Separatistenkämpfer in Jemens Interimshauptstadt Aden
Reuters/Fawaz Salman
Jemen

Separatisten-Vormarsch in Hafenstadt Aden

Im Jemen haben separatistische Kämpfer offenbar weite Teile der Hafenstadt Aden unter ihre Kontrolle gebracht. Die fünftgrößte Stadt des Landes ist seit Tagen Schauplatz schwerer Kämpfe. Aden ist die Interimshauptstadt der vom Westen anerkannten jemenitischen Regierung. Die eigentliche Hauptstadt Sanaa ist seit 2015 in der Hand der schiitischen Huthi-Rebellen.

In Aden eskalierten zuletzt die Kämpfe zwischen Truppen der international anerkannten Regierung und den Separatisten vom südlichen Übergangsrat (STC). Diese wollen sich vom Nordjemen abspalten und einen eigenen Staat gründen. STC-Anhänger gaben am Samstag zunächst die Eroberung mehrerer Lager der Präsidentengarde bekannt – am Abend verkündete der STC schließlich auch die Übernahme des Präsidentenpalastes. Nach Angaben eines STC-Sprechers habe man den Gebäudekomplex kampflos von der Präsidialgarde übernommen.

Medienberichten zufolge hätten die Separatisten allerdings einen weitgehend leeren Präsidentenpalast vorgefunden. Der genannte Hintergrund: Der jemenitische Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi und die meisten seiner Minister seien schon länger in Riad und somit in der Hauptstadt des engsten Verbündeten, Saudi-Arabien.

Koalition fliegt Luftangriffe

Bei Gefechten zwischen Truppen der Regierung und den Separatisten sind in Aden seit Donnerstag nach UNO-Angaben mindestens 40 Menschen getötet und 260 weitere verletzt worden. „Unsere größte Aufgabe ist jetzt die Entsendung von Ärzteteams, um die Verletzten zu retten. Wir sind auch sehr besorgt über Berichte, dass Zivilisten in ihren Häusern gefangen sind und ihnen Lebensmittel und Wasser ausgehen“, sagte die UNO-Hilfskoordinatorin für den Jemen, Lise Grande, am Sonntag.

Die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition ist unterdessen nach eigenen Angaben Luftangriffe gegen eine „direkte Bedrohung“ für die jemenitische Regierung geflogen. Die Koalition habe Ziele angegriffen, „die eine direkte Bedrohung für einen wichtigen Standort der legitimen Regierung darstellen“, hieß es in einer Erklärung vom Sonntag. Die Militärkoalition drohte den Separatisten des Übergangsrats mit weiteren Angriffen, sollten sie sich nicht von ihren Stellungen in Aden zurückziehen.

Risse in Anti-Huthi-Allianz

Im Jemen herrscht seit 2015 Krieg zwischen den von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und anderen arabischen Staaten unterstützten Truppen von Präsident Hadi und den Huthi-Rebellen. Die Frontstellung im Konflikt in Aden ist allerdings eine andere: Hier kämpfen die Truppen des Präsidenten auch gegen Separatisten, die eine Rückkehr zu einem unabhängigen Staat Südjemen anstreben, wie er vor der jemenitischen Vereinigung 1990 bestanden hatte.

Im Jemen-Konflikt deutet sich somit auch verstärkt ein Bruch der VAE mit dem eigentlichen Partner Saudi-Arabien an: Die Emirate unterstützen die Separatisten und wollen die für den Seehandel wichtige Stadt Aden stabilisieren. Die Saudis wollen sich dagegen auf den Nordjemen konzentrieren, von wo aus Huthis immer wieder Ziele jenseits der saudischen Grenze angreifen.

Separatistenkämpfer in Jemens Interimshauptstadt Aden
APA/AFP/Nabil Hasan
Erklärtes Ziel der in Aden kämpfenden Separatisten ist ein unabhängiger Staat Südjemen

Derzeit schlimmste humanitäre Krise der Welt

Für die Vereinten Nationen (UNO) ist der Jemen-Konflikt indes die derzeit schlimmste humanitäre Krise der Welt. UNO-Angaben zufolge wurden bereits mehr als 10.000 Menschen getötet, unter ihnen Tausende Zivilisten. 3,3 Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben. Angesichts der jüngsten Entwicklungen warnte der UNO-Sonderbeauftragte Martin Griffiths zuletzt vor einer weiteren Eskalation der Gewalt und die damit drohenden Folgen für die ohnehin leidgeprüfte jemenitische Bevölkerung.

Griffiths ringt seit Monaten um eine politische Lösung des Konflikts zwischen der Regierung und den Huthi-Rebellen. Beide Seiten hatten sich auf eine Waffenruhe für die Hafenstadt Hudaida und einen Truppenabzug geeinigt. Zu einer breiteren Beruhigung des Konflikts führten diese Vereinbarungen aber nicht. Die Separatisten sehen indes ihre Interessen in den Gesprächen vernachlässigt und verstärkten zuletzt ihre Bemühungen, sich vom Nordjemen abzuspalten.