Foto von Jeffrey Epstein
Reuters/Shannon Stapleton
Schadenersatzforderung

Erste Klage im Fall Epstein

Während die Untersuchungen über den Tod des inhaftierten mutmaßlichen Kinderschänders Jeffrey Epstein auf Hochtouren laufen, hat eines der mutmaßlichen Opfer Epsteins nun Zivilklage eingereicht. Weitere dürften folgen.

Die 32-jährige Jennifer Araoz betont in ihrer Klageschrift, dass sie als 14-jährige Schülerin zu Epstein in seinem großen Privathaus an der Upper East Side in Manhattan gebracht worden sei. In der Folge sei sie monatelang sexual misshandelt worden. Es sei auch zu einer „brutalen Vergewaltigung“ gekommen.

Das Verfahren ist das erste – ihm dürften aber eine ganze Reihe weiterer Klagen folgen. New Yorks Höchstgericht hat ein einjähriges Fenster für die Einreichung von Klagen wegen sexueller Misshandlung – auch wenn sie bereits verjährt ist – geöffnet. Dieses Zeitfenster startete am Mittwoch.

„Drei Mädchen täglich“

Laut Araoz’ Klage ermöglichte Epsteins Freundin Ghislaine Maxwell die Misshandlung mehrerer Mädchen durch Epstein. Sie habe deren „Rekrutierung“ überwacht und „dafür gesorgt, dass etwa drei Mädchen täglich für seine sexuelle Vergnügungen zur Verfügung standen“. Weder ein Anwalt, der Epstein vertrat, noch Maxwells Anwälte äußersten sich vorerst zu den Vorwürfen.

Araoz sagte Journalistinnen und Journalisten bei einer Telefonkonferenz, sie sei „wütend“. Denn Epsteins Tod bedeute, dass er ihr nie im Gerichtssaal gegenüberstehen müsse. „Heute ist mein erster Schritt, mir die Kraft zurückzuholen, die mir Jeffrey Epstein und seine Helferinnen gestohlen haben“, so Araoz. In der Klageschrift heißt es, Epstein habe ihr zu verstehen gegeben, dass sie ihm etwas schulde, weil er sie bezahlte: „Ich kümmere mich um dich, und du kümmerst dich um mich“, wird Epstein zitiert.

„Ein ganz wichtiger Teil“

Laut Araoz verwendete Epstein bei der angeblichen Vergewaltigung zudem kein Kondom. Die anderen drei Beklagten sind eine Haushälterin, eine Sekretärin und eine „Rekrutiererin“. Araoz’ Anwalt Dan Kaiser betonte, diese erwachsenen Helferinnen zur Verantwortung zu ziehen, sei „ein ganz wichtiger Teil“ der Klage. Er nannte Maxwell eine Schlüsselfigur, obwohl Araoz sie niemals traf.

Sie sei von einer Frau vor einer Musical-Schule, die sie besuchte, weil sie Sängerin und Schauspielerin werden wollte, angesprochen worden, schrieb Araoz zudem in einem Gastbeitrag für die „New York Times“. Dieser habe sie erzählt, dass sie ihren Vater verloren habe und ihre Familie von der Sozialhilfe lebe. Die Frau sagte ihr, Epstein könne ihr die richtigen Kontakte vermitteln und sei zudem sehr großzügig. Damit sei „die Falle aufgestellt“ gewesen, so Araoz.

Um Schadenersatz zu erhalten – im konkreten Fall etwa von Epsteins Erben und Maxwell – müssen Opfer ihre Vorwürfe mit einem Übergewicht an Beweisen nachweisen, nicht aber jenseits jeden Zweifels wie bei Strafrechtsverfahren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt eigenen Angaben zufolge trotz Epsteins Tod jedenfalls weiter in dem Fall, der sich künftig auf mögliche Komplizinnen oder Komplizen des Unternehmers konzentrieren dürfte.

Anmerkung der Redaktion

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Wärter schliefen

Unterdessen werden immer mehr Details bekannt, die auf eklatante Mängel im Manhattaner Gefängnis hinweisen, in dem Epstein starb: Die beiden Wärter, die Epstein beaufsichtigen sollten, haben nach einem Medienbericht in seiner Todesnacht im Dienst geschlafen.

Statt wie vorgeschrieben alle 30 Minuten nach dem Inhaftierten zu schauen, seien die beiden Beamten in der Gefängniseinheit Epsteins eingeschlafen und hätten dessen Zustand für rund drei Stunden nicht kontrolliert. Das berichtete die „New York Times“ am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf Ermittlungs- und Gefängnisbeamte. Epstein nahm sich mutmaßlich in dieser Zeit das Leben. Der 66-Jährige wurde von Mitarbeitern der Haftanstalt Samstagfrüh gefunden und später in einem Krankenhaus für tot erklärt.

Offenbar Bericht gefälscht

Die Wärter stünden auch unter Verdacht, ihren Arbeitsbericht gefälscht zu haben, um ihr fatales Versäumnis zu verschleiern, berichtete der US-Sender CBS. Laut „New York Times“ machten beide Wärter, ein Mann und eine Frau, in der Zeit im Gefängnis Überstunden wegen Personalknappheit. Beide sind nach Angaben des US-Justizministeriums mittlerweile beurlaubt.

Auch der Direktor der Haftanstalt wurde auf Veranlassung von Justizminister William Barr versetzt. Dieser hatte „schwere Unregelmäßigkeiten“ in der Haftanstalt beklagt und eine gründliche Untersuchung des Falles versprochen.

Zu den Ungereimtheiten im Umgang mit dem inhaftierten Epstein gehört, dass für den schwerreichen Ex-Investmentbanker nur kurz eine besondere Beobachtung angeordnet wurde – obwohl er offenbar schon im Juli nach der Ablehnung seines Antrags auf Kautionsfreilassung einen Suizidversuch unternommen hatte und Wiederholungsgefahr bestand.

Soll Minderjährige missbraucht haben

Der in elitären Kreisen bestens vernetzte Epstein saß in einer Haftanstalt in Manhattan ein, wo er bis zum Beginn seines Prozesses bleiben sollte. Den Prozessauftakt hatte das Gericht vorläufig auf Anfang Juni 2020 festgelegt. Der Geschäftsmann wurde beschuldigt, Dutzende Minderjährige sexuell missbraucht zu haben. Laut Anklageschrift baute Epstein zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen illegalen Sexhandelsring auf.

Epstein zeigte sich gern öffentlich mit Politikern und Prominenten. Er hatte unter anderem – zumindest zeitweise – Kontakte zum heutigen Präsidenten Donald Trump, zu Ex-Präsident Bill Clinton und Prinz Andrew aus Großbritannien. US-Medien spekulieren, dass ein Prozess weitere Prominente schwer belastet hätte.