US-Navy-Personal auf der Brücke eines Zerstörers
US Navy
Nach tödlichen Unfällen

US-Navy sagt Touchscreens Ade

Die US-Navy wird Touchscreens ab 2020 aus ihren Zerstörern ausbauen. Stattdessen sollen die Kriegsschiffe künftig mit mechanischen Hebeln und Knöpfen gesteuert werden. Das berichtete nun das Branchenmedium USNI News. Wünsche der Besatzungsmitglieder sowie zwei tödliche Unfälle im Jahr 2017 waren dafür ausschlaggebend.

Die Touchscreens seien zu gefährlich, hieß es in einem Bericht von USNI News. Anlass des Umbaus der Flotte – der zwischen 18 und 24 Monate dauern soll, aber noch nicht ausgeschrieben ist –, ist demnach ein Unfallbericht der US-Behörde für Transportsicherheit (NTSB). Im Bericht wurde die Kollision des Zerstörers „USS John S. McCain“ mit dem liberianischen Öltanker „Alnic MC“ vor der Küste Singapurs am 21. August 2017 untersucht.

Damals kamen zehn Besatzungsmitglieder des US-Kriegsschiffs ums Leben, 48 Personen wurden verletzt. Als Unfallfaktoren werden unter anderem die fehlende Kenntnis von Arbeitsabläufen der Seeleute sowie die mangelhafte Einschulung in die Bedienung des komplexen Touchscreen-Systems, mit dem die Zerstörer gesteuert werden, genannt.

US-Navy-Personal auf der Brücke eines Zerstörers
US Navy
Zwischen 18 und 24 Monate soll die Umstellung von Touchscreens auf Hebel sowie Knöpfe dauern

Haptische Rückmeldung fehlt

Doch auch das Interface-Design sei ein Faktor gewesen: „Das Design des ‚John S. McCain‘-Steuerungs- und Kontrollsystems erhöhte die Wahrscheinlichkeit von Bedienungsfehlern, die letztlich zu der Kollision geführt hatten.“ Der Bericht verwies unter anderem darauf, dass Besatzungsmitglieder ein Schiff derzeit über verschiedene mit Touchscreen-Systemen ausgestattete Stationen der Kommandobrücke steuern können.

Wer die Kontrolle worüber verfügt, wird zwar auf dem Bildschirm angezeigt, ist aber nur schwer zu erkennen. Während es dem Bericht der US-Behörde zufolge bei Hebeln spürbar ist, ob die Steuerung auf Eingaben reagiert oder auch, ob Steuerungen der Schiffsschrauben separat arbeiten, fehlt dieses haptische sowie sofortige Feedback bei Touchscreens.

Beschädigter Zerstörer USS John S. McCain im Hafen von Singapur 2017
Reuters/Ahmad Masood
Der beschädigte Zerstörer „USS John S. McCain“ im Hafen von Singapur 2017

Kurz vor dem Unfall der „John S. McCain“ hatte die Crew an mehreren Stationen versucht, die Steuerung von einer Station zu einer anderen zu übertragen. Möglich war die Steuerung gleich mehrerer Besatzungsmitglieder an unterschiedlichen Stationen offenbar, weil ein manueller Modus ausgewählt und somit Computerunterstützung ausgeschaltet worden war.

Durch Versehen wurde die Steuerung der Schiffsschrauben in weiterer Folge unbewusst aufgeteilt, was die Besatzung irrtümlich vermuten ließ, die Steuerung sei ausgefallen. Das trug letztlich dazu bei, dass es zu der Kollision gekommen ist. Der Bericht verweist zudem darauf, dass der Unfall durch mechanische Hebel hätte verhindert werden können. Die Marine wurde auch dazu aufgefordert, höhere Designstandards einzuführen.

Unfälle lösten Debatte aus

Denn nur zwei Monate zuvor war es bereits zu einem tödlichen Unfall gekommen: Der Zerstörer „USS Fitzgerald“ kollidierte im Juni 2017 mit dem von den Philippinen stammenden Handelsschiff „MV ACX Crystal“ vor der japanischen Küste. Auch dabei kamen sieben Marinesoldaten ums Leben. Die Vorfälle – im gleichen Jahr kam es auch zu weiteren Zwischenfällen – lösten in den USA heftige Debatten über fundamentale Wissenslücken der Matrosen und auch die unzureichende technische Beschaffenheit der Schiffe aus.

In Zuge dessen hatte die US-Marine ihre Matrosen schließlich zu den Touchscreens befragt – und stieß dabei auf große Ablehnung. Ein Großteil der Seeleute, die die Zerstörer lenken, würde USNI News zufolge Hebel und Knöpfe Touchscreens jedenfalls vorziehen. Die Bedienung der Steuerung mittels Touchscreens falle dem Konteradmiral Bill Galinis zufolge unter die Kategorie „nur weil man kann, heißt das nicht, dass man soll“. Das System sei schlichtweg zu kompliziert, so Galinis weiter.

Unausgeschlafene Crew

Dabei könnte im Fall der „USS John S. McCain“ auch ein weiterer Faktor ausschlaggebend für die Kollision gewesen sein. Demnach seien die Seeleute teilweise nicht nur schlecht eingeschult gewesen, sondern überdies übermüdet. Knapp fünf Stunden Schlaf standen den 14 Crewmitgliedern dem Bericht zufolge zur Verfügung. Die US-Behörde legte der Marine deshalb nahe, sicherzustellen, dass Besatzungen im Dienst nicht unausgeschlafen sind sowie dass Schulungen verbessert werden.