Amazon Echo
AP/Mike Stewart
Überstunden, Nachtarbeit

Chinesische Schüler für Amazon ausgebeutet

Der chinesische Auftragsfertiger Foxconn ist erneut in der Kritik: Um die Liefervorgaben für Amazons Alexa-Lautsprecher erfüllen zu können, mussten Hunderte Schülerinnen und Schüler bei Foxconn unerlaubterweise Überstunden und Nachtarbeit leisten, berichtet der „Guardian“. Die Schüler wurden direkt über die Schulen rekrutiert, inklusive Lehrer als Aufpasser.

In Chinas Fabriken dürfen Schüler ab dem Alter von 16 regulär arbeiten, Überstunden und Nachtarbeit sind per Gesetz allerdings verboten – dagegen hat Foxconn laut Unterlagen des Herstellers und Berichten von Betroffenen in seiner Fabrik in Hengyang verstoßen, berichtet der „Guardian“ unter Berufung auf Angaben der NGO China Labor Watch.

Foxconn ging dabei gezielt vor: Der Auftragsfertiger, der schon mehrfach wegen schlechter Arbeitsbedingungen und Selbstmorden von Arbeitern in der Kritik stand, wandte sich direkt an Schulen und Technikkollegs, um Schüler und Schülerinnen als „Praktikanten“ anzuwerben. Die Schulen bekamen für jeden zur Verfügung gestellten Schüler rund 63 Euro pro Monat, zudem wachten die eigenen Lehrer darüber, dass diese an den Fertigungsstraßen für Amazons Echo-Lautsprecher für den Sprachassistenten Alexa auch produktiv waren.

Foxconn-Fabrik
AP/Imaginechina
Der Auftragsfertiger Foxconn ist immer wieder wegen schlechter Arbeitsbedingungen in der Kritik

Über 1.000 Schüler und Schülerinnen zwischen 16 und 18 Jahren arbeiteten laut Bericht an den Fertigungsstraßen der Fabrik, manche mehr als zwei Monate. Foxconn argumentiert in einer Stellungnahme gegenüber dem „Guardian“, dass die Schüler praktische Erfahrung sammeln würden, einerseits in der Fertigung, aber auch im Berufsleben. Betroffene widersprechen dem allerdings deutlich, schreibt der „Guardian“.

Betroffene spricht über Druck durch Lehrer

Die Arbeit in den Fabriken habe keinerlei Relevanz für die eigene Ausbildung, wird eine Schülerin, die seit Juli in der Foxconn-Fabrik arbeitet, zitiert. Sie studiert Informationstechnologie, in der Fabrik bringt sie Schutzfolien auf die Lautsprecher auf, 3.000 pro Tag. Ihr Lehrer habe ihr gesagt, sie müsse acht Stunden pro Tag und fünf Tage die Woche arbeiten, erzählte sie. Am Ende seien es zehn Stunden pro Tag, davon zwei Überstunden, und sechs Tage die Woche geworden.

„Ich habe versucht, dem Aufseher meiner Produktionsstraße zu sagen, dass ich keine Überstunden machen will“, so die junge Frau weiter. „Er hat meinen Lehrer informiert, der mir dann sagte, dass ich mit einer Weigerung meinen Abschluss und die Finanzierung meiner Weiterbildung gefährde.“ Sie habe es schließlich über sich ergehen lassen. Die Arbeit, erzählte sie, sei wegen der Hitze der Lampen anstrengend, die Überstunden würden sie sehr müde machen.

Foxconn findet nicht genug Mitarbeiter

In den zitierten internen Dokumenten heißt es, dass Foxconn die Schüler benötigt, um die Produktionsvorgaben zu erreichen – die Überstunden sind Bedingung. Alleine für die Produktion von April bis Oktober würden eigentlich 7.000 Arbeiter gebraucht, heißt es, es könnten aber nur durchschnittlich 30 Arbeiter pro Woche fix angestellt werden. Den Rest müsse man mit Leiharbeitern und eben Praktikanten, die rund 15 Prozent der nötigen Arbeitsleistung liefern könnten, abdecken.

Verschiedene Alexa-Geräte
AP/Yomiuri Shimbun /Tomoko Hagimoto
Amazon hat mittlerweile eine ganze Reihe an Echo-Lautsprecher für seinen Sprachassistenten Alexa

Das System scheint sich trotz der geringeren Arbeitsleistung auszuzahlen: Die Schüler bekamen laut den internen Dokumenten weniger Geld als die Leiharbeiter, zuletzt wurde die Entschädigung gekürzt. Laut Papieren gab es mit zumindest vier Schulen für 900 Schüler eine Kooperationsvereinbarung, laut einem weiteren Bericht sollten heuer in Summe bis zu 1.800 Schüler eingesetzt werden.

Die Praxis soll auch bei Foxconn selbst nicht ganz umstritten gewesen sein, am Ende habe man sich dennoch dafür entschieden, dass die „Vorteile“ überwiegen würden, heißt es in den zitierten Dokumenten weiter. Darin wird auch angesprochen, dass manche Schüler Nachtschichten verweigert hätten und die Schichtleiter das an die Lehrer weitermelden sollten, damit diese die Schüler dann zum Weitermachen überreden. Falls das nicht wirke, sollten die Lehrer Kündigungspapiere für ihre Schüler ausstellen.

In Reaktion auf den „Guardian“-Bericht räumte Foxconn am Freitag ein, Schüler in China in Nachtschichten eingeteilt und zu Überstunden herangezogen zu haben. Die Fehler seien durch „lasche Kontrollen“ des Managements an Ort und Stelle entstanden. Nun seien Maßnahmen ergriffen worden, damit sich so etwas „nicht wiederholen“ könne.

Immer wieder Verstöße

Eigentlich gibt es laut Bericht aus dem Jahr 2017 eine Abmachung zwischen Foxconn und Amazon, wonach für die Produktion der Alexa-Geräte Echo, Echo Dot sowie für den E-Reader Kindle nicht nur 15 neue Produktionsstraßen bei Foxconn geschaffen werden, sondern auch Tausende zusätzliche Arbeiter angestellt würden.

2018 versprach Foxconn auch, weniger Leiharbeiter einzusetzen beziehungsweise diesen einen fixen Arbeitsplatz anzubieten. Zuvor war bekanntgeworden, dass Foxconn deutlich mehr Leiharbeiter beschäftigt, als die chinesischen Gesetze zulassen, die auch noch viel mehr Überstunden leisteten als die erlaubten 36 pro Monat. Vor einigen Jahren sorgten auch vermehrte Selbstmorde bei dem Auftragsfertiger, der auch für Apple iPhones zusammenbaut, für Schlagzeilen.

Amazon kündigte strengere Prüfungen an

Amazon sagte gegenüber der Zeitung, dass man Verstöße gegen die eigenen internen Regeln für Auftragsfertiger, die laufend auch durch unabhängige Stellen überprüft würden, nicht toleriere. Foxconn müsse den Vorwürfen nachgehen, bei Zuwiderhandeln gegen Amazons Regeln werde man entsprechende Schritte setzen. Man habe umgehend ein Spezialistenteam an Ort und Stelle eingesetzt, zudem gebe es ab sofort wöchentliche Überprüfungen.

Der weltgrößte Onlinehändler hatte zuletzt mehrfach Ärger wegen Alexa. So wurde am Wochenende bekannt, dass Amazon die Sprachaufnahmen aus Alexa in Heimarbeit von Menschen auswerten lässt. In Polen bewarb ein Zeitarbeitsdienstleister die Jobs zur Auswertung von Alexa-Aufnahmen in inzwischen gelöschten Anzeigen der „Welt am Sonntag“ zufolge als „Telearbeit im ganzen Land“. Ein Zeitarbeiter sagte dem Blatt, er und viele seiner Kollegen arbeiteten vom Küchentisch aus.

Kritik wegen Auswertung durch Menschen

Laut Amazon wird der Zugang zu internen Systemen „streng kontrolliert“, man verfolge eine „‚Null Toleranz‘-Politik, wenn unsere Prozesse nicht befolgt werden“. Alle Mitarbeiter nutzten „sichere, proprietäre Tools, um Alexa zu verbessern“. Zuvor hatte es zunehmend Kritik daran gegeben, dass sich Menschen statt nur Maschinen aufgezeichnete Fragmente von Unterhaltungen der Nutzer anhören und abtippen, um die Spracherkennung zu verbessern. Die jahrelange Praxis war den Nutzern bis vor wenigen Monaten weitestgehend unbekannt.