Amerikanische Wohnsiedlung
Getty Images/Larry Mayer
US-Militär

Massenüberwachung per Ballon getestet

Das US-Militär testet großflächige Massenüberwachung in sechs Bundesstaaten per Ballons. Das geht aus Dokumenten hervor, die bei der Federal Communications Commission (FCC) eingereicht wurden, berichtet der britische „Guardian“. Die Ballons sind Angaben zufolge mit Hightech-Radargeräten ausgestattet, mit denen etliche Fahrzeuge Tag und Nacht sowie bei jedem Wetter gleichzeitig verfolgt werden können.

Bis zu 25 unbemannte solarbetriebene Ballons sollen von South Dakota aus starten und dann rund 400 Kilometer durch ein Gebiet treiben, das sich über Teile von Minnesota, Iowa, Wisconsin und Missouri erstreckt. Die Landung soll in Illinois erfolgen.

Die Ballons sollen in der Stratosphäre in einer Höhe von bis zu 18 Kilometern fahren und „ein permanentes Überwachungssystem zur Ortung und Abschreckung von Drogenhandel und Bedrohungen für die innere Sicherheit bieten“, heißt es in einer Meldung der Sierra Nevada Corporation, einem Rüstungs- sowie Luft- und Raumfahrtunternehmens, an die FCC. Diese genehmigte Flüge von Mitte Juli bis September. Schon im Vorjahr seien ebenfalls Testflüge erlaubt worden, heißt es im „Guardian“.

Überwachung von Drogenrouten

Die Tests sind laut Zeitung vom United States Southern Command (Southcom) des US-Militärs in Auftrag gegeben worden, das für Koordination und Führung aller militärischen Operationen der USA in Lateinamerika verantwortlich ist. Damit ist die Bekämpfung von Drogentransporten eine zentrale Aufgabe.

Bisher erfolgte die Überwachung von Drogenrouten aus Mexiko, Kolumbien, Panama und dem Karibischen Meer aus der Luft mit Leichtflugzeugen. Trotz hohen Aufwands war der Erfolg offenbar bescheiden: Man habe 2018 nur sechs Prozent der bekannten Drogenbewegungen verhindern können, schrieb Admiral Craig Faller, Befehlshaber von Southcom, heuer in einem Bericht.

Besser und billiger als Drohnen

Durch die Ballons verspricht man sich nun bessere Ergebnisse: Während die Leichtflugzeuge nur einige Stunden in der Luft bleiben können, halten sich die Ballons mehrere Wochen in der Luft. Und ohne Besatzung sind sie freilich auch billiger.

Gesteuert werden sie über Ab- und Aufsteigen und damit mit der Nutzung der unterschiedlichen Windrichtungen in unterschiedlichen Höhen in der Stratosphäre. Das sei durchaus eine Herausforderung, so Ryan Hartman gegenüber dem „Guardian“. Er ist Chef von Stratolliten oder Pseudosatelliten, wie die Höhenballons ebenfalls genannt werden.

Hochkomplexes Videoerfassungssystem

Der Inhalt der Meldung bei der FCC deute auch darauf hin, dass die Ballons mit dem Videoerfassungssystem Gorgon Stare ausgestattet sind, schreibt der „Guardian“. Dieses flächendeckende Überwachungssystem der Firma Sierra Nevada besteht aus unzähligen Kameras, mit denen Panoramabilder gleichzeitig aufgenommen werden können.

Das System wurde bisher vor allem auf Drohnen eingesetzt, sagte Arthur Holland Michel, Kodirektor des Zentrums für Drohnenstudien am Bard College in New York, gegenüber der britischen Zeitung. Allerdings hätte die US-Armee auch bereits Tests in Afghanistan mit angeleinten Prallluftschiffen durchgeführt, an der Grenze zu Mexiko habe man mit Ballons experimentiert – allerdings in weit geringerer Höhe.

Die flächendeckende Überwachung von Ballons in der Stratosphäre sei jedenfalls relativ neu, so Michel: „Je höher das System ist, desto breiter ist der Bereich, der abgedeckt werden kann.“ Der Nachteil sei, dass möglicherweise Bilder mit niedrigerer Auflösung entstehen. Dafür würden Ballons auch weniger Einschränkungen und Vorschriften als Drohnen unterliegen.

Bürgerrechtsgruppen fordern Aufklärungen

Bei den aktuellen Tests gehe laut „Guardian“ aus den FCC-Dokumenten nicht hervor, ob diese mit in den USA laufenden Ermittlungen verbunden sind. Völlig unklar ist, ob die erhobenen Daten gelöscht, gespeichert oder an andere Behörden weitergegeben würden.
Bürgerrechtler schlagen jedenfalls Alarm. „US-Städte sollten nicht einer flächendeckend Überwachung unterliegen, mit der jedes Fahrzeug überallhin verfolgt werden kann“, sagte Jay Stanley von der Bürgerrechtsunion ACLU (American Civil Liberties Union).

Schon bei den Tests würde eine Menge Daten über US-Bürger gesammelt: „Wer fährt zum Gewerkschaftshaus, zur Kirche, zur Moschee, zur Alzheimer-Klinik?“, so Stanley. Seine Organisation verlangt Aufklärung über die Verwendung der Daten.

Mehrere weitere Projekte

Das aktuelle Projekt ist nur eines von mehreren, das sich der Überwachung aus der Stratosphäre verschrieben hat. In der militärischen Forschungsagentur DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), der Zukunftswerkstatt des Pentagon, arbeitet man am Projekt „Adaptable Lighter-Than-Air“, bei dem ebenfalls die Navigation von Ballons in der Stratosphäre im Mittelpunkt steht. Erst im Juni wurden in Maryland drei Testballons dafür gestartet.

Ebenfalls getestet wird laut Medienberichten die Überwachung mit ultraleichten und mit Strom aus Solarzellen angetriebener Drohnen wie der Airbus Zephyr.