Plastikmüll in Containern im Hafen von Sihanoukville in Kambodscha
AP/Sea Seakleng
Abfallexport

Asien will „keine Müllhalde“ mehr sein

Seit Jahren exportiert der Westen Unmengen an Müll nach Asien, wo dieser gegen Geld recycelt oder beseitigt wird. Bis 2018 gingen Plastikmüll, Elektroschrott und Co. vor allem nach China, doch mittlerweile ist der Import dort verboten. Seither landet immer mehr Abfall, auch auf dubiose Art, in anderen Staaten Südostasiens. Doch diese wollen nicht „Müllhalde“ des Westens sein – und wehren sich.

Ein Müllberg, fast so hoch wie das Taj Mahal: Die 65 Meter hohe Deponie Ghazipur in Neu-Delhi steht exemplarisch für das enorme Müllproblem, mit dem Indien, aber auch andere asiatische Staaten zu kämpfen haben. Es wird tagtäglich durch Containerschiffe verschärft, die im undurchsichtigen Recyclinggeschäft tonnenweise Abfall aus den Industriestaaten in die Region bringen.

Weil Plastikrecycling und Müllverarbeitung in vielen Ländern zu teuer sind, wird Abfall seit Jahrzehnten um die Welt geschickt. Allein zwischen Jänner und November 2018 wurden laut Greenpeace rund 5,8 Millionen Tonnen Plastikmüll exportiert.

Seitdem China – einst der mit Abstand wichtigste Müllmarkt der Welt – sich aus diesem Geschäft zurückgezogen hat, wurden andere Staaten der Region quasi über Nacht zu Hotspots des Abfallexports. In Malaysia etwa stiegen die Plastikmüllimporte ab 2017 innerhalb eines Jahres von rund 20.000 Tonnen pro Monat auf 110.000 Tonnen.

Müllberge und Recycling als „Mythos“

Die Müllschwemme war wohl für einige ein gutes Geschäft, zog aber rasch chaotische Folgen nach sich, weil Infrastruktur und regulatorische Maßnahmen für die Menge an Müll fehlten: Vielerorts stapelten sich Abfallberge mit Verpackungen aus den USA, Europa, Australien oder Japan. Teils kriminelle, unqualifizierte Weiterverarbeiter nutzten die Lage für schnelles Geld, illegale Müllverbrennungsanlagen oder -deponien entstanden und gefährdeten die Gesundheit der Bevölkerung.

Müllberg in Asien
APA/AFP/Mohd Rasfan
Eine illegale Mülldeponie in Malaysia, nahe einer Ölpalmenplantage

Recycling sei in vielen Fällen „ein Mythos“, wie etwa Greenpeace schrieb. Auch weil die Mülllieferungen aus dem Westen unrechtmäßigerweise oft unsortiert, verunreinigt und damit nicht verwertbar in den südostastiatischen Staaten ankommen. Nur wenige Monate nach Chinas Müllbann musste Malaysia die Reißleine ziehen und Gesetze erlassen, um der Situation wieder Herr zu werden. Die Folge waren temporäre Importsperren und Abgaben.

Die größten Exporteure

Die fünf größten Müllexporteure im Jahr 2018 waren die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien und Belgien.

Zudem kündigte das malaysische Umweltministerium an, den Müll „ohne Gnade“ wieder dorthin zu schicken, wo er herkommt. „Wir sind nicht die Müllhalde der Welt“, sagte Umweltministerin Yeo Bee Yin. „Wir wehren uns. Das ist auch eine Frage der Würde und Souveränität.“

Kriegsdrohung wegen Mülls

So wie Malaysia geht es auch anderen Staaten. Die Philippinen etwa führten in den vergangenen Jahren mit Kanada einen erbitterten Streit über 1.300 Tonnen schwere Abfalllieferung. Diese war laut philippinischen Angaben als recycelbares Plastik deklariert gewesen, habe aber auch Haushaltsmüll, darunter auch Plastikflaschen, Plastiksackerln, Altpapier und gebrauchte Windeln, enthalten und sei deswegen nicht recycelfähig gewesen. Laut den Philippinen habe es sich auch um gefährliche Stoffe gehandelt.

Die indische Deponie Ghazipur

Der riesige Müllberg in Neu-Delhi ist fast so hoch wie das Taj Mahal und steht exemplarisch für Indiens Müllproblem (Videoquelle: EBU/AFPTV)

Kanada stritt das ab und verweigerte die Rücknahme. Der Streit eskalierte, der philippinische Präsident Rodrigo Duterte drohte sogar mit einer Kriegserklärung gegen Kanada. Erst nach monatelangen diplomatischen Querelen konnte eine Einigung erzielt werden, und der Müll wurde wieder nach Kanada geschickt. Dort sollte er in einer lokalen Anlage verarbeitet werden.

Zurück zum Absender

Diesem Beispiel folgten auch andere Staaten. In den vergangenen Monaten wurden immer wieder Containerschiffe mit Müll an Bord von Hafen zu Hafen oder gleich zurück in die Heimatländer geschickt. Indonesien etwa veranlasste Anfang Juli, dass 49 Container mit Restmüll, Plastikabfällen und gefährlichen Materialien nach Australien, Frankreich, Hongkong und Deutschland zurückkehren sollten.

Protest gegen Müllexport vor der kanadischen Botschaft in Manila
APA/AFP/Maria Salvador Tan
Proteste gegen Kanadas Müll

Und erst am Mittwoch wies auch Kambodscha 83 Container voller Plastikmüll ab. Diese waren bereits seit Monaten in dem Hafen von Sihanoukville an der Südküste des Landes gelagert. Ihr Inhalt sei laut dem Umweltministerium als Recyclingrohstoffe gekennzeichnet gewesen, tatsächlich habe es sich aber um Plastikmüll aus den USA und Kanada gehandelt. Dessen Einfuhr wurde bereits vor zwei Jahrzehnten verboten. Dem Importeur drohen nun Geldstrafen.

„Braucht globale Lösung“

„Es ist ein globales Problem“, das eine globale Lösung brauche, so die malaysische Umweltministerin Yeo gegenüber der „Huffington Post“. „Wir können es in Malaysia lösen, aber wir teilen uns alle den gleichen Ozean. Der Müll könnte in Nachbarländern landen und dann erst wieder zu uns zurückkommen. Das sind grenzüberschreitende Angelegenheiten.“ Yue forderte ein internationales Abkommen, das den Handel mit Plastikmüll strenger reguliert und unter anderem verbietet, diesen an Staaten zu verkaufen, die ihn nicht weiterverarbeiten können.

Container mit Müll in Kambodscha
APA/AFP/Kambodschanisches Ministerium für Umweltschutz
Eine Mülllieferung sorgte zuletzt auch in Kamboscha für Empörung

Auch Aktivistinnen und Aktivisten warnen vor den enormen Risiken für Umwelt und Menschen, sollte sich der Müllhandel in dieser Form fortsetzen. Es brauche einen „starken politischen Willen sowohl in Import-, als auch in Exportstaaten um den Recycling-Mythos anzupacken und das kaputte System des Plastikrecyclings zu reparieren“, so Greenpeace. „Wir müssen wirklich reduzieren, wiederverwerten und recyceln, wenn wir nicht wollen, dass unsere Welt in Einwegplastik untergeht“.