Lethabo Kohlekraftwerk in Vereeniging, Südafrika
AP/Themba Hadebe
Trotz Protesten

Afrika baut auf Strom aus Kohlekraftwerken

Kohlekraft gilt als umweltschädlichste Form der Energiegewinnung. Laut Greenpeace emittierten Kohlekraftwerke im vergangenen Jahr weltweit über zehn Gigatonnen CO2. 40 Prozent der weltweiten Elektrizität wird aus Kohlekraft gewonnen. Seit etwa drei Jahren ging laut dem Global Coal Plant Tracker weltweit der Anteil der Kraftwerke zwar zurück, in Afrika wächst aber das Interesse an der Kohle.

Der Aufholbedarf Afrikas in puncto Elektrizität ist enorm. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Subsahara-Afrika (44,6 Prozent) hatte 2017 einen Zugang zum Stromnetz, wie die aktuellsten verfügbaren Zahlen der Weltbank zeigen. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen hat keinen Zugang zu Strom, vor allem viele Dörfer sind davon abgeschnitten. Vereinzelte Projekte versuchen Ortschaften mit Solarstrom zu versorgen und damit die teuren und ebenso umweltschädlichen Dieselaggregate zu ersetzen.

Auch einige Regierungen bekennen sich zu erneuerbaren Energien. Doch während vor allem in den USA, Europa und selbst in China der Trend Richtung Abbau von Kohlekraftwerken geht, sind in mehreren afrikanischen Staaten einige neue Projekte in der Pipeline. Derzeit gibt es laut dem britischen Projekt Carbon Brief, das sich den Fragen von Energie und Klimawandel widmet, 32 Kohlekraftwerke in ganz Afrika.

Mehr als die Hälfte (19) davon ist in Südafrika aktiv. Hier haben auch fast 85 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Strom – der überwiegende Teil aus Kohlekraftwerken. Derzeit befinden sich vier neue Kohlekraftwerke in Bau von Marokko bis Südafrika, 24 Projekte wurden angekündigt, zehn sind bereits genehmigt, zehn weitere Kraftwerksprojekte sind in einem Vor-Zulassungsstadium.

Investitionen aus China

Eine wichtige Rolle dabei spielt China. Während sich international laut einer Studie des Instituts für Energiewirtschaft und Finanzanalyse (IEEFA) immer mehr Investoren aus dem Kohlebusiness zurückziehen, bleibt China ein wichtiger Investor im Kohlebusiness. Chinesische Banken und Unternehmen stellen für ein Viertel der Kapazitäten von Kohlekraftwerken, die derzeit außerhalb von China in Bau sind, die Finanzierung zur Verfügung.

Mehr als 21 Mrd. Dollar (18,7 Mrd. Euro) wurden für die Produktion von 30 Gigawatt in insgesamt zwölf Ländern zugesagt. In Aussicht gestellt wurden laut IEEFA weitere 14,6 Mrd. für 71 Gigawatt in 24 Ländern. Besonders hoch ist das Engagement in Bangladesch und in Vietnam, aber auch in zahlreichen afrikanischen Staaten wie Südafrika, Kenia, Tansania, Elfenbeinküste und Simbabwe ist das chinesische Kohleengagement spürbar. Neben Afrika boomt die Kohle vor allem in Südostasien.

„Export schmutziger Energiesysteme“

Das chinesische Engagement zeigen auch Zahlen des Thinktanks Overseas Development Institute (ODI). Die wachsende Unterstützung vor allem für den Bau neuer Kohlekraftwerke erfolgt demnach vor allem aus China und Japan, gefolgt von Südkorea und Indien. Zwar reduzierten die G-20-Regierungen zwischen 2014 und 2017 laut dem Bericht die direkten Förderungen für den Kohleabbau um etwa die Hälfte auf zehn Mrd. US-Dollar pro Jahr. Zugleich wurden im selben Zeitraum für den Bau von Kohlekraftwerken vor allem in ärmeren Ländern die Förderungen von 17 auf 47 Mrd. Dollar pro Jahr erhöht.

Schonland Kohlenbergbau in Emalahleni, Südafrika
APA/AFP/Wikus De Wet
Häufig liegen Kohleminen und Kraftwerke eng nebeneinander wie hier in Südafrika

Man könne den „Export schmutziger Energiesysteme in Länder, die sich in einem früheren Entwicklungsstadium befinden“, beobachten, sagte ODI-Wissenschaftlerin Ipek Gencsü gegenüber Reuters. Auch westliche Geldgeber sind in manchen Projekten involviert. So beteiligten sich etwa an dem südafrikanischen Kraftwerk Kusile, das sich derzeit in Bau befindet, auch Unternehmen aus Deutschland und eine deutsche Bank.

Ausbau trotz Protesten

Allein in Tansania, wo derzeit ein Drittel der Bevölkerung Zugang zum Stromnetz hat, sind sechs Kohlekraftwerke in Planung – einige davon ebenfalls mit chinesischer Unterstützung. Simbabwe genehmigte bereits zwei neue Kraftwerke, zwei weitere sind angekündigt. Chinesische Gelder sind auch in dem vielfach kritisierten Projekt auf der kenianischen Insel Lamu involviert.

Einige Regierungen etwa in Südafrika und Kenia bekennen sich zu dem Ziel, Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen – langfristig. Kurzfristig soll die im Verhältnis günstige Kohle den wachsenden Strombedarf decken. Das geht allerdings auch mit Widerstand der Bevölkerung einher. Umweltschützer kritisieren, dass die Gesundheits- und Klimakosten bei den Berechnungen nicht einfließen würden. Die Menschen kämpfen bereits jetzt mit den gesundheitsschädlichen Folgen der Abgase und des vergifteten Wassers in der Nähe von Kohleminen und -kraftwerken.

Proteste gegen Kraftwerk auf Insel

Gegen das Ende vergangenen Jahres gestartete erste Kohlekraftwerk in Senegal gibt es Umweltbedenken. Auch die kenianische Regierung hat mit heftigem Widerstand gegen ihre Kohleprojekte zu kämpfen. Zum einen gibt es Proteste gegen Kraftwerkspläne im Mui-Becken und dem damit einhergehenden geplanten Abbau von Kohle. Zum anderen wehrt sich die Bevölkerung gegen das auf der Insel Lamu vor der Nordostküste Kenias geplante Kohlekraftwerk. Eigentlich sollte der Baubeginn dafür bereits 2015 sein. Die Proteste verzögerten das Projekt aber. Die Bewohner und Bewohnerinnen der Insel befürchten, dass ihre wichtigsten wirtschaftlichen Standbeine, Tourismus und Fischerei, gefährdet würden.

Teilnehmer einer Demonstration gegen das gaplante Kohlekraftwerk in Lamu, Kenia
AP/Ben Curtis
In Kenias Hauptstadt Nairobi demonstrierten Menschen gegen das geplante Kohlekraftwerk auf der Insel Lamu

Zuletzt stoppte ein kenianisches Gericht im Juni das Projekt, das 1.050 Megawatt liefern soll, bis die Betreiber eine Einschätzung der ökologischen und kulturellen Auswirkungen vorlegten. Kritiker des Projekts bezeichneten das Urteil als Sieg. Eine Analyse des IEEFA zeigte kürzlich, dass ein Festhalten am Bau des Kraftwerks auch aus wirtschaftlicher Sicht eine Fehlentscheidung wäre. Die Finanzierung der geplanten zwei Milliarden Euro Errichtungskosten soll aus chinesischen, südafrikanischen und kenianischen Mitteln erfolgen.

Kohlekraft als „Verschnaufpause“

Bisher kam Kenia ohne Kohlekraftwerke aus. Es zählt zu den Ländern in Afrika, die den Zugang seiner Bevölkerung zu Elektrizität besonders stark ausbauten. Erklärtes Ziel der Regierung dabei ist, vor allem auf erneuerbare Energien zu setzen. Schon derzeit lukriert Kenia 70 Prozent seiner Elektrizität daraus, berichtete das Magazin „Quartz“. Kürzlich wurde mit dem Turkana-Windkraftwerk das größte seiner Art in Afrika – mit einer Kapazität von 310 Megawatt – eröffnet. Das ist ein knappes Drittel von dem, was sich die Regierung aus dem Kohlekraftwerk auf Lamu verspricht.

In einem „National Geographic“-Interview argumentierte Richard Muiru, Berater des kenianischen Ministeriums für Energie und Erdöl, bereits 2017, warum das Land doch die Kohlekraft auch brauche. Man habe zwar bereits begonnen, die Ressourcen im Bereich der Windenergie und Erdwärme zu nutzen. Diese Projekte könnten aber nicht schnell genug eingespeist werden, um mit Kenias prognostizierten Bedarf mithalten zu können. Die Nutzung von Kohlekraft bezeichnete er als „Verschnaufpause“, bis die erneuerbaren Energien ausgebaut würden. Eine kurzfristige Lösung sind Kohlekraftwerke aber nicht. Neu gebaute haben im Schnitt eine Lebensdauer von 40 Jahren.