Sommergespräche-Set
ORF/Thomas Ramstorfer
„Sommergespräche“

Erfrischung vor Wahlkampfhitze

Zurück zum Wesentlichen gilt bei den heurigen ORF-„Sommergesprächen“: Kein Moderatorenduo wie im Vorjahr, sondern mit Tobias Pötzelsberger nur ein Interviewer. Der will – kurz vor Beginn der heißen Wahlkampfphase – auf Ruhe und Abkühlung setzen. Dazu passend übt sich in diesem Jahr auch die Kulisse in Zurückhaltung.

Üppig gab sich der Hintergrund im vergangenen Jahr: grüne Weinberge, dahinter die bewaldeten Felsen des Donautals und mittendrin der barocke Zwiebelturm der Stiftskirche Dürnstein – eine Postkartenidylle. Heuer zieht im Setting der „Sommergespräche“ hingegen nüchterne Sachlichkeit ein. Das Gespräch findet nun wieder in Wien statt. Die Terrasse, auf der normalerweise die ORF-Vorabendsendung „Studio 2“ über die Bühne geht, wird dafür leer geräumt. Nur ein Holztisch und zwei Sessel finden dann dort ihren Platz. Mehr an Kulisse soll es nicht geben.

Das abgespeckte Setting war auch ein Wunsch Pötzelsbergers. Der 36-Jährige war in der Berichterstattung zur „Ibiza“-Affäre österreichweit bekannt geworden. Stunde um Stunde moderierte er den Sendungsmarathon an jenem Samstag im Mai, an dem sich die innenpolitischen Ereignisse überschlugen. Erst kurz davor war der gebürtige Oberösterreicher aus dem Landesstudio Salzburg in die ZIB-Redaktion gewechselt. Sein ruhiger, unaufgeregter Moderationsstil brachte ihm in der Folge viel Lob ein – und schließlich auch das Angebot, die Moderation des Traditionsformats zu übernehmen.

Jünger als die Sendung

Dabei ist Pötzelsberger – auch das eine Premiere – jünger als die Sendung selbst. Seit 38 Jahren bittet der ORF im Sommer die heimischen Parteichefinnen und Parteichefs zu langen Fernsehinterviews. „Man muss nur auf die Liste derer blicken, die seit 1981 die ‚Sommergespräche‘ geführt haben, und erkennt, welche Auszeichnung und was für ein Vertrauensvorschuss das ist“, sagte Pötzelsberger.

Sommergespräche-Moderator Tobias Pötzelsberger
ORF/Thomas Ramstorfer
Pötzelsberger übernimmt zum ersten Mal die Moderation der „Sommergespräche“

Zuletzt widmete sich gar eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) der über 35-jährigen Geschichte des Formats. Das Ergebnis der Untersuchung: Konstanz und Konstruktivität prägten das Gesprächsformat. Anders als in kurzen Interviews würde „Message Control“, thematische Ausweichmanöver und aggressive Konfrontation, kaum angewandt. Das habe sich über die Jahre kaum geändert, so Studienleiter Andreas Riedl.

Studie über „Sommergespräche“

Die ORF-„Sommergespräche“ gibt es seit 1981. Die ÖAW hat in einer Studie die Argumentationsweisen der Politiker untersucht.

„Schnörkellos und geradlinig“: So lautet die Devise für die Interviews, wie sie Robert Stoppacher, Leiter der Diskussionssendung, ankündigte. Pötzelsberger sagte, er wolle die Atmosphäre ein wenig runterkühlen, der Wahlkampf werde ohnehin aufregend genug. „Ich fühle mich geehrt und bin gut vorbereitet. Und ich freue mich auf ein sehr politisches, aber auch menschliches Gespräch“, so der Moderator. Tatsächlich finden die „Sommergespräche“ erst seit kurzem wieder im Jahr einer Nationalratswahl statt. Jahrelang hatte das Interviewformat in Wahljahren Pause – eine Tradition, mit der erst 2017 gebrochen wurde.

Gleich mehrere Premieren

Von den Parteichefs, die vor zwei Jahren Rede und Antwort standen, ist heute allerdings nur noch einer übrig. Gleich drei Vorsitzende der im Nationalrat vertretenen Parteien haben diese Position weniger lang als ein Jahr inne: Ein erstes Mal wird es für Norbert Hofer (FPÖ) am 19. August und Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) am 26. August sein. Hofer übernahm nach dem Videoskandal im Mai die Parteiführung von Heinz-Christian Strache. Rendi-Wagner steht seit dem Rücktritt Christian Kerns im vergangenen Herbst an der Spitze der SPÖ.

Nur wenig länger ist Maria Stern Chefin von JETZT. Mitte August 2018 übernahm sie von Peter Pilz die Leitung der Partei, die damals noch den Namen des Parteigründers trug. Für Stern ist ihr Auftritt am Montag dennoch ihr erstes „Sommergespräch“. Die Übergabe in der Partei passierte erst eine Woche, nachdem Pilz noch selbst zum Sommerinterview erschienen war.

Bereits im vergangenen Jahr ihre „Sommergespräch“-Premiere hatte hingegen NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Heuer wird sie am 12. August gegenüber von Pötzelsberger Platz nehmen. Am öftesten zu Gast war allerdings der Jüngste in der Runde der Parteichefs. Wenn Sebastian Kurz (ÖVP) am 2. September den Reigen der Interviews beendet, ist es für ihn bereits das dritte „Sommergespräch“.

Umfassende mediale Begleitung

Noch mehr „Sommergespräch“-Erfahrung hat freilich jemand anderes: Auch heuer wird Politologe Peter Filzmaier in der ZIB2 die Gespräche im Anschluss analysieren – zum Auftakt am Montag gemeinsam mit Karin Leitner von der „Tiroler Tageszeitung“. Und in ORF III halten jeden Montag um 22.30 Uhr die von Ingrid Thurnher geleiteten „Sommer(nach)gespräche“ Rückschau auf die Interviews mit den Parteivorsitzenden.

ORF.at bringt direkt anschließend an die Sendung eine ausführliche Zusammenfassung des jeweiligen Gesprächs – ergänzt durch Videos der ORF-TVthek sowie die Analysen der ZIB2 – und informiert auch über Reaktionen. Wer ein „Sommergespräch“ verpasst hat, kann es als Video-on-Demand auf tvthek.ORF.at nachsehen. Die Sendungen sind weltweit zugänglich und bleiben bis zum 9. September verfügbar. Auf debatte.ORF.at lässt sich zu den „Sommergesprächen“ außerdem direkt mitdiskutieren. Storys und Analysen zu den „Sommergesprächen“ werden auch im ORF Teletext im Rahmen der Innenpolitikberichterstattung breiten Raum einnehmen.