Seit 2016 hält Diageo 20 Prozent der Anteile an Seedlip – Anfang August erhöhte der Spirituosenhersteller diese auf mehr als 50 Prozent, wie die „Financial Times“ („FT“) berichtete. „Da sich immer mehr Konsumenten dafür entscheiden, weniger Alkohol zu trinken, expandieren Unternehmen über alkoholische Getränke hinaus und bieten Premiumoptionen alkoholarmer oder alkoholfreier Varianten an“, heißt es in dem „FT“-Bericht.
Zwar gibt es laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gerade in Europa viele Alkoholkonsumenten, doch der Pro-Kopf-Verbrauch geht zunehmend zurück. Seit 2010 ist dieser um rund zehn Prozent gesunken. Und weltweit gesehen tranken 57 Prozent der über 15-Jährigen in den vergangenen zwölf Monaten gar keinen Alkohol.
Auch Seedlip gilt als Premiumspirituose und positioniert sich als alkoholfreie Alternative zu Gin. Das erfolgreiche Start-up-Produkt ist mittlerweile in mehr als 25 Ländern und 300 Michelin-Restaurants erhältlich und hat – freilich von niedrigerem Niveau aus – allein im vergangenen Jahr ein Wachstum von 270 Prozent hingelegt. Preislich orientiert sich Seedlip allerdings am „echten“ Gin: Eine Flasche kostet rund 25 Euro.
Siegeszug der cocktailinspirierten Limonaden
Doch auch geschmacklich scheinen sich viele Gertränkeinnovationen nach ihren alkoholischen Pendants zu richten. So führte der Gin-Boom etwa zu einem Comeback der Bitterlimonaden wie Bitter Lemon und Tonic Water.
Und auch die Gurke findet ihren Weg mittlerweile nicht mehr nur in klassische Cocktails wie Gin Tonic und den Trendcocktail Moscow Mule, sondern immer öfter auch in alkoholfreie Erfrischungsgetränke wie etwa Cucumics. Die Gurkenlimo aus Hamburg wurde bereits von etlichen Szenebars und Händlern aus ganz Europa ins Sortiment aufgenommen. Und wie beliebt der alkoholfreie Bestandteil von Moscow Mule ist, lässt sich an den unzähligen Ginger-Beer- und Ginger-Ale-Sorten erkennen, die schon seit Längerem die Supermarktregale füllen. Viele Händler sprechen bei den mit natürlichen Zutaten versetzen Limonaden von „Urban- bzw. Lifestyledrinks“.
Von Cola zu Helga: Natürlich und gesund
Doch auf dem Getränkemarkt macht sich nicht nur der Trend zu alkoholinspirierten Getränken bemerkbar. Dem Mintel Food and Drink Report zufolge zeigt sich beim Getränkemarkt auch der Wunsch der Konsumenten und Konsumentinnen nach natürlichen, gesunden und biologischen Produkten.
„Eine ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil gewinnen in der Gesellschaft an Bedeutung. Dementsprechend bieten auch österreichischen Getränkehersteller zunehmend eine immer größer werdende Produktpalette an, die sich von zuckerreduzierten bis zu gänzlich zuckerfreien Getränken erstreckt“, so Jutta Kaufmann vom Fachverband der Lebensmittelindustrie Österreich gegenüber ORF.at.
Der „Clean-Eating“-Ernährungstrend spiegelt sich seit einigen Jahren vor allem in Getränkeinnovationen junger Start-ups wider. So gibt es heutzutage neben Cola, Fanta und Sprite Produkte mit klingenden Namen wie Friya, Helga und Kaahee. Statt Zucker enthalten sie Chia-Samen, „Algenpower“ und peruanische Kaktusfeigen.
Neben ungewöhnlichen und exotischen Inhaltsstoffen zeichnen sich die antialkoholischen Erfrischungsgetränke meist durch ein modernes Flaschendesign aus. Ebenso lassen sich die Produktnamen als durchaus kreativ beschreiben, so etwa „ChariTea“ – ein Wortspiel aus „Charity“ (Wohltätigkeit) und „Tea“ (Tee). Auf der Unternehmenswebsite heißt es: „Jede verkaufte Flasche finanziert soziale Projekte. Auf diese Weise konnten wir bereits mehr als drei Millionen spenden.“
Aber auch Slogans reihen sich in die jugendlich anmutende Corporate Identity der Unternehmen und Produkte ein: von Makavas „easy sunny sunshine“ bis fritz-kolas „für die nacht von donnerstag auf sonntag“. Gängigen Konventionen wende man hier nicht zuletzt durch den Verzicht auf Großbuchstaben den Rücken zu. Perfekt inszeniert werden die kleinen Flaschen natürlich auch auf dem jeweiligen Instagram-Account. Denn auf klassische Werbung setzen die wenigsten Getränke-Start-ups.
Bio, Fairtrade und Nachhaltigkeit im Vordergrund
Egal ob der Bioeistee Makava, der Algen-Superfood-Drink Helga, der Anti-Hangover-Drink Kaahee oder der Ohnly-Tee – bei all diesen österreichischen Unternehmen stehen Bio, Fairtrade und Nachhaltigkeit im Vordergrund. So träumen etwa die Grazer Makava-Gründer von einer „fairen und chilligen“ Welt. Sie möchten ihre Firma zu einem „umweltfreundlichen und menschlichen Vorzeigeunternehmen“ machen, heißt es auf der Unternehmenswebsite.
Sogar bei Coca-Cola gibt es mittlerweile Bioprodukte. „In Österreich ist und bleibt Bio ein großer Trend in der Lebensmittelindustrie. Rund 20 Prozent der österreichischen Konsumenten legen großen Wert auf Bioprodukte und suchen anspruchsvolle Alternativen in diesem Bereich“, kommentierte der Coca-Cola-Unternehmenssprecher Philipp Bodzenta die damalige Markteinführung der Römerquelle Biolimo. Römerquelle gehört seit 2003 zur Coca-Cola Company.
Absatzeinbußen bei traditionellen Getränken
Und Coca-Cola muss mitziehen, denn klassische Limonaden geraten zunehmend unter Druck: Laut der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (WAFG) platzieren sich innovative Erfrischungsgetränke erfolgreich in Nischen, während traditionelle Getränkerezepturen häufig Absatzanteile einbüßen.
So setzt auch Coca-Cola neben Bioprodukten mittlerweile auch auf weniger zuckerhaltige Getränke. Durch kalorienärmere Getränke wie etwa Coke Zero Lemon konnte das Unternehmen seine Gewinne deutlich steigern. „Coca-Cola zero und light machen aktuell etwa 30 Prozent des gesamten Volumens aus. Wir reagieren auf den Wunsch der Konsumenten nach weniger Zucker", so Bodzenta. In Österreich sei Coke zero mittlerweile sogar das Zugpferd. Im Supermarktregal darf die schwarz-silberne Aluminiumdose jedoch lediglich neben den hippen „Urban Drinks“ stehen.