„El Chapo“
AP/U.S. law enforcement
Strafausmaß

Lebenslang für Drogenboss „El Chapo“

Mexikos wohl berühmtester Drogenboss Joaquin „El Chapo“ Guzman ist am Mittwoch zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach seiner Auslieferung in die USA war dem 62-Jährigen in New York der Prozess gemacht worden. Nachdem er bereits zweimal aus mexikanischen Gefängnissen getürmt war, will man „dem Kurzen“ nun keine Chance mehr auf Flucht lassen.

Der Schuldspruch in allen zehn Anklagepunkten war schon im Februar gefallen. Am Mittwoch verkündete Richter Brian Cogan das Strafausmaß: lebenslang plus 30 Jahre Haft. Zudem darf Guzman keinen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen. Das Gericht forderte außerdem die Summe von 12,6 Milliarden Dollar (rund 11,2 Mrd. Euro). Das sei eine „konservative Schätzung“ der Summe, die Guzman aus der Drogenkriminalität eingenommen habe, hatte die Staatsanwaltschaft zuvor mitgeteilt. Guzmans Verteidiger hatten bis zuletzt erfolglos versucht, den Prozess neu aufrollen zu lassen. Die nach Bundesgesetz zulässige Todesstrafe war nach einer Einigung zwischen den USA und Mexiko von vornherein ausgeschlossen.

Der Prozess, der unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden hatte, förderte Guzmans tragende Rolle im berüchtigten Sinaloa-Kartell zutage. Ihm wurden Mord, Auftrag zum Mord, Drogenschmuggel, Waffenhandel und Geldwäsche vorgeworfen. Guzman galt als mächtigster Drogenbaron seit dem Kolumbianer Pablo Escobar.

Grausame Schilderungen vor Gericht

In dem Mammutverfahren hatten 54 Zeuginnen und Zeugen ausgesagt. Unter ihnen waren frühere Partner und Mitarbeiter sowie eine Ex-Geliebte. Ein Auftragskiller Guzmans, Isaias Valdez Rios, bezeugte vor Gericht, dass er mit eigenen Augen gesehen habe, wie der Chef drei Rivalen bestialisch gefoltert und getötet habe. Eines seiner Opfer habe er lebendig begraben, den beiden anderen seien Knochen gebrochen worden, bevor sie ermordet und verbrannt worden seien.

Gericht in Brooklyn
APA/AFP/Johannes Eisele
Großes Medieninteresse vor der Verkündung des Strafausmaßes in New York

Weitere Zeugen sagten aus, Guzman habe Entführungen und Tötungen von Konkurrenten oder Polizisten, die sich nicht bestechen ließen, angeordnet. Auch Journalisten habe er töten lassen. Guzman selbst habe eine rund hundert Mann starke und bis an die Zähne bewaffnete Leibwächtertruppe um sich geschart, die Pistolen, automatische Waffen, Granaten und sogar Raketenwerfern besessen hätten. Guzman hatte in seiner Heimat ein gutes Image, weil er auch Arme unterstützte. Gleichzeitig schaffte er es in die „Forbes“-Liste der Superreichen. Im Jahr 2013 flog er jedoch wieder raus – zu viel seines Geldes musste er für seinen eigenen Schutz ausgeben.

Schmiergeldvorwürfe bis in die hohe Politik

Die Drogenlieferungen des Kartells in die USA sollen mit dem Wissen zahlloser mexikanischer Polizisten, Militärs und Regierungsmitarbeiter abgewickelt worden sein. Dafür sollen teilweise Millionen Dollar an Bestechungsgeldern geflossen sein – bis hin an die Staatsspitze. So soll auch der frühere mexikanische Präsident Enrique Pena Nieto vom Sinaloa-Kartell rund hundert Millionen Dollar erhalten haben, das sagte der kolumbianische Drogenhändler Alex Cifuentes aus. Der frühere Büroleiter Pena Nietos wies die Anschuldigung zurück.

Guzmans Partner Ismael „Mayo“ Zambada bezeugte, dass das Kartell Kokain in Kolumbien für 3.000 Dollar pro Kilogramm in New York für 35.000 Dollar pro Kilogramm weiterverkauft habe. Im Mittel seien jährlich 80 bis 100 Tonnen Kokain in die USA geschafft worden. Bei Guzman sollen an manchen Tagen bis zu drei mit Bargeld beladene Flugzeuge aus den USA eingetroffen sein.

Filmreife Flucht

In Mexiko war Guzman zweimal die Flucht gelungen: Nach einem Gefängnisausbruch 2001 und 13 Jahren auf der Flucht wurde er im Februar 2014 gefasst und ins Hochsicherheitsgefängnis Altiplano nahe Mexiko-Stadt gesperrt.

Von dort entkam er im Juli 2015 in einer filmreifen Aktion durch einen Tunnel, der sogar mit Schienen ausgerüstet war. Im Jänner 2016 wurde Guzman in seinem Heimatbundesstaat Sinaloa erneut festgenommen, ein Jahr später erfolgte seine Auslieferung an die USA.

Höchste Sicherheitsstufe

„El Chapo“ war bisher in einem Hochsicherheitsgefängnis in New Yorks Stadtteil Manhattan eingesperrt. Nun wird er voraussichtlich im „ADX Florence“ im Bundesstaat Colorado, einer stark abgesicherten Haftanstalt in einer entlegenen Gegend der Rocky Mountains, untergebracht. „ADX“ steht für „administrative maximum“ und damit für die höchste Sicherheitsstufe, den Supermax-Standard. Unter den rund 400 Häftlingen sind etwa auch der „Unabomber“ Ted Kaczynski, der Attentäter beim Bostoner Marathonlauf, Dschochar Zarnajew, und der mutmaßlich an der Vorbereitung der Terroranschläge vom 11. September 2001 beteiligte Zacarias Moussaoui.

Aufgrund seiner isolierten Lage und den rigorosen Sicherheitsvorkehrungen trägt das Gefängnis auch den Beinamen „Alcatraz der Rockies“ – in Bezug auf die berüchtigte Gefängnisinsel vor San Francisco.