US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Nicholas Kamm
Trumps USA

Rassismus zwischen Meinung und Kalkül

In den USA ist nach angriffigen Tweets von US-Präsident Donald Trump einmal mehr eine Debatte über Rassismus in seiner Amtsführung entbrannt. Trumps Anhängerinnen und Anhänger stimmen mit ein in den Chor jener, die „People of Color“, also den nicht weißen Bevölkerungsteilen, feindselig gegenüberstehen. Der Präsident selbst besteht darauf, kein Rassist zu sein, doch schon der Anschein reicht ihm für seinen Wahlkampf.

Eine kleine Serie an sonntäglichen Tweets des Präsidenten löste die aktuelle Debatte aus. Darin attackierte Trump die vier demokratischen Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar, Ayanna Pressley und Rashida Tlaib. Sie kämen aus Ländern, deren Regierungen, so welche vorhanden, „eine komplette und totale Katastrophe“ seien. Anstatt der US-Bevölkerung zu sagen, wie zu regieren sei, sollten sie lieber in „ihre Länder“ zurückkehren und diese „reparieren“. „Diese Orte brauchen Eure Hilfe dringend, Ihr könnt nicht schnell genug gehen“, so Trump in Richtung der vier amerikanischen Staatsbürgerinnen, von denen drei in den USA geboren wurden.

Der Aufschrei kam prompt und heftig. Die angesprochenen
Kongressabgeordneten appellierten, sich nicht die Manöver Trumps von dessen „chaotischer“ Politik ablenken zu lassen. Am Mittwoch kam es schließlich bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps in North Carolina zu rassistischen Sprechchören, die auch manchen Republikanern zu weit gingen. Als Trump erneut begann, Ilhan Omar zu attackieren, skandierte das Publikum „Schickt sie zurück“. Trump ließ die Menge gewähren, was er später leugnete.

Weitere Angriffe

13 Sekunden lang wurde skandiert, wie US-Medien berichteten. Danach setzte Trump seine Angriffe auf Omar und die anderen drei Abgeordneten fort, die er „hasserfüllte Extremistinnen“ nannte. Diese hätten über das Land nie etwas Gutes zu sagen, so Trump. „Wenn sie es nicht lieben, sagt ihnen, sie sollen es verlassen!“

Alexandria Ocasio-Cortez, Ayanna Pressley, Rashida Tlaib und lhan Omar
AP/J. Scott Applewhite
Von links nach rechts: Tlaib, Omar, Ocasio-Cortez und Pressley waren die Ziele jüngster Attacken von Trump

Nachdem die Szenen in North Carolina landesweit verbreitet wurden, ruderte Trump zurück. Er habe versucht, die Sprechchöre zu stoppen. „Ich habe begonnen, sehr schnell zu sprechen“, sagte Trump. Er sei nicht glücklich mit dem Vorfall und stimme auch nicht überein. Trumps Team versuchte auch zu beschwichtigen. Der Präsident habe „keinen rassistischen Knochen im Leib“, ließ Trump wiederholt ausrichten. Schuld an der Aufregung seien ohnehin die „Fake-News-Medien“, die wegen der Sprechchöre ausgerastet seien, so Trump am Freitag auf Twitter.

Trump verteidigt Anhängerschaft als Patrioten

Nachdem sich Trump also zunächst von den hasserfüllten Sprechchören seiner Anhängerschaft gegen eine Demokratin distanziert hatte, nahm er jene Unterstützerinnen und Unterstützer dann aber doch ausdrücklich in Schutz. „Das sind unglaubliche Leute, das sind unglaubliche Patrioten“, sagte Trump am Freitag in Washington mit Blick auf das Publikum in North Carolina.

Schon in Trumps Vergangenheit als Unternehmer wurden aber wiederholt Rassismusvorwürfe gegen ihn vorgebracht. 1973 wurde die Trump Organization von der Bürgerrechtsabteilung des Justizministeriums angeklagt, weil die Trump Organization keine Wohnungen an Schwarze vermieten wollte. Gegen den früheren US-Präsidenten Barack Obama zog Trump zu Felde und zweifelte seine Staatsbürgerschaft an.

Auch als Präsident geriet er immer wieder unter Rassismusverdacht, etwa als er nach rassistischen Protesten in Charlottesville sagte, „beide Seiten“ treffe Schuld. Die Versuche, Menschen aus vorwiegend muslimischen Ländern von der Einwanderung in die USA abzuhalten oder die Grenze zu Mexiko mittels einer Mauer zu schließen, reihen sich in die Kontroversen. „Wir hatten schon rassistische Präsidenten“, so der Historiker Timothy Naftali gegenüber CNN. „Aber sie drückten ihren Rassismus nicht als Staatsoberhaupt aus“, wie Trump es tue.

Zentrale Frage der Wahlstrategie

Ob Trump im Wahlkampf für die Wahl nächstes Jahr weiterhin so stark auf das Thema setzen wird, wird laut CNN die zentrale Frage der Kampagne sein. Rassistische Gefühle zu bedienen könne zwar seine Basis und die Wählerinnen und Wähler von 2016 mobilisieren, aber auch moderate Wählerschaften abschrecken, die Trump für eine Wiederwahl aber brauche, so CNN. Davon wiederum könnten die Demokraten profitieren. Ein passender, wenig polarisierender Gegenkandidat oder eine Gegenkandidatin könne, so CNN, Trump 2020 noch mehr schaden. „Das erklärt zumindest sein Bedürfnis, einen Gegner mit einer möglichst giftigen, polarisierenden Kampagne zuzudecken.“

Es handle sich um eine sehr riskante Strategie, so der Berater des ehemaligen Präsidenten George W. Bush, Chase Untermeyer, in der „Washington Post“. „Es mag die Herzen der Getreuen höher schlagen lassen und den Verstand weiter überzeugen, aber es nützt gar nichts dabei, die mögliche Wählerschaft zu erweitern.“

„Streichholz in der Nähe von Benzin“

Der Präsident trage weiter zur Spaltung bei in einem Land, das überladen sei mit Spannungen zu Themen wie Einwanderung, Religion und demografischer Veränderungen, sagte der Historiker Russell Riley zu der Zeitung. Und Trump „weigert sich, eine verbindende Rolle für Amerikas breitgefächerte und diverse Bevölkerung zu spielen“. Seine aufrührerische Rhetorik habe darauf abgezielt zu eskalieren. „Man kann kein Streichholz in der Nähe von Benzin anzünden und erwarten, dass nichts passiert.“

Ob Trump selbst ein Rassist ist oder nicht, sei dabei nebensächlich, analysiert die „New York Times“ – eine weitere Zeitung, die aufgrund kritischer Beiträge schon von Trump attackiert wurde. „Geradezu schmerzlich klar und wesentlich ist, dass er entschied, seine Politik und seine Präsidentschaft auf hetzerischen Rassenhass zu gründen“, so der Kommentar. Trump glaube, damit eine weitere Amtszeit zu erreichen. „Den Schaden, den er damit anrichtet, wiedergutzumachen wird Jahre dauern“, so die „New York Times“.