FPÖ-Historikerkommission
APA/Hans Punz
Parteivergangenheit

FPÖ legt Teil von Historikerbericht vor

Die FPÖ hat am Montag eine erste Version ihres eigenen Historikerberichts vorgelegt, der die Geschichte und „braune Flecken“ der von früheren Nationalsozialisten mitbegründeten Partei beleuchten soll. Kommissionsleiter Wilhelm Brauneder sagte bei der Präsentation des „Rohberichts“, insgesamt komme er zum Schluss, dass „die FPÖ eine Partei wie nahezu jede andere ist“. Die Parteispitze war bei der Pressekonferenz nicht anwesend.

Nach mehrfacher Verzögerung – ein Zwischenbericht war ursprünglich ja bereits für Herbst 2018 angekündigt gewesen – lud FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker am späten Montagnachmittag zur Präsentation des Teilberichts. Präsentiert wurde ein rund 1.100 Seiten dicker Stapel an Unterlagen. Den Medien wurde zwar ein kurzer Blick in diesen Bericht gestattet, verteilt wurde aber nur eine 32 Seiten dicke Zusammenfassung. Der Endbericht selbst soll noch „endredigiert“ und erst dann veröffentlicht werden. Ein Zeitpunkt dafür wurde vorerst nicht genannt.

„Wir haben auch vor, das in geeigneter Form alles, ich betone alles, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, versicherte Hafenecker. „Ich bitte aber um Verständnis, dass wir uns jetzt noch entsprechend Zeit nehmen, diese Erkenntnisse in entsprechende Form zu bringen, und dann erst der Öffentlichkeit präsentieren.“

NS-Liederbuch-Affäre als Auslöser

Das Werk wurde von insgesamt 16 Autoren verfasst, erklärte Hafenecker. Die Namen der Autoren wurden am Montag erstmals genannt. Hafenecker wolle auch nicht verhehlen, „dass die Ereignisse im Februar letzten Jahres“ dann der auslösende Moment für die Einsetzung der Kommission gewesen waren. Er bezog sich damit auf die NS-Liederbuch-Affäre in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer.

FPÖ-Historikerkommission
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Die FPÖ-Expertenkommission, unter anderen bestehend aus Thomas Grischany, Andreas Mölzer, Christian Hafenecker, Wilhelm Brauneder und Michael Wladika

Aufschrei gab es insbesondere wegen des Textes in einem Liederbuch der Burschenschaft („Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“), der sich auf die Vernichtung von Jüdinnen und Juden durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg bezieht. Landbauer trat zuerst von allen Ämtern zurück, kehrte dann aber erneut in die Politik zurück. Hinzu kamen etliche immer wieder von vielen Seiten als „Einzelfälle“ beschriebene, rechtsextreme Äußerungen von Funktionären. Überlegungen, die Parteigeschichte aufzuarbeiten, hätten aber schon länger bestanden, betonten Hafenecker und auch Brauneder.

Verflechtung der FPÖ mit Burschenschaften

Passend zu dem „Auslöser“, der Liederbuchaffäre, befasst sich ein Teil der Arbeit auch mit der Frage der Verflechtung der FPÖ mit den Burschenschaften. Daneben habe sich der Bericht mit der Entstehungsgeschichte der FPÖ-Vorgängerpartei Verband der Unabhängigen (VdU) und der FPÖ selbst beschäftigt, liefere darüber hinaus eine „Analyse der Parteiprogramme“ und auch von Reden von FPÖ-Abgeordneten, sagte Hafenecker.

Kein Thema waren die Kontakte der FPÖ zu den als rechtsextrem eigestuften Identitären. Es habe zwar Überlegungen dahingehend gegeben, man habe sich aber entschlossen, „dass das nicht Geschichte ist“, sondern „Tagespolitik“ und eher ein Fall für „Soziologen und Strafrechtler“, wie der Leiter der FPÖ-„Referenzgruppe“, Andreas Mölzer, sagte.

„Vieles, was historisch interessant ist, ist irrelevant“

Kommissionsleiter Brauneder meinte zu seinem „Endresümee“, es scheine ihm so, „dass die FPÖ zurzeit, im Laufe ihrer Entwicklung (…) eine Partei wie nahezu jede andere ist“. Die FPÖ habe „ihre Schwächen und ihre Stärken“, auch habe sie „ein besonderes Profil“, da sie ja „fast immer eine Oppositionspartei war“. „Mein Argument war immer, dass eine Oppositionspartei eine andere Sprache spricht als eine Regierungspartei“, sagte der frühere Dritte Nationalratspräsident und emeritierte Professor für Rechtsgeschichte.

Im Resümee des Berichts heißt es unter anderem: „Die Geschichte des Dritten Lagers nach 1945 weist eindeutig Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus auf. (…) Aber weder VdU noch FPÖ waren formell Nachfolgeorganisationen der NSDAP. Und sie strebten auch nicht – wie die Auswertung des inhaltlich-materiellen Bereichs zeigt – politisch die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes an. Dennoch bestanden die stärksten Berührungspunkte nach 1945 im personellen Bereich, wo sich mehr als bei den anderen Parteien ehemalige Nationalsozialisten in Führungspositionen finden lassen.“

Zur Beurteilung der „FPÖ heute“ meinte Brauneder, es sei natürlich „interessant und spannend“, sich mit Geschichte zu befassen. Für eine Beurteilung einer Partei zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei aber „vieles, was historisch interessant ist, irrelevant“ – „etwa, ob einer der Parteigründer einen Ehrenrang“ bei den Nationalsozialisten hatte oder nicht, wie er mit Blick auf die SS-Vergangenheit von FPÖ-Gründungsmitglied Anton Reinthaller meinte. „Relevant ist: Wie sahen Parteiprogramme aus, wie wurden diese umgesetzt, wie waren die Schlüsselreden der Abgeordneten, was wurden für Anträge gestellt, wie wurde abgestimmt?“

„Am besten als ‚nationalliberal‘ umschreiben“

Mitautor Thomas Grischany schreibt im Kapitel über die FPÖ-Parteiprogramme, niemand könne „ernsthaft behaupten, dass die FPÖ jemals eine nationalsozialistische Partei gewesen sei oder die FPÖ von 2019 nationalsozialistischem Gedankengut nahestehe“. Auch die Behauptung, dass die FPÖ „rechtsextreme“ Züge trage, „hält einer näheren kritischen Betrachtung nicht stand“, so Grischany, der zuletzt im Kabinett von Heinz Christian Strache beschäftigt war. Aufgrund der verschiedenen Parteiprogramme seit 1956 lasse sich die Position der FPÖ „am besten als ‚nationalliberal‘ umschreiben“, heißt es in der Zusammenfassung.

Auch hätten FPÖ-Mandatare „wiederholt und im Einklang mit der Programmatik der Partei klare Bekenntnisse zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Republik Österreich“ abgelegt, schreibt Grischany, der 2015 das Buch „Der Ostmark treue Alpensöhne: Die Integration der Österreicher in die großdeutsche Wehrmacht, 1938–45“ veröffentlichte. Er verwies auch darauf, dass die FPÖ bei insgesamt 15 in der Studie behandelten Gesetzen zum Themenkomplex Restitution, Opferfürsorge und Kunstrückgabe „trotz Vorbehalten zehnmal für die Gesetze“ gestimmt habe.

Der Jurist Michael Wladika befasste sich laut Zusammenfassung mit personellen Überschneidungen zur NSDAP und verwies darauf, dass „sich Phasen, wo einzelne oder gar mehrere Personen besonders starke Bezüge zur NSDAP aufwiesen, mit solchen, wo dies nicht der Fall war, abwechselten“. FPÖ-Gründer Reinthaller beschreibt Wladika mit den Worten „ehemaliger Nationalsozialist mit einem hohen Ehrenrang in der SS und gleichzeitig überzeugter Katholik“. Auch zur NS-Vergangenheit des ehemaligen FPÖ-Chefs Friedrich Peter nimmt er Stellung.

Fast alle Beiträge von FPÖ-Personen

Gleichzeitig betont Grischany die Abgrenzung der FPÖ zur Vergangenheit: „Seit der Wahl von 1983 war im Nationalrat kein FPÖ-Mandatar mit ehemaliger NSDAP-Mitgliedschaft mehr vertreten – es ist seitdem auch aus rein biologischen Gründen nicht mehr möglich“, heißt es in dem Bericht. Der frühere FPÖ-EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, ebenfalls in der Kommission, betonte bei der Präsentation, die FPÖ habe sich bemüht, auch „außenstehende“ Wissenschaftler zu bekommen. Er verwies etwa auf den ehemaligen roten Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz, der den Beitrag „Vom Verband der Unabhängigen zu Erich Fried“ beisteuerte.

Daneben haben auch der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt und der ehemalige „FAZ“-Korrespondent und „Alles Roger“-Autor Reinhard Olt Beiträge geliefert – wie auch Brauneder und Mölzer selbst. Kirchenrechtler Gerhard Hartmann steuerte einen Beitrag zum Wertewandel der Studentenverbindungen bei, der Historiker Stefan Karner hat laut Zusammenfassung die Sicht der UDSSR auf die FPÖ beleuchtet. Ebenfalls an der Erstellung des Berichtes beteiligt waren u. a. FPÖ-Generalsekretär Hafenecker sowie FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth.

Hafenecker bat außerdem um Verständnis für die Verzögerungen. Zuletzt war diese seitens der FPÖ u. a. damit begründet worden, dass man sich einen „Koscher-Stempel“ durch einen unabhängigen Wissenschaftler aus Israel besorgen wollte. Das gelte nach wie vor, hier geht es vor allem um das Thema der Restitutionen.

Kritik von Wissenschaft und SPÖ

Schon im Vorfeld der Präsentation am Montag kritisierte Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien und Leiter des wissenschaftlichen Beirats des „Hauses der Geschichte“, den Bericht als „unprofessionell“. Das „Absegnen“ durch israelische Wissenschaftler sei ein „politisches Manöver“, so Rathkolb – mehr dazu in science.ORF.at. Die FPÖ reagierte auf Rathkolbs Kritik verärgert und sah eine „parteipolitische Einfärbung“. Es sei höchst unseriös, einen Bericht zu kritisieren, der noch gar nicht vorliegt, sagte der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.

Kritik am Bericht hagelte es weiters von der SPÖ. Sie bezeichnete die FPÖ-Historikerkommission als "peinlichen Eiertanz. Der Bericht sei von den Freiheitlichen „nahestehenden Personen ohne Anbindung an eine Universität verfasst“ worden, lautete etwa die Kritik der SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz.

Die FPÖ habe nichts aus ihrer Vergangenheit gelernt, wie „64 rechtsextreme, antisemitische und rassistische Vorfälle in den vergangenen 17 Monaten im Umfeld der FPÖ und ihre Inserate-Politik für rechte Medien“ zeigten, argumentierte Schatz in einer Aussendung am Montagabend. Die Partei betreibe mit dem Bericht lediglich „Imagekosmetik“, so Schatz. Schließlich habe sie „mehr Burschenschafter als Frauen ins Parlament geholt“.