Sebastian Kurz
ORF
Interview

Kurz mit klarem Nein zu Strache und Kickl

Die Vernichtung von Festplatten aus dem Bundeskanzleramt sorgt weiter für teils heftige Debatten. ÖVP-Chef Sebastian Kurz sprach am Dienstagabend in der ZIB2 zwar von „Fehlverhalten“ des betroffenen Mitarbeiters – aber auch von einer „absoluten Lüge“ des ehemaligen Vizekanzlers und Ex-FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache. Kurz schloss auch aus, dass Ex-Innenminister Herbert Kickl unter seiner Kanzlerschaft noch einmal Minister wird.

Strache hatte auf Facebook „fragwürdige Vorgänge“ geortet und die Frage gestellt: „Was hatte die ÖVP unter Ex-Bundeskanzler Kurz nach Veröffentlichung des illegal erstellten Ibiza-Videos zu vertuschen?“ Kurz konnte erneut nicht nachvollziehen, warum auch von anderer Seite versucht werde, die Causa immer wieder so darzustellen, als sei etwas auf den Festplatten gewesen wie das „Ibiza-Video“.

Kurz erinnerte zudem an die am Dienstag bekanntgewordene Schredderung von Festplatten auch vor der Amtsübergabe seines Vorgängers Christian Kern (SPÖ). Das Vernichten von Festplatten sei somit sehr wohl ein bei Regierungswechseln üblicher Vorgang. Nichts schönzureden gebe es bei der fraglichen Umsetzung durch seinen Mitarbeiter. Kurz sprach in der ZIB2 von einem „Fehlverhalten“, und das „kann man ihm und uns zu Recht vorwerfen“. Geschehen sei das aus der Sorge, dass bei manchen Beamten „oftmals die Parteiloyalität höher ist als die Lust, der Republik zu dienen“.

Schredder-Affäre: „Das war ein Fehlverhalten“

ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat in der ZIB2 Stellung zu den Vorgängen rund um die Schredder-Affäre genommen. Die Umsetzung durch einen Mitarbeiter bezeichnete Kurz dabei als „Fehlverhalten“.

Keine Widersprüche gibt es laut Kurz in Bezug auf die ÖVP-Angaben zur Anzahl der geschredderten Festplatten. Angesprochen auf eine ÖVP-Aussendung, in der von einer Festplatte die Rede ist, sagte Kurz: „Ich habe immer von Druckerfestplatten gesprochen.“

Kurz: Innenministerium nicht mehr an FPÖ

Im Interview sagte der ÖVP-Chef außerdem, dass er, sollte er Kanzler werden, das Innenministerium in einer künftigen Koalition nicht mehr der FPÖ überlassen würde. Klares Ziel sei es, egal in welcher Konstellation selbst dieses Ministerium zu besetzen, sagte er. Für den blauen Ex-Innenminister Kickl schloss er erneut jede Regierungsfunktion aus. „Nein, in meiner Regierung, sollte ich wieder eine Regierung anführen, hätte er keinen Platz“, sagte Kurz.

Akt „BKA-410.413“

Unterdessen sorgte am Dienstag auch ein Medienbericht rund um geschredderte Festplatten bei der Amtsübergabe von Kern an Kurz für weiteren Zündstoff. Laut einer der „Kronen Zeitung“ vorliegenden Auftragsbestätigung wurden damals sieben Druckdatenträger ersetzt und die entnommenen zerstört. Laut dem „Krone“-Bericht stammten gemäß dem Akt „BKA-410.413“ drei der sieben Festplatten vom Ballhausplatz, eine davon direkt aus Kerns Vorzimmer („109/2M“).

Weitere drei Festplatten kamen aus den Beständen des Kanzleramtsministers Thomas Drozda, nunmehr SPÖ-Bundesgeschäftsführer, und eine aus dem früheren Staatssekretariat von Muna Duzdar (SPÖ). Die Rechnung belief sich laut dem Bericht auf knapp 2.100 Euro, wobei offenbar auch die Beschaffung der neuen Festplatten zum Leistungsumfang gehörte – ob die von der ÖVP geschredderten Datenträger ersetzt wurden, ist nach wie vor unklar. Die Auftragsbestätigung datiert laut „Krone“ vom 1. Dezember, die Amtsübergabe an Kurz erfolgte am 18. Dezember.

Kern: Keinen Auftrag erteilt

Kern betonte am Dienstag, keinen Auftrag dazu erteilt zu haben. Genau das sei der Unterschied zu seinem Nachfolger, so der ehemalige SPÖ-Chef auf Facebook: „Ein persönlicher Mitarbeiter von ihm hat unter falschem Namen Festplatten bei einer externen Firma zerstören lassen. Das war kein amtswegiger Vorgang, das war kein gesetzesmäßiger Verwaltungsakt, sondern eine heimliche Zerstörung und Panikaktion.“ Offenbar habe das Kabinett von Kurz etwas zu verbergen.

Gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal sagte Kern, seinen Nachfolger klagen zu wollen, sollte Kurz „noch einmal behaupten“, dass auch bei seiner Übergabe „politische Mitarbeiter Material geschreddert haben, noch dazu unter falschem Namen, noch dazu außer Haus“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Kern betonte zudem, bis Dienstag keine Kenntnis davon gehabt zu haben, „dass Festplatten des Kanzleramtes aus meiner Amtszeit zerstört“ worden seien. Eine entsprechende Klagsdrohung hatte Kern schon am Freitag geäußert.

Berichte über Schredder-Aktion bei Kerns Amtsübergabe

Medienberichten zufolge sollen auch bei der Amtsübergabe von Christian Kern an Sebastian Kurz Datenträger zerstört worden sein. Kern gibt an, nichts davon gewusst zu haben.

ÖVP sieht „Doppelmoral“ bei SPÖ

Die ÖVP sparte wiederum nicht mit Kritik an der SPÖ: „Es ist unglaublich, mit welcher Doppelmoral Kern und die gesamte SPÖ hier agieren“, sagte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer: „Wie sich jetzt herausstellt, schredderte auch die SPÖ, und das sogar im größeren Stil.“ Kurz habe von der SPÖ noch schwere Kritik geerntet, weil er die Vernichtung der Druckerfestplatten als „normalen Vorgang“ bezeichnet habe. „Spätestens seit heute“ sei klar, dass es nicht „außergewöhnlich“ sei, dass „zeitgerecht vor einem Regierungswechsel Festplatten ausgebaut und vernichtet werden“, so Nehammer.

SPÖ wehrt sich

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Drozda wiederum ließ via Twitter wissen, dass die Übergabe damals durch Beamte des Kanzleramts durchgeführt und geleitet wurde. Die ÖVP hingegen habe „offenbar einiges zu verbergen, verstrickt sich in Widersprüche und will nicht über ihre zerstörten Daten, Festplatten und Fehler reden. Stattdessen versucht sie, uns mit Dreck zu bewerfen.“

Auch SPÖ-Wahlkampfmanager Christian Deutsch betonte in einer Aussendung, bei der Kern-Übergabe habe es ein „völlig transparentes, ordnungsgemäßes und dokumentiertes Vorgehen“ gegeben. Und weiter: „Die ÖVP muss endlich für Aufklärung sorgen, statt weitere Ablenkungsmanöver zu starten.“

Pilz-Anzeige gegen Kurz

Unterdessen zeigte der JETZT-Abgeordnete Peter Pilz Ex-Bundeskanzler Kurz und zwei Mitarbeiter im Kanzleramt in Zusammenhang mit der Schredder-Affäre an. In einer Sachverhaltsdarstellung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heißt es, die Vernichtung von Datenträgern könnte die Tatbestände Betrug, Sach- und Datenbeschädigung und Unterdrückung von Beweismitteln erfüllen.

Dort erklärte man auf APA-Anfrage, dass die Sachverhaltsdarstellung noch nicht eingelangt sei. Sobald sie vorliege, werde sie geprüft. Darüber hinaus würden zu den schon laufenden Ermittlungen keine Details bekanntgegeben, auch nicht, gegen wie viele Personen ermittelt werde. Bei den Ermittlungen sei jedenfalls „besondere Sensibilität“ geboten, zudem handle es sich um einen „Verschlussakt“.

Ungereimtheiten bei ÖVP-Festplatten?

Der „Standard“ berichtete unterdessen von möglichen Ungereimtheiten bei den von der ÖVP geschredderten Festplatten. Drei der fünf sollen laut Seriennummer Platten sein, die nicht an Privatverbraucher verkauft, sondern in Druckern oder Laptops verbaut werden. Die vierte Festplatte sei aber laut Seriennummer ein Modell der Marke Western Digital gewesen, die zwar in Drucker eingebaut werden könne, aber eigentlich explizit für Laptops gebaut sei. Diese sei auch im Handel erhältlich.

Entdeckt wurde das erst jetzt, weil im „Falter“-Bericht über die „Aktion Reisswolf“ diese Seriennummer falsch wiedergegeben worden sei, schreibt der „Standard“. Völliges Rätselraten gibt es noch über die fünfte Festplatte. Auch hier scheint die kolportierte Seriennummer nicht zu stimmen.

Zwischen in Druckern und in PCs verbauten Festplatten gebe es grundsätzlich keinen Unterschied, sagte der IT-Experte Otmar Lendl vom Computer Emergence Response Team Austria (CERT) der APA. Rückschlüsse darauf, wie die fünf geschredderten Festplatten verwendet wurden, seien damit kaum möglich. Nach Aufkommen der Schredder-Affäre hat die ÖVP stets davon gesprochen, dass es sich bei den vernichteten Datenträgern um Druckerfestplatten gehandelt habe.