Sonnenblumenfeld
ORF.at/Dominique Hammer
Nur 15 Klimamaßnahmen

Vergleich für Ministerium unseriös

Während Belgien 124 Maßnahmen für den Klimaschutz umgesetzt hat, sind es in Österreich laut einem Vergleich der Europäischen Umweltagentur (EEA) nur 15. Damit sei das Land EU-weites Schlusslicht. Das Umweltministerium versuchte am Mittwoch, den Vergleich zu relativieren. Für die Umweltorganisation Global 2000 handelt es sich aber um einen „peinlichen Tiefpunkt“.

Die EEA zeichnete kein gutes Bild von Österreichs Klimaschutzpolitik. Die Wochenzeitung „Falter“ hatte berichtet, dass laut der EEA-Untersuchung nur 15 Maßnahmen bis Ende März dieses Jahres gemeldet wurden. Darunter finden sich etwa der Klima- und Energiefonds, der klimafreundliche Projekte fördert, und der Sanierungsscheck, um Wohnhäuser effizienter zu machen.

Griechenland setzte in den vergangenen Jahrzehnten 18, Zypern 19 Maßnahmen. Österreich stelle das Schlusslicht dar, besonders im Vergleich mit Spitzenreiter Belgien und Frankreich mit 118 umgesetzten Schritten.

„Öffis“ nicht als Klimaschutzmaßnahme konzipiert

Aus dem Umweltministerium hieß es am Mittwoch, dass manche der Aktivitätsfelder besonders effektiv seien und ihnen mehrere Maßnahmen zuzurechnen wären. Die Darstellung der EEA lasse keinerlei Aussage über Umfang und Qualität der umgesetzten Maßnahmenbündel zu. Schlussfolgerungen anhand dieses Vergleichs wären weder seriös noch aussagekräftig.

Ein Ministeriumssprecher stufte die betriebliche Umweltförderung im Inland von rund 70 Millionen Euro jährlich als besonders umfangreich ein. Auch die Sanierungsoffensive einschließlich der „Raus-aus-dem-Öl-Förderaktion“, die sich jährlich auf 133 Millionen Euro beläuft, und der Klimafonds von jährlich 37 Millionen Euro wurden hervorgehoben. Zudem seien manche Maßnahmen wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die nicht direkt als Klimaschutzmaßnahmen konzipiert sind, wirksamer als in anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Den 15 gemeldeten Aktivitätsfeldern könnten außerdem durchwegs mehrere konkrete Maßnahmen zugeordnet werden, hieß es aus dem Umweltministerium. Auch wurden lediglich jene Maßnahmen aus den Bundesländern gemeldet, die grundsätzlich in vergleichbarer Weise im gesamten Bundesgebiet Anwendung finden.

Global 2000: Sieben Maßnahmen auf Betreiben der EU

Für die Umweltschutzorganisation Global 2000 stellt der EEA-Vergleich einen „peinlichen Tiefpunkt“ der österreichischen Klimapolitik dar. „Seit Jahren werden wichtige Maßnahmen wie eine ökologische Steuerreform, ein neues Energiegesetz, mehr Finanzmittel für thermische Sanierung und Heizkesseltausch fahrlässig verschleppt. Wir fragen uns, wann die österreichische Politik aufhört, die Statistiken schönzureden, und stattdessen anfängt, endlich ihre Arbeit zu machen“, meinte Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000. Auch kritisierte die Umweltschutzorganisation, dass sieben der 15 von Österreich gemeldeten Klimaschutzmaßnahmen lediglich die Umsetzung von EU-Richtlinien darstellen würden. „Statt weiterer Kürzungen brauchen wir eine Klimaschutzmilliarde pro Jahr an Investitionen in unsere Zukunft“, forderte Wahlmüller.

Schlechtes Abschneiden auch bei Emissionen

Der „Falter“ berichtete auch, dass es Österreich seit 1990 nicht geschafft habe, die Emission klimaschädlicher Gase einzuschränken. Das belegten Daten vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz, die um zufällige Ereignisse wie milde Winter bereinigt wurden: Alle bis auf fünf EU-Länder hatten zuletzt weniger klimaschädliche Gase als noch vor 30 Jahren zu verantworten. Im EU-Schnitt sanken sie um 23 Prozent. In Österreich stiegen sie dagegen um zwei Prozent. Nur Malta, Kroatien, Spanien und Zypern würden noch umweltschädlicher abschneiden.

Ministerin für Nachhaligkeit und Tourismus, Maria Patek
ORF.at/Roland Winkler
Umweltministerin Maria Patek lädt zum Dialog in der Klimadebatte

Jürgen Schneider, Sektionschef der Klimasektion im Umweltministerium, hielt gegenüber der Zeitung fest, dass die in Österreich ausgestoßenen klimaschädlichen Gase ohne Klimapolitik noch höher lägen, und das, obwohl sie in den letzten knapp 30 Jahren stagnierten. Schließlich sei die Wirtschaft seit damals gewachsen, und außerdem gäbe es mehr Österreicher und Österreicherinnen, die besser wohnen, öfters reisen und mehr konsumieren würden.

Strategie bis Jahresende

Das Ministerium ließ wissen, dass bis Jahresende eine Strategie für ein klimaneutrales Österreich im Jahr 2050 vorgelegt werde. Dafür binde man in einem breiten Dialog alle relevanten Akteure ein. Per Onlinekonsultation könne sich „jede und jeder Interessierte bei diesem wichtigen Thema einbringen“, so Umweltministerin Maria Patek. Die Onlinekonsultation läuft anonym bis 15. September, zuvor werden bei einer Auftaktveranstaltung Ziele und Maßnahmen erarbeitet.

Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb berichtete dem „Falter“ von negativen Erfahrungen im Hinblick auf die Einbindung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. „Wir haben immer wieder Stellungnahmen an die Regierung geschickt und auch unsere Unterstützung angeboten, konstruktiv mitzuarbeiten“, so Kromp-Kolb, „manchmal ist ein freundliches Schreiben zurückgekommen, manchmal gab es ein Gespräch. Niederschlag in der Klima- und Energiepolitik hat es nicht gefunden.“

Der Klimaforscher Gottfried Kirchengast, Mitglied im Nationalen Klimaschutzkomitee (NKK), hatte für Österreichs Klimapolitik weniger freundliche Worte über. „Bisher dominierten Schönfärberei, Irreführung, Ignoranz und Kompetenzdefizite“, sagte er.