Polizisten am Tatort
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El Paso

Ermittler stufen Massaker als Terrorismus ein

In weniger als 24 Stunden ist es in den USA zu zwei Massakern gekommen. Im Fall der Schüsse in einem Einkaufszentrum in El Paso in Texas gehen die Ermittler von inländischem Terrorismus aus. Die Staatsanwaltschaft will die Todesstrafe fordern. Die mexikanische Regierung machte indes eine kaum verhüllte Schuldzuweisung an US-Präsident Donald Trump.

Man erwäge, eine Anklage wegen Hassverbrechen gegen den Verdächtigen zu erheben, sagte John Bash von der Generalstaatsanwaltschaft am Sonntag. Er kündigte ein entschlossenes Vorgehen der Behörden an. „Wir werden das tun, was wir mit Terroristen in diesem Land machen, wir werden für rasche und sichere Gerechtigkeit sorgen.“ Bezirksstaatsanwalt Jaime Esparza kündigte an, in dem Fall die Todesstrafe zu fordern.

Ein 21-jähriger Weißer wird beschuldigt, am Samstagvormittag (Ortszeit) in einem Einkaufszentrum in der Grenzstadt in Texas 20 Menschen getötet und 26 weitere verletzt zu haben. Der mutmaßliche Täter hatte sich nach der Tat ergeben. Er soll aus der Stadt Allen nördlich von Texas stammen. Die Ermittler prüfen, ob er vor der Tat ein „Manifest“ verfasste, das im Internet gefunden wurde.

Der Schütze des Massakers von El Paso (Texas)
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Überwachungskameras hielten den Schützen beim Betreten des Einkaufszentrums fest

„Antwort auf die hispanische Invasion in Texas“

Polizeichef Greg Allen sagte am Sonntag, es sehe mehr und mehr danach aus, dass der Mann es geschrieben habe. In dem Pamphlet heißt es unter anderem: „Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanische Invasion in Texas.“ Der Autor äußert in dem vierseitigen Text seine Unterstützung für den rechtsextremen Attentäter von Christchurch, der Mitte März in Neuseeland zwei Moscheen angegriffen und 51 Menschen getötet hatte. Die „New York Times“ berichtete, der Text sei 19 Minuten vor dem ersten Notruf in El Paso online gegangen.

Terrorismusexperte über Amokläufe in USA

Terrorismusexperte Peter Neumann vom King’s College in London über die psychischen und sozialen Hintergründe der häufigen Amokläufe in den USA.

US-Präsident Donald Trump nannte die „hasserfüllte Tat“ tragisch und einen „Akt der Feigheit“. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, unschuldige Menschen zu töten, schrieb er auf Twitter. Trump sagte dem Gouverneur von Texas die volle Unterstützung der Regierung in Washington zu. „Gott sei mit euch allen!“, fügte er hinzu. Trump ordnete zudem an, am Weißen Haus und an anderen Regierungsgebäuden US-Flaggen auf halbmast zu setzen. Das soll bis Sonnenuntergang am Donnerstag so bleiben.

Mexiko fordert Ende ausländerfeindlicher Rhetorik

Kritiker und Kritikerinnen werfen Trump vor, mit seinen Äußerungen Rassismus zu befeuern. Zuletzt sah er sich wegen persönlicher Angriffe auf einen schwarzen Abgeordneten der Demokraten Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Regelmäßig greift der republikanische Präsident auch Menschen aus Lateinamerika an, die auf illegalem Wege in die USA kommen wollen. Trump selbst wies Rassismusvorwürfe wiederholt zurück.

Auch die mexikanische Regierung richtete eine wenig verhüllte Schuldzuweisung an Trump. „Die moderne Welt kann solche Akte ausländerfeindlicher Barbarei, die nicht in einem Vakuum passieren, nicht erlauben. Stoppt komplett jene Rhetorik, durch die sie angestachelt wird“, schrieb Vizeaußenminister Jesus Seade am Sonntag auf Twitter.

Rechtliche Schritte zum Schutz der Mexikaner angekündigt

Vor Seade hatten bereits führende Vertreter der US-Demokraten dem Präsidenten eine Mitverantwortung für die Tat gegeben. „Donald Trump ist verantwortlich dafür. Er ist verantwortlich, weil er Ängste, Hass und Engstirnigkeit schürt“, sagte etwa der Senator und Präsidentschaftskandidat Cory Booker am Sonntag in CNN.

Der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard kündigte indes rechtliche Schritte zum Schutz der in den USA lebenden Mexikaner an. „Wir verurteilen diese barbarische Tat, bei der unschuldige Mexikaner getötet wurden“, sagte Ebrard in einer Videobotschaft. „Für Mexiko ist diese Person ein Terrorist“, so Ebrard – man werde auch einen Auslieferungsantrag erwägen, sagte der Minister.

 Mahnwache
Reuters/Carlos Sanchez
Trauernde nahmen an einer Mahnwache in El Paso teil – sie fordern ein Ende der Waffengewalt

Der mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador teilte in einer Videobotschaft mit, die Zahl der mexikanischen Todesopfer sei auf sechs gestiegen. Sieben weitere seiner Landsleute seien verletzt worden, teilte Lopez Obrador am Sonntag mit. Zuvor war die Rede von drei mexikanischen Todesopfern.

Neun Tote bei Massaker in Ohio

Die Bluttat von El Paso war nicht das einzige Massaker, das die USA am Wochenende erschütterte. In der Nacht auf Sonntag fielen in der Stadt Dayton im US-Bundesstaat Ohio Schüsse nahe einer Bar im Zentrum: Neun Menschen starben, 27 weitere wurden nach jüngsten Angaben der Behörden verletzt.

Der Lokalsender WHIO zitierte Augenzeugen, wonach ein Mann das Feuer eröffnete, weil ihm der Zugang zu einer Bar verwehrt worden sei. US-Behörden zufolge handle es sich bei dem Schützen um einen 24 Jahre alten Weißen. Ein Motiv ist nicht klar erkennbar. Die Opfer waren 22 bis 57 Jahre alt. Sechs der Toten waren Afroamerikaner. Unter den Todesopfern sei der Polizei zufolge auch die 22-jährige Schwester des Täters.

Der Schütze war von der Polizei erschossen worden. Es gebe keine Hinweise auf einen weiteren Täter. Die Bürgermeisterin von Dayton, Nan Whaley, sagte, eine Polizeistreife habe den Täter innerhalb weniger als einer Minute nach dem Beginn des Angriffs ausgeschaltet. Das habe möglicherweise Hunderten Menschen das Leben gerettet.

Van der Bellen erschüttert von Angriffen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich tief betroffen von den jüngsten Bluttaten in den USA. „Die bewaffneten Angriffe in den USA, in El Paso und Dayton, erschüttern mich zutiefst. Meine Gedanken sind bei den Verletzen und den Angehörigen der Opfer“, schrieb der Bundespräsident Sonntagabend in einem Tweet.

Auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sprach den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus. „Die Grausamkeit und Abscheulichkeit dieser Taten bestürzen uns alle zutiefst“, so Merkel in einem Kondolenztelegramm an Trump. „Durch Akte der Gewalt und des Hasses“ seien Menschen aus dem Leben gerissen, „Familien und ganze Städte in Trauer und Leid gestoßen worden.“

Macht der NRA bremst Gesetzesänderung

In den USA kommt es immer wieder vor, dass in Einkaufszentren, an anderen öffentlichen Orten und in Schulen Menschen durch Schüsse getötet werden. Bemühungen für schärfere Waffengesetze gehen seit Jahren ins Leere – vor allem, weil Trumps Republikaner dagegen sind. Die mächtige Waffenlobbyorganisation NRA bekämpft vehement jeden Versuch, Waffenbesitz stärker zu regulieren.

Auch Trump ist dezidiert gegen eine Einschränkung des in der US-Verfassung verankerten Rechts auf Waffenbesitz. So antwortete er vor Journalisten und Journalistinnen am Samstag etwa auf die Frage, ob er etwas gegen die Waffenprobleme im Land tun werde, seine Regierung habe bereits viel getan. Aber vielleicht müsse mehr geschehen. Und er fügte hinzu: „Hass hat keinen Platz in unserem Land, und wir werden uns darum kümmern.“

Er habe mit Justizminister William Barr und mit Vertretern der Bundespolizei FBI und des Kongresses darüber gesprochen, wie man solche Gewalttaten verhindern könne, so Trump. Zudem gehe es bei Taten wie jenen vom Wochenende auch um ein Problem psychischer Erkrankungen. „Das sind Menschen, die sehr, sehr ernsthaft psychisch krank sind“, sagte er.

Hannelore Veit (ORF) über die Waffengesetze in den USA

ORF-Korrespondentin Hannelore Veit berichtet aus Washington, weshalb trotz wiederholter Amokläufe die Waffengesetze in den USA nicht verschärft werden.

Erst am Dienstag waren zwei Menschen im Bundesstaat Mississippi in einem Supermarkt durch Schüsse getötet worden. Am Sonntag vergangener Woche hatte ein 19-Jähriger während eines Festivals in der Kleinstadt Gilroy in Nordkalifornien das Feuer eröffnet und drei Menschen getötet. Der Schütze wurde von Polizisten am Tatort erschossen. Im texanischen Sutherland Springs waren im November 2017 26 Menschen getötet worden, als ein Schütze in einer Kirche das Feuer eröffnete. Der 26 Jahre alte Täter erschoss sich anschließend selber.