Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini
AP/Andrew Medichini
Trotz „Ferragosto“

Salvini will nun schnell Fakten schaffen

Mit der Forderung nach einer Neuwahl hat Italiens Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini das Ende der aus seiner rechtspopulistischen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung zusammengesetzten Regierung eingeläutet. Nach den Plänen von Salvinis Lega soll das Aus der Regierungskoalition nun so schnell wie möglich per Misstrauensvotum besiegelt werden. Wann es zur erhofften Neuwahl kommt, ist derzeit aber noch offen – und das liegt auch an einem in Italien nun gebrochenen Tabu.

Geht es nach dem von der Fünf-Sterne-Bewegung ins Amt geholten parteilosen Premier Giuseppe Conte, sei als Nächstes das Parlament am Zug. Es liege somit nicht an Salvini, sondern an den Abgeordneten, über die nächsten Schritte in der vom Lega-Chef vom Zaun gebrochenen Krise zu entscheiden, wie Conte bei einer Pressekonferenz sagte.

Von Salvini erwartet sich Conte im Parlament zudem eine Erklärung, warum er nun aus heiterem Himmel mit der Regierung gebrochen habe. Wohl mit Blick auf Salvinis jüngste Auftritte auf mehreren Stränden gab es von Conte den Seitenhieb, dass die von ihm angeführte Regierung hart gearbeitet habe und „nicht am Strand“ gewesen sei.

Italiens Ministerpräsident Guiseppe Conte
Reuters/Alberto Lingria
Laut Conte steht es „einem Innenminister nicht zu, über den Ablauf einer politischen Krise zu entscheiden“

Salvini will „alle Befugnisse“

Salvini machte unterdessen keinen Hehl daraus, dass er bei der am Donnerstag geforderten schnellen Neuwahl als Premierkandidat kandidieren und die Italiener auffordern wolle, ihm „alle Befugnisse“ zu geben. Das formale Ende der Regierungskoalition will die Lega nun im Senat einläuten – konkret per schnellstmöglichen Misstrauensantrag gegen Premier Conte. „Wer Zeit verliert, schadet dem Land“, heißt es dazu in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung von Salvinis Lega weiter.

„Festtag des Augustus“

Mit „Ferragosto“ wird in Italien der von der katholischen Kirche als Mariä Himmelfahrt gefeierte 15. August bezeichnet. Die Bezeichnung stammt vom lateinischen „Feriae Augusti“, also „Ferien des Augustus“. Ferien gehen in Italien in der Tat auf den römischen Kaiser Augustus zurück. Dieser führte im Jahr 8 v. Chr. eine mehrtägige freie Zeit ein, die in diesen Zeitraum fiel.

Offen ist aber noch, wann es zur nun mit Spannung erwarteten nächsten Parlamentssitzung kommen wird. Hintergrund sind die gerade angelaufenen Parlamentsferien und die bisherige „Unmöglichkeit einer Regierungskrise zu Ferragosto“, wie es dazu etwa im Onlinemagazin Salto heißt.

Nachdem Salvini dieses Tabu gebrochen hat, könnten nun die rund 1.000 Abgeordneten der beiden italienischen Parlamentskammern aus dem Urlaub zurückgerufen werden. Bereits am Montag steht nach Angaben von „La Repubblica“ ein Treffen der Fraktionsvorsitzenden zur Klärung der weiteren Vorgangsweise auf dem Programm. Ob, wie von der Lega gefordert, bereits am Dienstag dann das Misstrauensvotum im Senat folgt, bleibt den Angaben zufolge fraglich. Durchaus realistisch sei aber ein Termin am 19. bzw. 20. August.

Spekulationen über Wahltermin

Zwar könnte Conte das Prozedere verkürzen und gleich selbst seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella einreichen – diese Option hat Conte bislang allerdings strikt ausgeschlossen. Nach derzeitigem Stand käme Italiens Staatsoberhaupt demnach erst nach einem für Conte verlorenem Misstrauensvotum zum Zug.

Auch wenn Beobachtern zufolge nun alle Zeichen Richtung Neuwahl stehen, könnte Mattarella dann noch sondieren lassen, ob es eine andere Mehrheit im Parlament gibt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA wäre etwa eine – bislang von beiden Parteien allerdings ausgeschlossene – Koalition zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung mit den Sozialdemokraten (PD) eine Option. Im Raum steht laut „Corriere della Sera“ aber nicht zuletzt eine Expertenregierung, von der etwa noch die von der EU eingeforderten Budgetvorgaben auf Schiene gebracht werden könnte.

Ist das nicht der Fall, müsste Mattarella die Auflösung der Parlamentskammern veranlassen. 60 Tage nach der Auflösung des Parlaments könnte eine Wahl stattfinden – so viele Tage braucht man für die Vorbereitung der Wahl. Salvini visiert offenbar den 13. Oktober für eine Wahl an. Dafür müssten die Kammern laut „Corriere“ aber schon am 13. August aufgelöst werden. Das scheint ziemlich unrealistisch angesichts der vielen Schritte, die jetzt folgen müssen. Wahrscheinlicher wäre ein Termin Ende Oktober oder im November.

Salvini kann auf Rekordergebnis hoffen

Im Fall einer Neuwahl hält Salvini alle Trümpfe in der Hand: Bei der Europawahl im Mai hatte seine Rechtspartei mit mehr als 34 Prozent ein Rekordergebnis eingefahren. Schon lange war spekuliert worden, wann Salvini die Koalition platzen lassen würde, um eine Neuwahl herbeizuführen. Möglicherweise würde er einen Koalitionspartner brauchen, könnte diesen aber bei den rechten Parteien finden, etwa mit den Fratelli d’Italia.

Regierungskrise in Italien

Der ZIB-Außenpolitik-Ressortleiter Andreas Pfeifer kommentiert die Erfolgsrezepte der Lega, die sie laut Umfragen zur weitaus stärksten Partei Italiens haben werden lassen.

Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio beschuldigte Salvini am Donnerstagabend, er habe die Regierung gestürzt, weil er die Umfragen vor die Interessen des Landes gestellt habe. Die Fünf Sterne waren bei der Parlamentswahl 2018 noch mit Abstand stärkste Partei, liegen in Umfragen jetzt aber weit hinter der Lega.

Folgenschwerer Streit über Hochgeschwindigkeitsbahn

Salvini hat der Fünf-Sterne-Bewegung in letzter Zeit immer wieder vorgeworfen, Nein-Sager zu sein und die Regierung zu blockieren. Bei vielen Themen waren sich die ungleichen Partner seit Amtsantritt im Juni 2018 nicht einig – sie stritten zum Beispiel über einen Mindestlohn, Steuersenkungen und die Autonomie für einige Regionen.

Am Mittwoch erreichte der seit Monaten schwelende Konflikt eine neue Qualität: Bei einem Votum im Senat stellten sich die Fünf Sterne gegen eine geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lyon und Turin (TAV), die die Lega unterstützt. Salvini hatte noch am Montag gemahnt, wer Nein zu dem Milliardenprojekt sage, bringe die Regierung in Gefahr, und hatte eine Neuwahl ins Spiel gebracht. Am Donnerstag ließ Salvini dann die Katze aus dem Sack und erklärte vor seinen Anhängern, dass Koalitionsbündnis für beendet.

Kein Kommentar von EU

Die EU-Kommission wollte sich am Freitag nicht zur politischen Lage in Italien äußern und bestätigte lediglich, die Entwicklungen zu beobachten. „Demokratische Prozesse in den Mitgliedsstaaten kommentieren wir nicht“, sagte eine Sprecherin.

Italien braucht dringend Stabilität – alleine wegen der desaströsen Wirtschaftslage. Das Land weist mit etwa 2,3 Billionen Euro eine der höchsten Verschuldungen weltweit auf. Die Schuldenquote – also das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft – betrug 2018 mehr als 132 Prozent und war damit die zweithöchste in den 28 Staaten der Europäischen Union hinter Griechenland.