Die Geschäftsführerin der Weltbank-Institute IBRD und IDA, Kristalina Georgiewa
Reuters/Jason Lee
Von EU nominiert

Georgiewa auf dem Weg zur IWF-Spitze

Die Bulgarin Kristalina Georgiewa hat sich bei einer Abstimmung der EU-Mitgliedsländer über die europäische Kandidatur für den Chefposten des Internationalen Währungsfonds (IWF) gegen den früheren Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem durchgesetzt. Das teilte Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire nach einem rund zwölfstündigen Verhandlungsmarathon am Freitagabend in Paris mit.

Le Maire, der die Verhandlungen geleitet hatte, lobte die Einigung der EU-Minister. „Das ist eine hervorragende Nachricht“, sagte der Pariser Minister mit Blick auf die Benennung von Georgiewa. „Wir werden alle ihre Kandidatur unterstützen“, versicherte er. Sie habe die Kompetenzen, die Erfahrung und die internationale Glaubwürdigkeit, um der im November auf den Chefsessel der Europäischen Zentralbank (EZB) wechselnden Französin Christine Lagarde nachzufolgen und mit Talent den IWF zu führen.

Die ehemalige EU-Kommissarin und derzeitige Vizechefin der Weltbank habe die Unterstützung von 56 Prozent der Länder, die 57 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, erhalten, sagte bereits zuvor ein EU-Diplomat. Le Maire bestätigte kurz darauf, dass nach der Abstimmung unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten die Bulgarin offiziell zur Kandidatin der EU für den Posten gekürt worden sei.

„Ich gratuliere Kristalina Georgiewa zum Ergebnis der heutigen europäischen Abstimmungen. Ich wünsche ihr den größtmöglichen Erfolg“, teilte der ehemalige niederländische Finanzminister und Georgiewa-Herausforderer Dijsselbloem bereits zuvor via Twitter mit. Noch vor der Bestätigung durch Le Maire gratulierte auch der scheidende EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Georgiewa zur ihrer Benennung als europäische Kandidatin für die IWF-Spitze.

Die Geschäftsführerin der Weltbank-Institute IBRD und IDA, Kristalina Georgiewa
APA/AFP/Yasuyoshi Chiba
Von der Weltbank zum IWF: Georgiewa wurde von den EU-Finanzministern zur Legarde-Nachfolgerin nominiert

Bierlein „erfreut“

Auch Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein begrüßte Georgiewas Nominierung. „Ich bin erfreut, dass Georgiewa als Kandidatin der EU für die Direktorin des Internationalen Währungsfonds nominiert wurde, und übermittle meine besten Wünsche für die bevorstehenden weiteren Schritte“, teilte Bierlein am Freitagabend via Twitter mit.

Finanzminister Eduard Müller stellte sich in einer Stellungnahme hinter Georgiewa, die „exzellente Kenntnisse im Finanzbereich“ und „langjährige Erfahrung aufgrund ihrer Tätigkeiten bei der Weltbank und der Europäischen Kommission“ mitbringe. „Meine Amtskollegen und ich sind daher der Überzeugung, dass sie als Nachfolgerin von Christine Lagarde bestmöglich geeignet ist und alle Voraussetzungen erfüllt, um die ausgezeichnete Arbeit des IWF fortzusetzen.“

Offenbar Regeländerung mit USA bereits geklärt

Beobachter erinnerten indes daran, dass für eine Nominierung eigentlich eine qualifizierte Mehrheit von 55 Prozent der Länder und 65 Prozent der EU-Bevölkerung erforderlich gewesen wären. Unklar war auch, ob Georgiewa das Amt überhaupt antreten wird können, erlauben die IWF-Regeln doch nur Kandidaten, die jünger als 65 Jahre sind. Georgiewa hat das 65. Lebensjahr bereits vollendet.

Allerdings deutete Frankreichs Finanzminister Le Maire bereits im Vorfeld an, dass die Regeln für Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit hier nur als eine Art „Messlatte“ dienen sollen und es nie beabsichtigt gewesen sei, die EU-Abstimmungsregeln eins zu eins anzuwenden. Medienberichten zufolge stehe zudem eine Änderung des Alterslimits im Raum. Hierfür gebe es laut Berichten auch bereits eine Zusage des US-Finanzministers Steve Mnuchin.

Erinnerung an EU-Topjob-Poker

Georgiewa war im Ringen um die EU-Topjobs auch als mögliche Kommissions- oder Ratspräsidentin gehandelt worden. Beobachter sehen ihre nunmehrige Nominierung im Zusammenhang mit diesen Ernennungen, bei denen die mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten weitgehend leer ausgegangen waren.

Mit Abstimmung gegen lange Debatten

Erklärtes Ziel der Europäer war es, einen gemeinsamen Kandidaten zu präsentieren, der weitreichende Erfahrungen auf dem Gebiet der internationalen Finanzbeziehungen hat. Die Franzosen hatten angekündigt, dass ein Anwärter bis Ende Juli gefunden werden solle. Wie ein Diplomat berichtete, überzeugte Le Maire seine Amtskollegen, über einen Kandidaten abzustimmen, um weitere lange Debatten zu vermeiden.

Neben Dijsselbloem waren zunächst auch der finnische Zentralbank-Chef Olli Rehn, der portugiesische Euro-Gruppen-Chef Mario Centeno und die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calvino im Rennen – diese zogen ihre Kandidatur allerdings wieder zurück.

Der traditionell von europäischer Hand geleitete IWF wurde gemeinsam mit der Weltbank zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gegründet. Er soll als weltweites Gremium darüber wachen, dass keine großen Währungsturbulenzen entstehen und zu politischen Unwägbarkeiten führen. Unter anderem vergibt er Kredite an überschuldete und in Zahlungsschwierigkeiten geratene Staaten. 189 Mitgliedsstaaten gehören der Organisation an.