Epstein-Vertraute Ghislaine Maxwell
APA/AFP/Getty Images/Laura Cavanaugh
Fall Epstein

Vertraute könnte Aufklärung bringen

Nach dem Suizid des wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger inhaftierten Multimillionärs Jeffrey Epstein erhofft man sich Aufklärung über dessen laut Anklage illegalen Sexhandelsring von Epsteins langjähriger Vertrauten Ghislaine Maxwell. Doch laut US-Medien ist unklar, wo sich Maxwell aufhält.

Laut den Vorwürfen der Anklage, der Polizei und betroffener Mädchen und Frauen bauten Epstein und Maxwell den Sexhandelsring, der quer durch die USA ging und für drei junge Mädchen am Tag für Epstein sorgen sollte, gemeinsam auf, wie die „Washington Post“ am Montag schrieb.

Laut vielen Frauen, die Epstein beschuldigen, war Maxwell seine wichtigste „Mitverschwörerin“, so die „Washington Post“. Maxwell war auch am Beginn der Ermittlungen gegen Epstein in Florida im Fokus der Ermittler, wie die Zeitung mit Verweis auf die Palm-Beach-Polizei schrieb.

Polizeifoto von Jeffrey Epstein
AP/New York State Sex Offender Registry
Epstein auf einem amtlichen Foto

„Koordinatorin“ des Sexhandelsrings

Die Mädchen, die von der Palm-Beach-Polizei als Zeuginnen angehört worden waren, beschrieben Maxwell wiederholt als Koordinatorin von Epsteins Sexhandelsring. Mit Maxwell selbst konnte die Polizei damals allerdings nicht sprechen. Maxwells Anwälte riefen die Ermittler einfach nicht zurück.

Im Laufe der Jahre, seit die ersten Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Epstein laut wurden, bestand Maxwell darauf, nichts Unrechtes gemacht zu haben. Sie wisse nichts von illegalen Handlungen. Eine wachsende Zahl von Frauen beschuldigte allerdings Maxwell, die Hauptorganisatorin für Epstein zu sein. Sie habe als Anwerberin und Zahlmeisterin für die Mädchen, die zu Epsteins Palm Beach Villa gebracht wurden, gearbeitet, so die Zeitung weiter.

The Metropolitan Correctional Facility
APA/AFP/Getty Images/David Dee Delgado
Das Gefängnis in New York, in dem Epstein inhaftiert war

Zwischen 2002 und 2005

Der Multimillionär war wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Mädchen angeklagt. Die Staatsanwaltschaft in New York warf dem 66-Jährigen vor, Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht zu haben. Der Geschäftsmann habe zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen illegalen Sexhandelsring aufgebaut, hieß es in der Anklageschrift. Einige Mädchen seien erst 14 Jahre alt gewesen und mit großen Summen Bargeld angelockt und dazu verleitet worden, weitere Mädchen heranzuschaffen.

„Ohne festen Wohnsitz“

Maxwell ist derzeit weder angeklagt noch wird sie als Verdächtige im Fall Epstein geführt, so die „Washington Post“ weiter. Laut Insidern konnten die Ermittler bisher Maxwell nicht kontaktieren, da ihr Aufenthaltsort unbekannt ist. Laut der Zeitung könnte sie im Ausland leben.

Bereits 2016 soll sie ihr Haus in Manhattan über eine Firma, die dieselbe Adresse hat wie Epsteins New Yorker Unternehmenssitz, für 15 Mio. Dollar verkauft haben. Ihre Anwälte sagten 2017, dass sie nun in London sei, aber keine fixe Adresse habe. Anwälte, die Epsteins Opfer vertreten, geben sich resigniert. Sie gehen davon aus, dass Maxwell nicht so schnell wieder in die USA kommen wird – aus Furcht, festgenommen zu werden.

„Verbindungen nach Frankreich“

Zwei französische Kabinettsmitglieder haben sich dafür eingesetzt, Ermittlungen zu Querverbindungen des Sexhandels durch Epstein nach Frankreich anzustellen. Bei den Ermittlungen in den USA seien „Verbindungen nach Frankreich“ aufgedeckt worden, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung der für Gleichstellung zuständigen Staatssekretärin Marlene Schiappa und des für Kinderschutz zuständigen Staatssekretärs Adrien Taquet.

Die französische Kinderschutzorganisation Innocence en danger wies in einem Schreiben an die Pariser Staatsanwaltschaft darauf hin, dass bei den Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI zur Epstein-Affäre auch belastendes Material gegen „Personen mit französischer Staatsangehörigkeit“ zutage gefördert worden sei. Zudem gebe es „glaubwürdige“ Hinweise darauf, dass „mehrere Opfer des Prostitutionsnetzwerks“ von Epstein und „seiner Komplizen“ französische Staatsangehörige seien, fügte die Organisation hinzu.

Anmerkung der Redaktion

ORF.at gestaltet die Berichterstattung über Suizide bewusst zurückhaltend und verzichtet, wo es möglich ist, auf Details. Wenn Sie sich selbst von Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge unter der kostenlosen Nummer 142.

Zahlreiche offene Fragen zu Suizid

Zahlreiche Unklarheiten herrschen auch rund um den Suizid Epsteins. So ist laut US-Berichten unklar, warum Epsteins Gefängniszelle in der Nacht seines Todes nicht wie eigentlich vorgeschrieben alle 30 Minuten kontrolliert wurde. Auch war Epstein entgegen den üblichen Protokollen allein in seiner Zelle.

Wie die „New York Times“ („NYT“) und die „Washington Post“ unter Berufung auf mehrere informierte Personen berichten, wurde Epsteins Zelle in der Nacht seines Todes nicht jede halbe Stunde kontrolliert, trotz möglicher Selbstmordgefahr. Drei Wochen zuvor dürfte Epstein bereits versucht haben, sich selbst zu töten, er war mit Markierungen am Hals bewusstlos in seiner Zelle aufgefunden worden. Bis elf Tage vor seinem Tod wurde Epstein deswegen auch genauer überwacht.

Gerichtsmediziner im New York Presbyterian-Lower Manhattan Hospital, in das die Leiche des US-Milliardärs Jeffrey Epstein gebracht wurde
Reuters/Jeenah Moon
Espteins Leiche wurde noch am Sonntag genau untersucht

„Verstoß gegen übliches Protokoll“

Wegen des bereits versuchten Selbstmords hätte eigentlich auch eine zweite Person in Epsteins Zelle sein müssen, heißt es in den Berichten weiter. Doch das Gefängnis habe kurz zuvor seinen bisherigen Zellengenossen verlegt und Epstein erlaubt, allein in der Zelle zu sein – ein Verstoß gegen das übliche Protokoll, so die Zeitungen weiter. Die halbstündige Kontrolle und eine zweite Person in der Gefängniszelle seien eigentlich Bedingung gewesen, damit Epstein von der Liste der Selbstmordgefährdeten runterkomme, so die „NYT“.

Noch am Sonntag wurde Epsteins Leiche genau untersucht, die Ergebnisse wurden allerdings noch nicht veröffentlicht. Die zuständigen Stellen gehen aber von einem Selbstmord aus. Die Autopsie wurde auch von einem privaten Pathologen, den Epsteins Anwälte angeheuert hatten, verfolgt. Epstein wurde am Samstag gegen 6.30 Uhr (Ortszeit) leblos in seiner Zelle im Metropolitan Correctional Center aufgefunden. Das Gefängnis gilt zwar als eines der sichersten der USA, leidet laut „Washington Post“ aber unter chronischer Unterbesetzung, die Mitarbeiter würden laut einer Gewerkschaftsvertreterin oft bis zu 60 oder 70 Stunden die Woche arbeiten. Auch am Tag von Epsteins Tod hätten die zuständigen Mitarbeiter bereits Überstunden gemacht.

Barr: „Opfer werden Gerechtigkeit bekommen“

US-Justizminister William Barr hat am Montag „schwere Unregelmäßigkeiten“ in der Haftanstalt beklagt. Diese seien Grund für tiefe Besorgnis und verlangten eine gründliche Untersuchung. Die Bundespolizei FBI und die interne Kontrollbehörde des Justizministeriums würden den Vorgang nun aufklären. „Wir werden rausfinden, was passiert ist“, versprach er in einer Rede vor Polizisten. Falls angezeigt, würden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.

Trotz Epsteins Tod werde der Fall gegen seine möglichen Komplizen weiter verfolgt werden. „Die Opfer verdienen Gerechtigkeit, und sie werden sie bekommen“, versprach Barr. Er sei „entsetzt“ und „verärgert“ gewesen, als er erfahren habe, dass die Haftanstalt es versäumt habe, Epstein ordnungsgemäß zu sichern, so Barr.