Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini
Reuters/Remo Casilli
„Keine Mehrheit mehr“

Salvini drängt auf rasche Neuwahl

Die Regierungskoalition in Italien steht vor dem Bruch. Der italienische Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, drängt auf eine Neuwahl und erhöht den Druck auf Regierungschef Giuseppe Conte. Diesem habe er am Donnerstag gesagt: „Gehen wir sofort ins Parlament, um anzuerkennen, dass es keine Mehrheit mehr gibt“, hieß es in einer Erklärung Salvinis. „Geben wir das Wort schnell an die Wähler zurück“.

Es sei „zwecklos“, mit Streitereien wie in den vergangenen Wochen weiterzumachen. Auch Salvinis Partei war am Donnerstag in die Offensive gegangen und brachte eine Neuwahl als einzige Alternative zur bestehenden Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung ins Spiel. Auslöser für die Krise der ohnehin zerstrittenen Koalition war ein Votum der Fünf-Sterne-Bewegung am Mittwoch im Senat gegen ein Bahnprojekt, das die Lega befürwortet.

Es bringe nichts, mit Aufschüben und täglichen Streitereien weiterzumachen, hieß es aus der Partei. Dementiert wurden aber Medienberichte, wonach Salvini einen Rücktritt seiner Minister prüfe oder den Rücktritt Contes gefordert habe. Dieser will sich unterdessen nicht von Salvini treiben lassen.

Conte weist Salvini zurecht

„Es steht einem Innenminister nicht zu, über den Ablauf einer politischen Krise zu entscheiden, in der ganz andere institutionelle Akteure intervenieren“, sagte Conte in einer Ansprache in Rom. Er kündigte an, die Präsidenten der beiden Parlamentskammern zu kontaktieren, damit diese die Kammern einberufen. Er forderte Salvini auf, im Senat zu erklären, warum er „frühzeitig, abrupt“ das Handeln der Regierung unterbreche.

Luigi Di Maio, Giuseppe Conte und Matteo Salvini
APA/AFP/Alberto Pizzoli
Seit Monaten um Beschwichtigung bemüht: Di Maio, Conte und Salvini bei einem gemeinsamen Pressetermin im Jänner

„Es ist etwas kaputtgegangen“

Bei einem Auftritt vor seinen Anhängern am Mittwochabend hatte Salvini die Sorge vor einer neuen Regierungskrise befeuert. „Wenigstens zehn, elf Monate haben wir gearbeitet und Italien Gesetze beschert, auf die Italien seit so vielen Jahren gewartet hat“, sagte er im Seebad Sabaudia südöstlich von Rom. „Aber in den letzten zwei, drei Monaten hat sich etwas verändert, und es ist etwas kaputtgegangen.“

Bei Koalitionsbruch liegt Ball bei Mattarella

Sollte die Koalition tatsächlich zerbrechen, liegt der Ball beim Staatspräsidenten. Er könnte sondieren lassen, ob eine neue Mehrheit im Parlament zustande kommt – damit könnte eine Neuwahl umgangen werden. Im Parlament hat die Fünf-Sterne-Bewegung die meisten Abgeordneten, nicht Salvinis Lega. Im Herbst müsste die Regierung eigentlich einen Budgetentwurf vorlegen, den das Parlament bis Ende des Jahres absegnen muss.

Die Regierung hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder überworfen. Etliche Themen entzweiten die ungleichen Partner: zum Beispiel die von der Lega geforderte Autonomie für einige Regionen und der von der Fünf-Sterne-Bewegung geforderte Mindestlohn. Auch stritten die Regierungspartner über die Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin. Uneinigkeit herrschte ebenfalls in Migrations- und Finanzfragen und wegen Korruptionsvorwürfen gegen einen Lega-Politiker.

Neuer Höhepunkt erreicht

Am Mittwoch erreichte der Konflikt eine neue Qualität: Bei einem Votum im Senat stellte sich die Fünf-Sterne-Bewegung gegen eine geplante Schnellbahnstrecke zwischen Lyon und Turin, die die Lega unterstützt. Salvini hatte noch am Montag gemahnt, wer Nein zu dem Milliardenprojekt sage, bringe die Regierung in Gefahr, und hatte eine Neuwahl ins Spiel gebracht. Salvini wirft der Fünf-Sterne-Bewegung immer wieder vor, Nein-Sager zu sein und die Regierung zu blockieren. Es wehe ein „Wind der Krise“, waren sich die Zeitungen wie der „Corriere della Sera“ sicher.

„Wahlkampf“ in Badehose

Beobachter sind sich unterdessen einig, dass eine Neuwahl lediglich für die Lega von Vorteil wäre. Sie hat die Fünf-Sterne-Bewegung mittlerweile in Umfragen in den Schatten gestellt.

Matteo Salvini
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Salvini tourte zuletzt öffentlichkeitswirksam durch mehrere Strandbäder

Die Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ist seit Juni 2018 im Amt. Salvini gilt seit Beginn als der starke Mann der Allianz. Er befeuert die Spannungen weiterhin in unzähligen Auftritten, die einem Wahlkampf gleichkommen – zuletzt auch in Badehose auf mehreren italienischen Stränden. „In der Hoffnung, dass in der Zwischenzeit keine komischen Sachen passieren“, hatte er am Vorabend gesagt.