Gerhard Weis
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1938–2019

Ex-ORF-Generalintendant Weis ist tot

Gerhard Weis, früherer Generalintendant des ORF, ist am Freitag im Alter von 80 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. „Mit den Jahren hat der ORF immer mehr von mir Besitz ergriffen – so war’s, nicht umgekehrt“, so Weis, der jahrzehntelang in Führungspositionen im ORF tätig war. Unter seiner Ägide wurden zahlreiche neue Formate begründet.

„Zum letzten Mal schreibt Ihnen ein Generalintendant, das nächste Mal wird’s ein Generaldirektor sein.“ Mit diesem Satz eröffnete Weis im Jahr 2001 seinen Weihnachtsbrief an die ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. 1998 hatte er sich mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und unabhängigen Kuratoren gegen den von der ÖVP favorisierten Peter Radel als Generalintendant durchgesetzt. Nach der ersten Auflage von Schwarz-Blau und einem neuen ORF-Gesetz unterlag er gegen die von ÖVP und FPÖ forcierte niederösterreichische Landesintendantin Monika Lindner.

Weis galt als bürgerlich und verstand es, sich über Jahrzehnte hinweg den medialen Zeitläufen anzupassen. Er wurde am 1. Oktober 1938 in Wien-Brigittenau geboren. Seine journalistische Karriere startete er 1958 als Zeitungsjournalist. 1967 kam der „strukturelle Frühaufsteher“ zum ORF – zunächst als innenpolitischer Redakteur, später als Ressortleiter Innenpolitik. Mehr als 30 Jahre diente er dem ORF in den verschiedensten Positionen.

Gerhard Weis
AP/Martin Gnedt
Weis’ Funktionsperiode, die auf vier Jahre angelegt war, wurde aufgrund der ORF-Reform unter Schwarz-Blau verkürzt

Ab 1973 leitete Weis die ORF-Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, von 1974 bis 1978 war er Intendant für das erste Fernsehprogramm. 1979 folgte die Leitung der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Koordination und Unternehmensplanung in der ORF-Generalintendanz. Weis war während dieser Zeit auch Chefredakteur in der Generalintendanz. Im März 1992 wurde er zum Intendanten des Landesstudios Wien bestellt. Ab Oktober 1994 war er als Hörfunkintendant tätig, es folgten erfolgreiche Reformen bei Ö1 zum Kultur- und Informationssender und bei Ö3. Ab Februar 1997 agierte er darüber hinaus als Generalsekretär.

Viele Formate begründet

In seiner Amtszeit als Generalintendant stärkte Weis den öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutlich: Information, Wissenschaft und Kultur wurden im Fernsehen ausgebaut, die Marktanteile gehalten. Im Radio blieben die Marktanteile trotz privater Konkurrenz ebenfalls auf hohem Niveau, und mit FM4 wurde ein neues Jugendradio aus der Taufe gehoben. „Report international“, „Schilling“, „Land der Berge“, „Euro Austria“, „Bundesland heute“ am Wochenende, aber auch „Die Barbara Karlich Show“, „Die Millionenshow“ und „Taxi Orange“ sind einige der Fernsehformate, die unter Weis auf Sendung gingen und neue Akzente setzten.

Der ehemalige ORF-Generalintendant Gerhard Weis und Helmut Zilk
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Weis mit dem Wiener Alt-Bürgermeister Helmut Zilk bei seinem Abschiedsfest im Frühjahr 2002

Auch die Verwirklichung des Gemeinschaftsprojekts „3sat" und die Gründung des Teletext gehen auf Weis zurück. Bis zuletzt war er Vorsitzender des Kulturbeirats von ORF III Kultur und Information und trug in den vergangenen Jahren wesentlich zu dessen Erfolgsgeschichte bei. Zudem war er bei den Vereinigten Bühnen Wien bis zuletzt über zwei Jahrzehnte Aufsichtsratsvorsitz.

„Personalwünsche“ nicht erfüllt

Als „politischen Ritualmord“ bezeichnete er einst in einem Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ seine Abwahl. Seine Nachfolgerin Lindner habe er vor seiner Bewerbung „mehrfach gefragt“, ob sie gegen ihn antreten wolle: „Dann wäre ich wahrscheinlich gar nicht mehr angetreten. Sie hat strikt abgelehnt.“ Die Umstände seines Abgangs bezeichnet Weis als „sehr schmerzlich“.

TV-Hinweis

Am Montag erinnert ORF III um 19.45 Uhr in einem „Kultur heute spezial“ an Weis, zu Wort kommen zahlreiche Freunde und Wegbegleiter.

Die Abneigung der damaligen Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) erklärte sich Weis damit, dass es „seit Jahren immer wieder Personalwünsche“ gegeben habe, die er nicht erfüllt habe. Diese seien „sehr massiv vorgetragen“ worden. Hätte er ihnen nachgegeben, wäre er wahrscheinlich auch nach dem 2. Jänner 2002 ORF-Chef geblieben.

Wrabetz „tief betroffen“

Er sei „tief betroffen“ über den Tod von Weis, so ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Weis sei einer der großen Architekten eines modernen, vielfältigen und relevanten ORF gewesen und habe nicht nur die Regionalisierung und „Verösterreicherung“ vorangetrieben, sondern den ORF auch als Fenster zur Welt etwa mit der Teilnahme an 3sat aufgebaut und Info-, Kultur- und Wissenschaftssäulen errichtet, auf denen das ORF-Programm heutzutage noch ruhe.

Trauer um Gerhard Weis

Wrabetz würdigt Weis für die Modernisierung des ORF, die unter seiner Führung vorangetrieben wurde, sowie für den Ausbau von Wissenschaft und Kultur im Programm.

„Er hat in einer Zeit der schnell wachsenden Konkurrenz die Grundsteine für die erfolgreiche Flottenstrategie des Unternehmens gelegt. Ohne Gerhard Weis wäre der ORF heute nicht einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Sender Europas. Er war ein Kämpfer für einen starken ORF und hat sich immer aufrecht für zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit voller Energie eingesetzt. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie“, so Wrabetz.

Würdigung über Parteigrenzen hinweg

Vertreter aus Politik und Kultur zeigten sich gleichermaßen betroffen. Medienminister Alexander Schallenberg würdigte Weis als „großen Vordenker“, der „maßgeblich an der stetigen Weiterentwicklung des österreichischen Rundfunks beteiligt“ gewesen sei. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erklärte, Weis habe über Jahrzehnte hinweg den ORF und seine wichtige Rolle in der Gesellschaft geprägt. Der ehemalige Medienminister Gernot Blümel nannte ihn einen Medienmanager, der den ORF modernisiert und neue, innovative Sendeformate gefördert habe.

Ex-ORF-Generalintendant Weis ist tot

Am Freitag starb Weis im Alter von 80 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit.

Für SPÖ-Medien- und Kultursprecher Thomas Drozda war Weis einer „der innovativsten Medienmacher des Landes“, der sich große Verdienste um die Weiterentwicklung des ORF erworben habe. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), den eine persönliche Freundschaft mit Weis verband, bezeichnete ihn als „Architekten und Baumeister des modernen ORF“. „Wir verlieren mit Gerhard Weis einen großen Bürger unserer Stadt.“

Auch FPÖ-Obmann Norbert Hofer würdigte Weis als „großen Medienmanager“, der die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks maßgeblich geprägt habe. Für FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein war Weis „eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des ORF“. Von den Vereinigten Bühnen Wien hieß es, man verabschiede sich „in tiefer Trauer von diesem herausragenden Medien- und Kulturmanager und Wegbegleiter“. Weis habe große Meilensteine des Hauses begleitet und sei immer ein Ermöglicher gewesen, der mit Konsequenz seine Ziele verfolgte.

Van der Bellen: „Aufrechter Mensch, guter Journalist“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte Weis als „eine bedeutende Persönlichkeit der österreichischen Medienlandschaft“. Der Verstorbene sei „ein aufrechter Mensch, ein guter Journalist und ein innovativer ORF-Generalintendant gewesen“, schrieb Van der Bellen auf Twitter.

Für NEOS-Klubobfrau und Mediensprecherin Beate Meinl-Reisinger hat Weis „den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geprägt wie kaum jemand anderer“ durch die Stärkung von Information, Wissenschaft und Kultur im ORF-Programm, neue Fernsehformate und die Einführung eines fremdsprachigen Programms. „Wir verlieren nicht nur einen innovativen Medienmanager, sondern einen engagierten Bürger, dem die Unabhängigkeit des Rundfunks und die Vermittlung von Kunst und Kultur ein großes Anliegen waren.“

Kardinal Christoph Schönborn nannte Weis einen „leidenschaftlichen Journalisten“, der „aus seiner christlichen Überzeugung nie einen Hehl gemacht“ habe. „Gerhard Weis stand für Journalismus mit Haltung“, unterstrich Schönborn gegenüber „Kathpress“.