Ausschreitungen in Hongkong
APA/AP/Andy Lo
Eskalation in Hongkong

Schlägertrupps verprügeln Demonstranten

Dutzende Regierungsgegner sind am Sonntag in Hongkong von Schlägertrupps angegriffen und verletzt worden. Die Polizei griff nach Angaben der Aktivisten nicht ein. Sie machen Mitglieder krimineller chinesischer Banden für den Angriff verantwortlich.

In einer U-Bahn-Station im Norden Hongkongs wurden Sonntagabend nach einer weiteren Protestkundgebung regierungskritische Demonstrierende von Männern angegriffen. Die Zeitung „Apple Daily“ veröffentlichte im Internet Videoaufnahmen, die zeigten, wie weiß gekleidete, maskierte Angreifer in einer U-Bahn-Station und einem Waggon schwarz gekleidete Aktivisten schlugen. Bewaffnet waren sie mit Metallstangen und Holzstöcken. Dabei wurden 45 Menschen verletzt, sechs davon schwer, einer von ihnen schwebte in Lebensgefahr.

Nach der Attacke wurde scharfe Kritik an Polizei und Regierung laut. Der bekannte Demokratieaktivist Nathan Law schrieb Sonntagnacht auf Twitter, wenn „chinesische Mobs“ Bürger angreifen würden, greife die Polizei nicht ein. „Schande über die Regierung.“ Der bei der Attacke verletzte Abgeordnete Lam Cheuk Ting kritisierte die Polizei ebenfalls. Er machte für den Angriff Mitglieder krimineller chinesischer Banden, der Triaden, verantwortlich.

Verletzter Demonstrant
APA/AFP
Mit Metallstangen und Holzstöcken verletzten die Schlägertrupps Dutzende Menschen

Offenbar keine Festnahmen

Kritiker und Kritikerinnen werfen der Polizei vor, trotz dramatischer Hilferufe der Angegriffenen erst nach mehr als einer Stunde eingetroffen zu sein. Die Beamten nahmen die in weiße T-Shirts gekleideten Angreifer dann auch nicht fest, obwohl diese sich weiterhin in den Straßen nahe dem Bahnhof aufhielten. Später wurden Männer gesehen, die den Ort in Autos mit Kennzeichen Festland-Chinas verließen. Der Bahnhof Yuen Long, an dem sich der Angriff zutrug, liegt unweit der Grenze zwischen Hongkong und Festland-China.

Antidemokratischer Schlägertrupp
APA/AFP/Hong Kong lawmaker Lam Cheuk Tin
Die Polizei ließ die weiß gekleideten Angreifer gewähren

Mit der Attacke des Schlägertrupps auf die regierungskritischen Demonstranten hat sich der politische Konflikt in Hongkong stark zugespitzt. Es wachsen die Sorgen, dass sich die Triaden in die politische Auseinandersetzung in der chinesischen Sonderverwaltungszone einschalten könnten. Bereits 2014 hatte es gewaltsame Attacken auf Demonstranten der „Regenschirm“-Demokratiebewegung gegeben.

Einsatz von Tränengas

Hunderttausende hatten am Sonntag erneut gegen die Regierung und für Ermittlungen gegen das Vorgehen der Polizei bei vorangegangenen Protesten demonstriert. Die Demonstranten waren zum großen Teil schwarz gekleidet und trugen gelbe Helme. Dabei war es auch zu neuen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Beamte in voller Schutzausrüstung setzten am Abend Tränengas ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Viele der Demonstranten hatten sich für die Konfrontation ebenfalls mit Atemschutzmasken, selbst gemachten Schilden und Helmen gerüstet.

Ausschreitungen in Hongkong
APA/AP/Vincent Yu
Die Polizei geht in Vollmontur gegen Demonstrierende vor

Rund 430.000 Menschen hatten nach Angaben der Organisatoren zuvor friedlich für demokratische Rechte demonstriert. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl mit 138.000 an. Nach Ende der Kundgebung bewarfen einige Demonstranten das Verbindungsbüro der regierenden Kommunistischen Partei Chinas mit Eiern, besprühten die Überwachungskameras am Gebäude und beschmierten das dort angebrachte chinesische Wappen mit schwarzer Tinte. Einige errichteten auch Straßensperren.

Als sich die Menge weigerte, sich zu zerstreuen, setzte die Polizei das Tränengas ein und rückte gegen die Demonstranten vor. Über ihre offiziellen Konten in Sozialen Netzwerken teilte die Polizei später mit, Demonstranten hätten Backsteine und Molotowcocktails auf Beamte geworfen und die zentrale Polizeistation attackiert.

„Manifest“ der Demonstrierenden

Pläne für ein umstrittenes Auslieferungsgesetz, durch das Bewohner von Hongkong auf dem chinesischen Festland vor Gericht hätten gestellt werden können, hatten im Juni die Proteste losgetreten. Die Demonstranten erreichten, dass die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, den Gesetzesentwurf auf Eis legte, doch den Aktivisten geht es mittlerweile um viel mehr. Sie wollen einen Rücktritt Lams und die Absicherung der demokratischen Freiheiten, die Hongkong für Jahrzehnte garantiert worden waren, als es 1997 von Großbritannien an China zurückgegeben wurde.

Bei dem Protestzug proklamierten Teilnehmer Forderungen aus einem „Manifest“, das bei der Erstürmung des Hongkonger Parlaments am 1. Juli erstmals präsentiert worden war: Allen Bewohnerinnen und Bewohnern Hongkongs solle ein direktes Wahlrecht gewährt, alle Vorwürfe gegen die bei den Protesten festgenommenen Demonstranten sollten fallen gelassen werden, Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstranten dürften nicht mehr als „Unruhen“ bezeichnet und der Legislativrat Hongkongs müsse aufgelöst werden.