Erbsen
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Fleischersatz

Erbse auf Erfolgskurs

Vegan ist en vogue – und ganz oben auf der Beliebtheitswelle schwimmt derzeit die Erbse. Von Beyond Meat, dessen Aktien nach dem Börsengang im Mai in die Höhe geschossen sind, über den US-Lebensmittelriesen Tyson Foods bis zu dem Schweizer Konkurrenten Nestle – Unternehmen setzen zunehmend auf Proteine aus der Hülsenfrucht.

Erbsenprotein kommt als Backzutat zum Einsatz, als Basis für pflanzliche Milchalternativen, vor allem aber in der Produktion von Fleischalternativen. Derart viele vegane Produkte drängen derzeit auf den Markt, dass bei der Herstellung des Erbsenproteins mit der Nachfrage zeitweise nicht mehr Schritt gehalten werden kann. Zwar herrscht kein Mangel an Erbsen selbst, Firmen aber fehlt die Kapazität zur ausreichenden Herstellung des aus der Hülsenfrucht extrahierten Proteinpulvers.

Die „Financial Times“ („FT“) lieferte Anfang Juli ein Beispiel: Das im britischen Leeds ansässige Start-up The Meatless Farm, das kürzlich einen Liefervertrag mit der Amazon-Tochter Whole Food Markets in den USA abschloss, hat seine Produktion seit seinem Start im vergangenen Jahr verdreifacht. Kürzlich erhielt das Unternehmen jedoch nur ein Viertel des bestellten Erbsenproteins – die Lieferanten hatten den Rest der Ware anderen Käufern zukommen lassen. „Wir haben die Kehrseite der verstärkten Nachfrage erlebt“, zitierte die „FT“ Firmengründer Morten Toft Bech. Meatless Farm habe nun begonnen, Vorräte aufzustocken – „und alle anderen machen das auch“.

Verbrauch wächst rasant

Laut Einschätzung von Henk Hoogenkamp, Berater und Vorstandsmitglied mehrerer Lebensmittelunternehmen, hat sich der Verbrauch von Erbsenproteinen seit 2015 auf 275.000 Tonnen fast verdoppelt. Er geht davon aus, dass der Markt im nächsten Jahr um weitere 30 Prozent wachsen und bis 2025 auf 580.000 Tonnen steigen wird. Der größte Teil davon entfalle auf den höheren Verbrauch von pflanzlichen Fleischprodukten, sagte er unlängst gegenüber Bloomberg.

Sojabohnenfeld in Paraguay
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Soja hat in den letzten Jahren an Beliebtheit eingebüßt

Die Landwirtschaft passt sich dem veganen Hype an: US-Angaben zufolge hat sich der Preis für Erbsen binnen Jahresfrist fast verdoppelt. Zahlreiche Bäuerinnen und Bauern sehen nun Chancen im Anbau der früher eher vernachlässigten Pflanze – sogar jene, die von der Vegan-Bewegung wenig halten wie etwa Tony Fast aus Montana. Eine Reduktion des Fleischkonsums ist ihm kein Anliegen: „Ich bin ein traditioneller Fleischesser und Rancher“, zitierte ihn Bloomberg.

Soja sinkt in der Gunst

Doch sinkende Preise für Soja und Mais lassen ihn wie viele andere umdenken: Um fast ein Fünftel haben einige der von Bloomberg befragten Landwirte ihre Anbaufläche ausgeweitet – Tendenz steigend. Auch offizielle Statistiken weisen einen geplanten Ausbau der US-Erbsenanbaufläche um 20 Prozent aus. Was die Entwicklung noch befeuert, ist die steigende Skepsis der Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber Soja.

Soja ist die am häufigsten vorkommende und billigste Quelle für pflanzliches Protein, kann allerdings Allergien hervorrufen und sich durch die darin enthaltenen Phytoöstrogene auf den Hormonstoffwechsel auswirken. Die in Europa geernteten Sojabohnen decken den Bedarf bei Weitem nicht ab, der – großteils genetisch veränderte – Rest wird insbesondere aus den USA, Brasilien und Argentinien importiert. Für ökologische Bedenken sorgt zudem, dass für den Anbau Regenwaldflächen des Amazonas-Gebietes systematisch abgeholzt werden, wiewohl das Gros des Sojas als Futtermittel für Nutztiere verwendet wird.

Beyond-Meat-Burger
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Erbsenproteine spielen beim Fleischersatz eine essenzielle Rolle

„Die Nachfrage nach Proteinen, die nicht gentechnisch verändert sind und biologisch angebaut wurden, ist exponentiell gestiegen“, sagte Tyler Lorenzen, Geschäftsführer von Puris, dem größten US-Erzeuger auf dem Gebiet. Einer der Kunden von Puris ist Beyond Meat, dessen Vorstandschef Ethan Brown unlängst einräumte, dass die Sicherung von Rohstoffen ihn „ziemlich beschäftigt“. Analysten der US-Bank JPMorgan bezeichneten die Wachstumsaussichten des 2009 in Kalifornien gegründeten Unternehmens Beyond Meat dennoch als „außergewöhnlich“.

In drei Monaten von 1,5 auf 13,4 Dollar Mrd. Börsenwert

Außergewöhnlich ist auch der Erfolg des Vegan-Vorreiters auf dem Kapitalmarkt: Beim Börsengang Anfang Mai kostete die Aktie 25 Dollar, zuletzt war es rund das Neunfache. Der Börsenwert stieg damit in rund drei Monaten von 1,5 auf knapp 13,5 Milliarden Dollar (12,1 Mrd. Euro). Der Umsatz legte im zweiten Quartal auf 67,3 Millionen Dollar zu – ein Plus von 287 Prozent im Jahresvergleich. Nicht allen Mitbewerbern auf dem umkämpften Gebiet wird dieser Erfolg beschieden sein, allein deshalb, weil Beyond Meat auch von Finanzspritzen zahlreicher Prominenter wie Bill Gates und Leonardo DiCaprio zehren kann.

Dass der Marktanteil der fleischlosen Produkte aber weiter wachsen wird, ist unbestritten. Die Erbse als wesentlicher Protagonist dabei wird folglich ihren Siegeszug fortsetzen – und möglicherweise ihr Einzugsgebiet noch ausweiten: In Schottland wurde erstmals Gin aus Erbsen gebrannt, wie Inside Science im Juli berichtete. Die dadurch entstandene Umweltbelastung war entschieden geringer als jene, die bei der herkömmlichen Produktion von Gin aus Weizen anfällt.