Firma Reisswolf
APA/Herbert Neubauer
Schredder-Affäre

ÖVP bleibt unter Beschuss

Die Schredder-Affäre um einen ÖVP-Mitarbeiter, der unter falschem Namen fünf Festplatten aus dem Kanzleramt vernichten ließ, erhitzt weiter die Gemüter. Die ÖVP begründete die Aktion mit der Angst vor Datenleaks. Die übrigen Parteien halten diese Darstellung für unglaubwürdig und drängen auf Aufklärung: Die SPÖ will von Ex-Kanzler Sebastian Kurz die „Wahrheit“ hören, JETZT stellt eine zentrale ÖVP-Darstellung infrage.

Die Festplatten entstammten womöglich nicht nur Druckern, sondern auch Notebooks, mutmaßte JETZT-Listengründer Peter Pilz bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Eine Verbindung zog er zum damaligen ÖVP-Kanzleramtsminister Gernot Blümel – dessen Referent soll den Auftrag zur Vernichtung der Festplatten gegeben haben. Zudem sieht Pilz möglicherweise mehrere Straftatbestände erfüllt, etwa Sach- und Datenbeschädigung von Eigentum der Republik.

Es handle sich um eine „geplante politische Aktion“, so Pilz. Auch rief er in Erinnerung, dass die Aktion einige Tage vor dem Misstrauensvotum im Nationalrat stattgefunden hat – Kurz habe noch gar nicht wissen können, dass es zu einem Regierungswechsel kommt. Pilz drängt auf eine Sondersitzung des Nationalrats im August, um die Vorgänge zu thematisieren. Informelle Gespräche dazu gebe es bereits mit der SPÖ und der FPÖ.

Parteien winken vorerst ab

Allerdings winkten beide Parteien vorerst ab: Es sei noch zu früh für eine Sitzung, wie aus den jeweiligen Klubs zu hören war. Beide Fraktionen verwiesen auf die zahlreichen Anfragen an die Regierung zu diesem Thema, die jetzt eingebracht wurden. Die FPÖ rechnet mit einer Sondersitzung erst Mitte August.

„Viele mysteriöse Umstände“

Auch die SPÖ macht weiter Druck: „Der Ex-Kanzler soll damit aufhören, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen, und jetzt die Wahrheit sagen“, sagte SPÖ-Wahlkampfmanager Christian Deutsch. Dass es sich um eine Aktenvernichtung im Zuge des Regierungswechsels gehandelt habe wie von ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer in der ZIB2 am Dienstagabend erklärt, sei allein aufgrund des Zeitpunkts nicht glaubwürdig.

Nach den weiteren Enthüllungen um die Datenvernichtung ortete Deutsch weiter „viele mysteriöse Umstände“. Diese würden schon bei der vor Wochen eilig einberufenen Pressekonferenz der ÖVP zu angeblich gefälschten E-Mails beginnen und vorläufig bei der Schredder-Affäre enden. „Man darf sich nicht wundern, wenn das schmutzig anmutet“, so Deutsch.

„Alles andere als ein ganz normaler Vorgang“

Völlig unglaubwürdig sei Kurz, wenn er behaupte, die Vernichtung der Datenträger sei ein üblicher Vorgang im Zuge des Regierungswechsels gewesen. Das sei nämlich schon vier Tage vor dem Misstrauensantrag im Nationalrat geschehen – und nur wenige Tage nach dem Auftauchen des „Ibiza-Videos“, das die Regierungskrise ausgelöst hatte. „Das war alles andere als ein ganz normaler Vorgang“, sagte Deutsch.

Werner Kogler, Bundessprecher der nicht im Parlament vertretenen Grünen, forderte für nach der Wahl die Einsetzung eines parlamentarischen U-Ausschusses zur Aufklärung der Affäre. Die Partei, die auf einen Wiedereinzug hofft, würde schon jetzt diesbezüglich Vorbereitungen treffen, so Kogler in einer Presseaussendung am Mittwoch. Der Ausschuss soll neben dem Inhalt der geschredderten Festplatten auch klären, ob ein Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ besteht.

Screenshot www.youtube.com
www.youtube.com
Der „Falter“ veröffentlichte Videoaufnahmen, die den ÖVP-Mitarbeiter bei der Firma Reisswolf zeigen sollen

Verfassungsrechtler Funk sieht „unerlaubte Entwendung“

Der Verwaltungs- und Verfassungsrechtsprofessor Bernd-Christian Funk stellte im Ö1-Mittagsjournal in den Raum, dass der Mitarbeiter, der die Festplatten vernichtet hat (bzw. seine Auftraggeber), die geschredderten Festplatten ersetzen müssten. Den Vorgang des Schredderns aus freien Stücken durch einen ÖVP-Mitarbeiter sieht der Experte sinngemäß als Vernichtung von Eigentum der Republik. Es handle sich „möglicherweise um eine unerlaubte Entwendung“. Funk kann sich vorstellen, dass nach strafrechtlicher Relevanz zu prüfen sein wird – Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Sind gebrannte Kinder“

ÖVP-Generalsekretär Nehammer verwies im ZIB2-Interview auf schlechte Erfahrungen mit Datenleaks aus dem vergangenen Wahlkampf und begründete die Schredder-Aktion zentral damit. Auch erwähnte er ein weiteres Mal die SPÖ und Ex-Politikberater Tal Silberstein. „Wir sind gebrannte Kinder“, sagte er und bezog sich auf „Dirty Campaigning“. Die Vorgehensweise des Mitarbeiters nannte Nehammer „falsch und unkorrekt“.

Nehammer zur Causa Datenvernichtung

Nehammer nahm im ZIB2-Studio Stellung zur Vernichtung von Datenträgern aus dem Bundeskanzleramt.

Dass vor einem Regierungswechsel „nicht veraktete Daten“ gelöscht und vernichtet werden, sei legitim – gleichermaßen wenig ungewöhnlich sei, dass die Aktion schon Tage vor dem Misstrauensantrag im Nationalrat stattgefunden habe. Man habe damit gerechnet, ein solches Votum nicht zu überstehen, so der ÖVP-Generalsekretär. „Wenn der Antrag durchgeht, muss alles sehr rasch gehen.“