Rauchwolke
APA/AP/Maxar Technologies
„Beispiellos“

Feuer in Arktis wüten weiter

Von Alaska über Sibirien bis Grönland: Seit Wochen wüten in Teilen der Arktis heftige Feuer. Die Weltorganisation für Meteorologie der UNO spricht von einem „beispiellosen“ Ausmaß der Brände. Fachleute warnen, die Brände könnten den Permafrostboden gefährden – und die Klimakrise weiter verstärken.

Brände innerhalb des Polarkreises sind an sich nichts Ungewöhnliches. Was in diesem Jahr anders ist, sind ihre Dauer und Intensität. Das Ausmaß der Feuer und die Anzahl der Brandherde lässt sich nur schätzen. Anhand von Satellitenaufnahmen vermuten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es derzeit an mindestens 100 Stellen in der Arktis brennt. Mindestens fünf der Feuer erstreckten sich auf einer Fläche von über 1.000 Quadratkilometern. Die Brände breiten sich in der Torfschicht aus, die den Permafrostboden überzieht.

Die Torfmoore sind in diesem Jahr vielerorts besonders trocken. Viele nördliche Regionen verzeichneten in den vergangenen Wochen neue Höchstwerte, was die Temperaturen und die Dauer der Sommerhitze betrifft. In Sibirien lagen die Temperaturen laut Weltorganisation für Meteorologie der UNO (WMO) im Juni um zehn Grad Celsius über dem langjährigen Mittel. Auch aus Alaska werden Rekordwerte gemeldet. Im nördlichsten US-Bundesstaat wurden heuer bereits an die 400 Brände gezählt.

Satellitenbild von Bränden in Alaska
APA/AP/Maxar Technologies
Ein Satellitenfarbbild zeigt die Ausmaße des Feuers

Gewaltige CO2-Emissionen

Das Löschen der Feuer ist schwierig. Viele der Brandherde liegen fernab bewohnter Gebiete und sind für Einsatzkräfte nur schwer zugänglich. Hinzu kommen heftige Unwetter, wie sie vergangene Woche etwa über Alaska zogen. Binnen 48 Stunden wurden in dem US-Bundesstaat mehr als 10.000 Blitze registriert, einige davon könnten neue Feuer verursacht haben.

Die Brände setzen gewaltige Mengen Kohlendioxid (CO2) frei. „Allein im Juni wurden 50 Megatonnen CO2 an die Atmosphäre emittiert, das entspricht dem jährlichen Ausstoß Schwedens“, sagte WMO-Sprecherin Clare Nullis. In den ersten Juli-Tagen seien noch einmal 19 Megatonnen dazugekommen, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, die sich auf Berechnungen des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus berief.

Das Feuer in Grönland bei Sisimiut vom 14. Juli wurde von einem Sentinel-2-Satelliten der EU aufgenommen. Beim Hinauszuzoomen aus der Karte wird sichtbar, wo der Brand liegt.

Ihren Höhepunkt erreicht die Brandsaison in der Arktis für gewöhnlich in den Monaten Juli und August. In Alaska und der Republik Sacha im Nordosten Russlands sei das Brandrisiko weiterhin hoch, so die „SZ“ unter Berufung auf das Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW). Neue Brände könnte es auch in Grönland geben. Im Westen der Insel wütete in der Vorwoche ebenfalls ein Buschfeuer, das mittlerweile gelöscht werden konnte.

Brände werden häufiger

Die Anzahl der Brände in der Arktis hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Zudem brennt es nicht nur öfter, sondern auch früher im Jahr. Fachleute sehen einen Zusammenhang mit dem Klimawandel; die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest des Planeten. Auf der anderen Seite verstärken die Brände Forscherinnen und Forschern zufolge die Klimakrise. Durch das mildere Klima gedeihen Pflanzen auch hoch im Norden immer besser. Sie bieten den Flammen zusätzliche Nahrung.

Das größere Problem ist aber der im wahrsten Sinne des Wortes brennende Boden. Der Großteil der Arktis ist mit einer Torfschicht bedeckt. Dabei handelt es sich um organische Stoffe, die sich über die Jahrtausende angesammelt haben. Laut einer 2006 veröffentlichten Studie sind in der arktischen Torfschicht bis zu 500 Mrd. Tonnen Kohlenstoff gespeichert.

Satellitenbild von Bränden in Alaska
APA/AP/Maxar Technologies
Der Wind kann Rußpartikel kilometerweit in die Arktis tragen

Selbst ein oberflächliches Feuer setze große Mengen dieses Kohlenstoffs frei, berichtete das Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ unter Berufung auf Studien zum Großfeuer am Anaktuvuk-Fluss in Alaska im Jahr 2007. 60 Prozent des damals freigesetzten Kohlendioxids stammte demnach aus dem Boden der Tundra.

„Teufelskreis am Polarkreis“

Auf lange Sicht könnten die Feuer die Klimakrise weiter verschärfen. Das Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ schrieb von einem „Teufelskreis am Polarkreis“. Die Brände in der Arktis dürften nicht nur oberflächlich wirken, sondern zu Temperaturanomalien tief im Boden führen. Schuld daran ist nicht nur die Hitze. Die verkohlte Oberfläche absorbiert um 70 Prozent mehr Sonnenlicht als unverbrannte Torffläche.

Es gebe Indizien dafür, dass die so eingeleitete Erwärmung des Bodens den Zerfall des Permafrosts – jenes Bodens, der ganzjährig gefroren ist – beschleunige, so „Spektrum der Wissenschaft“. Bei diesem Vorgang entsteht eine Sumpflandschaft, die große Mengen klimaschädlichen Kohlendioxids und Methans abgibt. Zudem kann der Wind Rußpartikel Hunderte Kilometer weit in die Arktis tragen. Landen sie auf Meereis und Schnee, absorbieren sie Wärme und beschleunigen damit das Abschmelzen – Satellitenbilder würden das bereits jetzt zeigen, so das Wissenschaftsmagazin.