Protestierende Menschen mit einer rumänischen Fahne
APA/AFP/Daniel Mihailescu
Ermordete 15-Jährige

Rumänischer Innenminister zurückgetreten

Im Skandal um die Ermordung einer 15-Jährigen und einer 18-Jährigen ist am Dienstag der rumänische Innenminister Nicolae Moga zurückgetreten. Der Polizei wird in der Causa Behördenversagen und Inkompetenz vorgeworfen, denn trotz dreier Notrufe hatten die Einsatzkräfte der später getöteten 15-Jährigen nicht geholfen. Laut Mitschnitten des Notrufs hatte die Polizei dem Mädchen sogar gesagt, sie solle „die Leitung nicht belegen“.

Mogas Rücktritt erfolgte nur wenige Stunden vor einer Sitzung des Obersten Verteidigungsrates, der sich mit dem Behördenversagen befassen sollte. Der Sozialdemokrat Moga war weniger als eine Woche im Amt. Insgesamt ist der schockierende Mordfall längst zum Politikum geworden. Für viele Menschen ist er ein Beleg für korrupte und ineffiziente öffentliche Institutionen in Rumänien.

Das Mädchen war Mitte der vergangenen Woche entführt und verschleppt worden, als sie versuchte, per Anhalter in ihren Heimatort Dobrosloveni im Süden des Landes zu gelangen. Die Schülerin konnte später mit einem Handy, das sie ihrem Peiniger entwendet hatte, dreimal den Notruf wählen und die Polizei um Hilfe bitten: Sie sei entführt, in eine Baracke auf einem heruntergekommenen Anwesen gebracht, mit Draht gefesselt und vergewaltigt worden. „Er kommt, er kommt“, sagte sie in einem Telefonat, bevor es unvermittelt endete.

Entführtes Mädchen fast abgewimmelt

Nun hörte der Verteidigungsausschuss die Mitschnitte der Notrufe und zeigte sich über den Inhalt schockiert. Beim ersten Notruf habe die Polizei der 15-Jährigen gesagt, sie solle die Leitung nicht länger belegen. Nachdem die Jugendliche weinend beteuerte, entführt, verprügelt und vergewaltigt worden zu sein, empfahl ihr der Polizist: „Bleib’, wo du bist. Ich schicke eine Streife vorbei.“

Menschen vor Kerzen
AP/Andreea Alexandru
Gedenken an die ermordeten Teenager in Bukarest

Neben Mangel an Empathie ist die Polizei in Caracal auch mit dem Vorwurf erheblicher Inkompetenz konfrontiert. Nachdem der ungefähre Aufenthaltsort des Mädchens per Handyortung bestimmt worden war, benötigte die örtliche Polizei eineinhalb Stunden, um die App zur genaueren Positionsbestimmungen zu bedienen. Der zuständige Polizist habe „telefonische Anweisungen“ angefordert, weil er nicht wusste, was zu tun bzw. anzuklicken sei, sagte der Vizechef des Geheimdienstes Sondertelekommunikationsdienst (STS) gegenüber dem Verteidigungsausschuss.

Rumäniens Innenminister Nicolae Moga
Innenminister Moga war nur sechs Tage im Amt

Soll bei Notruf ertappt worden sein

Hilfe durch die Polizei kam schließlich zu spät – das Mädchen war umgebracht worden. Der mutmaßliche Täter soll sie während ihres dritten und letzten Anrufs ertappt haben. Angeblich soll die Polizei das Mädchen zurückgerufen haben. Der mutmaßliche Täter, der gerade das Haus verlassen hatte, um aus einer Apotheke Wundsalbe für das verletzte Mädchen zu besorgen, könnte das Klingeln des Handys gehört haben und daher zurückgestürmt sein. Ob sich die Polizeibeamten der lokalen Notrufzentrale dabei durch Fehlverhalten mitschuldig gemacht haben, wird das Ermittlungsverfahren zeigen.

In mehreren Fällen verdächtig

Dem mutmaßlichen Täter werden mittlerweile mehrere Morde angelastet. Neben der 15-Jährigen soll er auch eine 18-Jährige getötet haben. Auch in einem dritten Fall aus dem Jahr 2015 wird er verdächtigt: Damals war eine 17-jährige Schülerin vergewaltigt, getötet und enthauptet worden. Das Mädchen hatte in den Sommerferien in einem Lokal des Ortes Craiova gekellnert, war dann aber spurlos verschwunden. Wochen später wurde ihr enthaupteter Leichnam in einem Sack in einem Park entdeckt.

Berichte der Lokalpresse, laut denen die Ermittler im Haus des Tatverdächtigen ein Handy der vor vier Jahren getöteten jungen Frau gefunden haben sollen, wollte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Dolj nicht bestätigen. Sie hob lediglich hervor, dass der Hauptverdächtige auch im ungelösten Mordfall von 2015 tatverdächtig sei. Für weiteres Aufsehen sorgte am Dienstagnachmittag ein Statement des Pflichtverteidigers, der eröffnete, dass sein Mandant überdies „in weiteren Fällen tatverdächtig ist“.

Ein Teilgeständnis zu den beiden aktuellen Fällen soll der 66-Jährige immer wieder ändern. Er gab an, die Leichen der Teenager verbrannt zu haben. Die verkohlte Leiche der jungen Frau will er in der Donau entsorgt haben. Da die Forensiker aber Spuren sterblicher Überreste auch am Ufer eines Teiches unweit seines Grundstücks fanden, durchkämmten zuletzt Polizeitaucher den Tümpel sowie eine nahe gelegene Mülldeponie.

Disziplinarverfahren gegen Polizisten

Wie das rumänische Innenministerium weiter berichtete, wurden bis dato gegen neun in dem Fall eingesetzte Polizeibeamte Disziplinarverfahren eingeleitet und gegen drei Strafanzeige erstattet. Der Beamte, der den ersten Notruf der 15-Jährigen entgegennahm, habe auf das Flehen der Jugendlichen nur „widerwillig“ reagiert, weder um eine Standortbeschreibung gebeten noch versucht, dem Mädchen beratend zur Seite zu stehen, so das Innenministerium. Auch STS-Chef General Ionel Vasilca trat am Montag zurück, nachdem seine Behörde wegen der schleppenden Ortung der drei Notrufe unter Beschuss geraten war.

Protestierende Menschen mit einer rumänischen Fahne
AP/Vadim Ghirda
Vor dem Regierungsgebäude kam es zu spontanen Protesten

Mutter von 18-Jähriger wurde nicht unterrichtet

Schwere Vorwürfe gegen die rumänischen Behörden erhob am Montag auch die Mutter der getöteten 18-Jährigen: Monatelang habe sie Vermisstenanzeigen bei der Polizei erstattet, die keinerlei Beachtung fanden. Nun hätten Polizei und Staatsanwälte es nicht einmal für nötig befunden, sie über das Geständnis des Täters zu unterrichten. Dass ihre Tochter tot sei, habe sie „aus dem Fernsehen erfahren“, sagte die Frau.

Auch der Vater der 15-Jährigen erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Als er sein Kind bereits am Mittwochabend als vermisst melden wollte, hatte die Polizei Caracal ihm empfohlen, sich „lieber erst morgen wieder zu melden“.