Ein Mann fährt auf einem E-Scooter über einen Zebrastreifen
Reuters/Mike Blake
Treibhausgase

E-Scooter mit zwiespältiger Ökobilanz

E-Scooter werden von ihren Anbietern gerne als umweltfreundliches Mittel zur Fortbewegung angepriesen, produzieren sie doch keine Abgase. Rechnet man jedoch den Emissionsausstoß während der Fertigung und den Aufwand für das Wiederaufladen der Geräte mit ein, fällt die ökologische Bilanz zwiespältig aus. Viel hängt freilich von der Lebensdauer der Geräte ab – und die scheint derzeit nicht allzu hoch.

Wer mit dem E-Scooter eine Meile (rund 1,6 Kilometer) fährt, sorgt für einen höheren Ausstoß von Treibhausgasen als jemand, der die gleiche Strecke zu Fuß geht oder mit Fahrrad, Bus oder Moped zurücklegt. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam der North Carolina State University in einer aktuellen Studie.

Das Problem sind dabei laut der Untersuchung nicht die E-Scooter selbst, sondern die Materialien, aus denen die Räder, der Rahmen und die Batterie hergestellt sind. Die Unternehmen würden ihre E-Scooter als „umweltfreundlich“ und „potenziell CO2-frei“ bewerben, was laut Forschungsleiter Joe Hollingsworth aber nur zum Teil stimmt.

An sich verursachten die fahrbaren Untersätze zwar keine Schadstoffemissionen, der Produktionsprozess sei aber keinesfalls CO2-frei, zitierte der „Guardian“ Hollingsworth. Auch das Einsammeln und Aufladen der Geräte hat dem US-Forschungsteam zufolge einen „signifikanten Einfluss“ auf die Emission von Treibhausgasen.

Weiter Weg aus der Fabrik

Hinzu kommt: Wenn die E-Scooter in Europa auf die Straße kommen, haben sie bereits einen weiten Weg hinter sich, was ebenfalls in die Emissionsbilanz einfließt. Viele der großen Anbieter lassen ihre Geräte in China fertigen. Der Transport von Kontinent zu Kontinent wirkt sich ebenfalls negativ auf die Ökobilanz aus.

E-Scooter in Wien
ORF.at/Christian Öser
Viele der großen E-Scooter-Firmen lassen ihre Roller in China zusammenbauen

Folgen für die Umwelt hat unterdessen der Abbau jener Rohstoffe, die für die Erzeugung von Batterien benötigt werden. Das freilich trifft auch bei E-Autos und E-Bikes zu. Zudem stellt sich die Frage, woher der Strom in den Batterien der E-Scooter kommt. Gegenüber dem Newsportal Vienna.at gab keiner der in Wien vertretenen Verleiher an, seine Scooter ausschließlich mit Ökostrom aufzuladen.

Der Energiebedarf der Geräte ist allerdings gering. „So ein Roller verbraucht relativ wenig Energie, weil er klein und leicht ist“, sagte der deutsche Mobilitätsexperte Alexander Jung der „Zeit“. Berechnungen Jungs zufolge kommt ein E-Auto mit einer Kilowattstunde Strom sechs Kilometer weit, bei einem E-Scooter seien es 100 Kilometer.

Auf die Lebensdauer kommt es an

Wie nachhaltig E-Scooter sind, hängt stark von zwei Faktoren ab. Erstens: die Lebensdauer. Die Emissionen aus der Batterieproduktion ließen sich laut Jung ausgleichen, sobald man „200 bis 273 Kilometer“ mit einem E-Scooter statt mit einem Mittelklasse-Pkw zurücklegt. Dafür müssen die Geräte über einen gewissen Zeitraum in Betrieb sein – was Untersuchungen zufolge oft nicht der Fall ist.

E-Scooter
ORF.at/Christian Öser
Die Nachhaltigkeit der Geräte hängt stark von ihrer Lebensdauer ab

Der US-Technologieblog Oversharing nahm die Lebensdauer von E-Scootern zweier großer Anbieter in Louiseville im US-Bundesstaat Kentucky unter die Lupe. Demzufolge gaben die Geräte bereits nach 28 Tagen den Geist auf. Die Boston Consulting Group (BCG) gab die durchschnittliche Lebensdauer von E-Scootern heuer in einem Bericht mit gerade einmal drei Monaten an.

Der zweite Faktor ist, welches Verkehrsmittel der E-Scooter ersetzt. Wer zugunsten der Elektroflitzer auf das Auto verzichtet, tut der Umwelt Gutes. Eine Umfrage unter 4.382 Lime-Nutzerinnen und -Nutzern in Frankreich legt laut der deutschen „taz“ allerdings eine andere Entwicklung nahe. 47 Prozent der befragten Personen wären zu Fuß gegangen, wäre kein E-Roller zur Verfügung gestanden. 29 Prozent hätten öffentliche Verkehrsmittel genutzt, nur acht Prozent den Pkw, ein Taxi oder ein Leihauto.

Maßnahmen in vielen Städten

Als Reaktion auf den E-Scooter-Boom rüsteten viele europäische Städte in den vergangenen Monaten juridisch nach. Madrid etwa verbannte die batteriebetriebenen Roller nach nur wenigen Monaten im Oktober des Vorjahres. Inzwischen wurden konkrete Regeln erlassen, bis zu 10.000 E-Roller sind nun in Spaniens Hauptstadt wieder zugelassen.

In Stockholm wurden E-Scooter nach einem tödlichen Unfall aus der gesamten Altstadt Gamla Stan verbannt und dürfen nicht mehr auf zentralen Plätzen stehen. Aus Sicherheitsgründen sind an sehr belebten Orten nicht mehr als sechs Kilometer pro Stunde erlaubt. Auch in Paris, einem der am schnellsten wachsenden Märkte für E-Roller in Europa, gibt es seit Kurzem neue Regeln: Maximaltempo 20 km/h, nur eine Person pro Roller, Fahrverbot in Parks und auf Gehwegen. Dort ist auch das Abstellen der Roller verboten. Die Stadt will nun vermehrt eigene Abstellplätze für E-Roller schaffen.

Lissabon wiederum geht gegen unrechtmäßig abgestellte E-Scooter vor. Werden die Geräte widerrechtlich auf öffentlichen Flächen oder Gehsteigen geparkt, müssen die Verleiher Strafe zahlen. Deutschland ließ sich mit der Zulassung von E-Rollern im Straßenverkehr mehr Zeit. Erst seit Mitte Juni sind diese mit einer Geschwindigkeit von bis zu 20 km/h und nur auf Radwegen oder Straßen, wenn es keine Fahrradwege gibt, zugelassen.

Österreich vereinheitlichte Regeln

Auch Österreich zog zuletzt mit neuen Regeln nach. Mit einer Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) wurden die Vorschriften für E-Scooter österreichweit vereinheitlicht. Als solche gelten Fahrgeräte mit einer Bauartgeschwindigkeit von maximal 600 Watt und maximal 25 km/h. Auf Gehsteigen darf nun nicht mehr gefahren und die 0,8-Promille-Grenze nicht überschritten werden.