Stadtansicht von Pyongyang
Reuters/Danish Siddiqui
Dürre, Sanktionen

Nordkoreas Wirtschaft kriselt wie in 90ern

Die nordkoreanische Wirtschaft ist im vergangenen Jahr so stark eingebrochen wie seit der Hungerkrise in den 90er Jahren nicht mehr. Das teilte die südkoreanische Zentralbank (BOK) am Freitag mit. Besonders die internationalen Sanktionen sowie die anhaltende Dürre treffen das Land hart.

Wie die südkoreanische Zentralbank mitteilte, ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des kommunistischen Landes im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent zurück, nachdem es 2017 bereits um 3,5 Prozent eingebrochen war. Der Rückgang im Vorjahr war das größte Minus seit 1997, als das Land in einer schweren Hungersnot steckte. Damals kamen rund drei Millionen Menschen ums Leben.

Südkoreas Zentralbank verwendet die von der Regierung in Seoul und den Geheimdiensten erhobenen Zahlen für ihre Schätzungen. Die Umfrage der Bank umfasst die Überwachung der Größe von Reisfeldern in Grenzgebieten, die Verkehrsbeobachtung und Interviews mit Überläufern.

Kräne am Hafen von Rajin (Nordkorea)
APA/AFP/Ed Jones
Kohle galt vor den internationalen Sanktionen als ein wichtiges Exportgut Nordkoreas

Der streng abgeschottete Norden veröffentlicht selbst keine Wirtschaftsdaten. Nordkorea verfügt über wichtige Bodenschätze und war einst reicher als der Süden. Jahrzehntelanges Missmanagement und der Zusammenbruch des Unterstützers Sowjetunion führten das Land allerdings in bittere Armut.

Zehn Millionen Menschen von Hunger bedroht

Zuletzt trafen vor allem auch die internationalen Wirtschaftssanktionen, mit denen Nordkorea wegen seiner Atomwaffen- und Raketentests belegt worden ist, das Land zunehmend. Durch die Strafen sanken etwa die Exporte im Vorjahr um mehr als 85 Prozent, wie die BOK mitteilte. Das Land exportiert unter anderem Kohle, Fisch und Textilien. Der internationale Handel halbierte sich. Erst 2017 seien die gesamten nordkoreanischen Exporte um gut 37 Prozent gefallen.

Arbeiterin in Seidenfabrik
Reuters/Danish Siddiqui
Das Land exportiert unter anderem Kohle, Fisch und Textilien

Das nordkoreanische Bruttonationaleinkommen summierte sich im vergangenen Jahr auf umgerechnet rund 35,8 Milliarden Euro, das sind nur zwei Prozent des Nationaleinkommens Südkoreas. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt nur noch rund 1.300 US-Dollar (rund 1.170 Euro). Nordkoreas Pro-Kopf-Einkommen beträgt nach BOK-Angaben etwa 3,9 Prozent desjenigen in Südkorea.

Abgesehen von den Sanktionen wurde die nordkoreanische Landwirtschaft im Vorjahr schwer von Hitzewellen belastet, sagte ein Vertreter der Bank der Nachrichtenagentur AFP. Erst kürzlich berichtete das Welternährungsprogramm (WFP), in Nordkorea seien mindestens zehn Millionen der 25 Millionen Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner von Hunger bedroht. Ein Großteil der Bevölkerung ist auf staatliche Lebensmittelrationen angewiesen. Die jüngste Ernte fiel laut WFP nach Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen so schlecht aus wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Gespräche über Nuklearstreit stocken

Nordkorea hatte die USA zuletzt bei mehreren historischen Treffen zwischen Machthaber Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump wegen der prekären wirtschaftlichen Lage um eine Aufhebung der Sanktionen „in ihrer Gesamtheit“ gebeten, was Trump ablehnte. Die USA und Südkorea vermuteten, dass strengere internationale Sanktionen ausschlaggebend dafür waren, dass der nordkoreanische Machthaber überhaupt Gespräche über eine Denuklearisierung verfolgte.

Raketenstart in Nordkorea
APA/AFP/KNCA
Erst am Donnerstag feuerte Nordkorea erneut zwei Kurzstreckenraketen ab

Doch trotz der Treffen kamen die Gespräche über eine Entspannung im Nuklearstreit mit Nordkorea nicht voran. Erst am Donnerstag feuerte das Land erneut zwei Kurzstreckenraketen ab. Der Nationale Sicherheitsrat in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ging davon aus, dass ein neuartiger Typ einer ballistischen Rakete getestet wurde.

Seinen jüngsten Waffentest hat die selbst erklärte Atommacht Nordkorea als Warnung an Südkorea bezeichnet. Bei dem Test sei im Beisein Kims eine „taktische Lenkwaffe eines neuen Typs“ abgefeuert worden, berichteten die Staatsmedien. Der Test sei eine Reaktion auf die Einführung moderner Waffen durch Südkorea und dessen Militärübungen gewesen.

Trump gibt sich zurückhaltend

Die US-Regierung reagierte zurückhaltend auf die Aktion Pjöngjangs. Trump sagte, er habe gute Beziehungen zu Kim. „Sie haben nicht wirklich anderes als kleine Raketen getestet … etwas, was viele testen“, sagte Trump dem Nachrichtensender Fox. Aus dem Weißen Haus hieß es knapp, man kenne die Berichte über die Raketenstarts, kommentiere sie aber nicht weiter. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums wich Nachfragen aus, ob die Regierung die Aktion Pjöngjangs als Provokation auffasse.