaftes Phänomen“, das kaum Fortsetzung finde, so Kohlberger. Diese in ein Gefängnis zu sperren, würde die Situation nur verschlimmern. „Das Wegsperren von Kindern trägt zu deren dissozialen Entwicklung bei und kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein.“

Auch Christa Edwards, Richterin am Oberlandesgericht (OLG) Wien und Leiterin der Fachgruppe Jugendstrafrecht, widerspricht dem FPÖ-Vorschlag. „Die Aufregung wegen des Falles in Deutschland ist vollkommen verständlich“, sagte Edwards, „aber Empörung ist kein guter Ratgeber.“ Im europäischen Vergleich liege Österreich bei der Strafmündigkeit im guten Durchschnitt, und es gebe keine fachlichen Argumente für eine Herabsetzung.

Edwards: Kein abschreckender Effekt

Weder ließe sich bei Jugendlichen ein abschreckender Effekt erzielen, noch würde durch Haft das Problem gelöst. „Bei der Erziehung von straffälligen Jugendlichen ist etwas ordentlich schiefgegangen“, so Edwards, „aber in diesem Alter gibt es noch die Chance, sie in die richtige Bahn zu lenken.“

Die FPÖ verteidigte die Forderung, die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre herabzusetzen und attackierte den Verein Neustart, der das kritisiert hatte. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp meinte, dass für jugendliche Straftäter anstatt einer Haft ohnehin Diversion wahrscheinlicher sei. Dafür sei Neustart zuständig.