Chefin der Liste Jetzt, Maria Stern und Moderator Tobias Pötzelsberger
ORF/Hans Leitner
„Sommergespräche“

Stern hofft auf FPÖ-Stimmen

Mit einer doppelten Premiere sind am Montag die heurigen „Sommergespräche“ gestartet. Sowohl für Moderator Tobias Pötzelsberger als auch JETZT-Chefin Maria Stern war es ein erstes Mal. Darüber, dass es für Stern womöglich auch das vorerst letzte Mal sein könnte, wollte die Parteivorsitzende freilich nicht spekulieren. Vielmehr ortete sie für JETZT ein neues Wählerpotenzial.

Rosige Umfragewerte sehen anders aus. Bei ein bis zwei Prozent liegt JETZT in aktuellen Prognosen. Als „Abschiedsgespräch“ wollte Stern das Interview aber keinesfalls verstanden wissen. Wahlumfragen seien das eine, die politische Notwendigkeit das andere, gab sie sich kämpferisch. „Die zwei, drei Prozent“, die der Partei zurzeit für einen Einzug in den Nationalrat fehlen, „werden wir noch schaffen“, so die Parteivorsitzende. Möglich machen solle das unter anderen Peter Pilz mit seinen Auftritten bei den Wahlduellen der kommenden Wochen.

Den Parteigründer nahm die Parteichefin nicht nur einmal in Schutz. Wenngleich sie eingestand, dass in den ersten beiden Jahren nicht alles glattgegangen sei. So konnte sie auch mit dem „Donald-Duck-Prinzip“, also hinfallen und wieder aufstehen, etwas anfangen. „Jedes Kind lernt so gehen. Jede Oppositionspartei lernt so gehen“, sagte die JETZT-Chefin.

Chefin der Liste Jetzt, Maria Stern und Moderator Tobias Pötzelsberger
ORF/Hans Leitner
JETZT-Chefin Stern machte bei den „Sommergesprächen“ den Anfang

Dass die als Liste Pilz gegründete Partei vor allem mit internen Querelen Schlagzeilen machte, sah Stern allerdings auch der Berichterstattung geschuldet. „Sehr viel“ sei berichtet worden, „wenn es um personelle Geschichten gegangen ist“. Zu den Inhalten habe die Berichterstattung allerdings „gehapert“.

Holprige erste Jahre

JETZT soll in Zukunft stärker als Gruppe auftreten, so Parteichefin Stern.

Dönmez-Unterschrift als „Schönheitsfehler“

Zu rechtfertigen versuchte Stern, dass erst vor wenigen Wochen mehrere derzeitige Abgeordnete keine Unterschrift für die Kandidatur bei der Nationalratswahl gaben. Diese wollten sich genau anschauen, wer nun tatsächlich kandidiere. Zugleich hätten die Kandidaten nur zugesagt, wenn ein Antritt der Partei fix wäre. Am Ende kam eine Unterschrift für die Kandidatur vom wilden Abgeordneten Efgani Dönmez. Er war nach einem frauenfeindlichen Tweet aus dem ÖVP-Klub ausgeschlossen worden. Die Unterschrift sei ein „Schönheitsfehler“ und ihr „anders lieber gewesen“, sagte Stern.

Im Wiedererstarken der Grünen wollte die JETZT-Chefin keine Gefahr für die eigene Partei sehen, wenngleich laut Wählerstromanalysen bei der vergangenen Wahl jede dritte Stimme für die Liste Pilz aus den Reihen der Grünen gekommen war. JETZT würde mittlerweile von den „einfachen Menschen“ wahrgenommen, sagte Stern. Die Parteichefin verwies gleich mehrfach auf das Onlinemedium Zackzack.at, das sie als Erfolgsprodukt hervorstrich. „Wir erreichen die Menschen, die wir erreichen wollen.“

Darunter fallen für Stern auch „typische FPÖ-Wähler“, bei denen sie Parteigründer Pilz punkten sieht. Ihre typische Wählerin wäre hingegen „ziemlich sicher eine Alleinerzieherin“, so Stern. Die habe endlich jemanden, der sie in der Politik vertrete. Der Kampf gegen Armut sei ihr so wichtig, weil sie als alleinerziehende Mutter von drei Kindern selbst eineinhalb Jahre in Armut gelebt habe.

Vergangene und zukünftige Wähler

Laut Stern ist JETZT nicht auf ehemalige Grün-Wählerinnen und -Wähler angewiesen.

Scharfe Kritik am politischen Islam

Ganz auf Linie mit Pilz gab sich Stern in ihrer scharfen Kritik am politischen Islam. Der gemäßigte Islam gehöre zu Österreich, beim politischen Islam sage sie „no way“. Österreich sei ein säkularer Rechtsstaat, und Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer. Wenn Imame das Gegenteil predigten, dann müssten sie ausgewiesen werden. Es sei auch das Verdienst von JETZT, dass das Wiener König-Abdullah-Zentrum geschlossen werde.

Angesprochen auf die Aussagen Pilz’, wonach Europa versuchen sollte, so wenige Flüchtlinge wie möglich aufzunehmen, sagte Stern, Asyl sei ein Menschenrecht. Aber dass „nicht halb Afrika zu uns kommen“ könne, sei auch „selbstverständlich“. Deshalb müssten die „Hilfe vor Ort“ verstärkt und „Handelsbeziehungen auf Augenhöhe" aufgebaut werden“. Wie das in Bürgerkriegsländern wie Libyen aussehen könnte, ließ Stern allerdings offen.

Forderung nach „ökoszialer Steuerreform“

Diskutieren will Stern über einen autofreien Tag in den Städten. Das sei allerdings nur ein „kleines Detail“. Wichtiger sei eine „ökosoziale Steuerreform“, wie sie JETZT-Mandatar Bruno Rossmann vorangetrieben habe. Der ehemalige Grüne steht bei der kommenden Wahl nicht mehr zu Verfügung. Sie trete sein „politisches Erbe“ aber gerne an, so Stern. So sprach sie sich für eine CO2-Steuer gekoppelt mit einer Erbschaftssteuer ab einer halben Mio. Euro aus. Mit dem so gewonnenen Volumen, könnte Arbeit geringer besteuert und der öffentliche Verkehr ausgebaut werden.

Steuereform für das Klima

Die Ökosziale Steuerreform bleibt weiterhin eine Forderung von JETZT.

Auch Vermögenssteuern haben in der Vorstellung Sterns Platz. Wichtig sei, dass die Mittelschicht gestärkt werde, so die Parteivorsitzende. Mit dieser Forderung ist JETZT in Österreich alles andere als allein. Alle Parteien, auch die bisherigen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ, haben sich das auf die Fahnen geschrieben. Eine inhaltliche Nähe zum bisherigen ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz verneinte Stern aber kategorisch. Mit Maßnahmen wie dem „Familienbonus“ habe Kurz nur seine Klientel gestärkt, aber „vollkommen übersehen, dass Armutsgefährdung längst in der Mittelschicht angekommen ist“, so Stern.

„Rote Linie“ zu Kurz

Einmal mehr betonte die JETZT-Chefin, dass nur ihre Partei es kategorisch ablehnen würde, mit Kurz in eine Regierung zu gehen, da gebe es eine „rote Linie“. Dass die Regierung inzwischen nicht mehr im Amt ist, wollte Stern auch auf ihre Partei zurückführen. Auch wenn letztlich ein anderer Antrag eine Mehrheit gefunden hat, „war unser Misstrauensantrag die Initialzündung und die Trägerrakete“.

Freilich geht die JETZT-Chefin davon aus, dass Kurz auch nach der kommenden Wahl wieder Kanzler wird. „In Wirklichkeit arbeiten wir auf die übernächste Wahl hin.“ Dann könne sich eine „Mitte-links-Mehrheit“ ausgehen, so Stern. Bis dahin heiße es „durchtauchen“.

„Etwas an der Substanz gefehlt“

In der anschließenden ZIB2 analysierten Karin Leitner von der „Tiroler Tageszeitung“ und Politologe Peter Filzmaier den Auftritt der Parteichefin. Laut Leitner kann Stern nur versuchen, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Sie habe sich ganz sympathisch und menschlich präsentiert, so die Journalistin. Gefehlt habe es aber etwas an der Substanz, „weil sie nicht die Routine eines Peter Pilz hat“.

Kommentare zum „Sommergespräch“ mit Maria Stern

Politologe Peter Filzmaier und Journalistin Karin Leitner kommentieren das Sommergespräch mit JETZT-Chefin Stern.

Den Vergleich zum Parteigründer zog auch Filzmaier. Die Liste Pilz sei ein Einpersonenstück gewesen, da mache die Erweiterung mit Stern wenig Sinn, so der Politologe. Pilz stehe für parlamentarische Kontrolle, das könne „Stern gar nicht bedienen, weil sie nicht im Parlament sitzt“. Der von Stern stark vertretene Komplex Armut sei nicht wirklich Kernthema von Pilz. Dass JETZT – auch mit Hilfe des eigenen Onlinemagazins – freiheitliche Wähler überzeugen könne, falle für ihn „unter schräges Wunschdenken“, sagte Filzmaier.