Eigentlich hatten Waterloo & Robinson schon Anfang der 70er Jahre alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt: „Good Old Hollywood Is Dying“. Und in dem Song war auch schon die ganze Nostalgie da, die nun Tarantino heraufbeschwört. Dean Martin, das war noch was! Und die wilden Partys in L.A., bevor man auf Einladungen schreiben musste, ob es auch glutenfreie Alternativen zur Hauptspeise gibt, als Männer noch grapschen durften, als die Welt noch in Ordnung war für agile junge Machos und alte, bärtige Welterklärer.
Tarantino scheint mit seinem Film sagen zu wollen, dass ihn doch all die politisch korrekten Korinthenkacker am Arsch lecken können, weil es früher einfach cooler gewesen sei als heute. Und Coolness, die zählt im Nostalgieuniversum von Quentin Tarantino alles. Die ewig zugedröhnten Folterknechte in „Reservoir Dogs“; in „Pulp Fiction“ das lässige Spritzbesteck von John Travolta; Uma Thurmans Latex-Gewaltorgien in den „Kill Bills“; „Jackie Brown“ in seiner Gesamtheit, vom Soundtrack zu schweigen; „Inglourious Basterds“ ließ gar noch den Zweiten Weltkrieg als cool erscheinen – und natürlich die beiden Western „Django Unchained“ und „The Hateful Eight“.
In der Abwärtsspirale
Mit Western hat auch der neue Film zu tun, der im Hollywood des Jahres 1969 spielt. Rick, von DiCaprio gespielt, hat seinen 40er überschritten und in Wahrheit auch den Höhepunkt seiner Karriere. Jedes Kind kennt ihn, weil er der Star einer Wildwest-Kopfgeldjäger-Serie war. Und dann waren da noch ein paar größere Nebenrollenauftritte in Filmen und ein paar kleinere Gastrollen in Serien. Schon seit einiger Zeit wird er fast nur noch als Bösewicht für Western gecastet, was nicht gerade ein Karrieresprungbrett ist.
Sein Schicksal zu ertragen helfen ihm zwei Kumpels: der Alkohol und Cliff, sein Stunt-Double, meisterhaft gespielt von Brad Pitt. Auch Cliff ist nicht gerade gut im Geschäft. Wenn es am Set nichts zu tun gibt, spielt er für Rick das Mädchen für alles. Die beiden treiben durch die Tage, schwingen Reden, schauen lässig aus und schlucken ihre Ängste im wahrsten Sinne des Wortes jeden Tag aufs Neue runter. Cliff hat weniger zu verlieren und halftert deshalb einen Tick würdevoller ab als Rick.
Festspiele für DiCaprio und Pitt
Das war es im Prinzip an Handlung. Erst gegen Ende wird so etwas wie ein Spannungsbogen etabliert, und dann kommt auch die Tarantino-typische derbe Gewalt ins Spiel. Bis dahin entwirft der Regisseur ein buntes und Unterhaltsames Sittenbild des alten Hollywood-Studio-Systems. Wie bei vielen Dingen kann man dabei ein halbvolles Glas oder ein halbleeres Glas sehen. Tarantino sieht es halbvoll. Man hat sich damals einfach nicht so viel geschissen. Einem wie Tarantino gefällt das.
Da flogen die Fäuste in den Filmen und gleich auch noch einmal hinter der Kamera. Genüsslich lässt Tarantino Rick und Cliff auf die Hippies schimpfen, die er überhaupt nur in einer Art Persiflage der mordenden Manson Family auftreten lässt. Warum man den Film trotz gewaltiger Längen gern anschaut, ist neben der Musik, den Kostümen und den Autos das formidable Spiel von Pitt und DiCaprio als abgehalfterte Version ihrer selbst – da sitzt jede Geste, jede Mimik, die beiden sind Profis und zu Recht Stars.