Firma Reisswolf in Leobendorf
ORF.at/Günther Rosenberger
„Ibiza“ und „Schreddern“

Ermittlungen zu möglicher Verbindung

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet einen Konnex zwischen dem (ehemalige FPÖ-Granden belastenden) „Ibiza-Video“ und dem Schreddern von Festplatten des Bundeskanzleramts durch einen ÖVP-Mitarbeiter. Das geht aus Anfragebeantwortungen von Justizminister Clemens Jabloner an NEOS hervor, die der ZIB2 vorliegen.

Da der Konnex nicht ausgeschlossen werden könne bzw. „nach Ansicht der WKStA mit der für die Annahme einer Konnexität (…) erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, wird das Verfahren bis zur Klärung, ob ein derartiger Konnex besteht, von der WKStA geführt“, heißt es unter Verweis auf die entsprechende Rechtslage für die Zuständigkeit der Korruptionsermittler. Sollten die Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis kommen, verliert die WKStA die Zuständigkeit, hat die Oberstaatsanwaltschaft am 1. August per Weisung festgelegt.

ÖVP dementierte Konnex

Die ÖVP hat mehrfach dementiert, das Video bereits vor dessen medialem Bekanntwerden gekannt zu haben. Es habe sich auch nicht auf den zerstörten Speichermedien befunden, betonten Parteichef Sebastian Kurz und sein Generalsekretär Karl Nehammer. Es seien Druckerfestplatten gewesen, und man habe das Video ja wohl nicht ausdrucken wollen, so die Argumentation.

Laut der Anfragebeantwortung ermittelt die Staatsanwaltschaft ausschließlich gegen den damaligen Mitarbeiter des Bundeskanzleramts. Es geht um die Vorwürfe des schweren Betrugs, der Sachbeschädigung und der Datenbeschädigung.

Hausdurchsuchungen und die „Ibiza-Affäre“

Bei den Ermittlungen rund um das „Ibiza- Video“ wird wegen 19 Vorwürfen ermittelt. Darunter auch, ob ein Zusammenhang zwischen den geschredderten Festplatten aus dem ÖVP-geführten Kanzleramt und dem „Ibiza-Video“ besteht.

Kokain und versuchte Erpressung

Auch weitere Details zu den Verdachtslagen im Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ gehen aus den Anfragebeantwortungen hervor. Unter anderem steht die „Überlassung von Kokain an verschiedene Abnehmer“ im Raum. Auch ein Erpressungsversuch gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, dem im Juni mit Veröffentlichung weiterer Videopassagen gedroht wurde, wird untersucht.

Die Behörden vermuten in Sachen Suchtgifthandel ein schwerwiegendes Vergehen. Im betreffenden Paragraf 28a Abs. 1 fünfter Fall des Suchtmittelgesetzes geht es um das Überlassen oder Verschaffen von Suchtgift, was mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert wird.

Weitere Details werden nicht genannt. Vor allem, gegen wen ermittelt wird, also wer mit Drogen gehandelt haben soll, geht aus der Beantwortung nicht hervor. Jabloner betonte, wegen der Nichtöffentlichkeit des laufenden Verfahrens keine personenbezogenen Daten herausgeben zu können.

Erpressungsversuch Anfang Juni

Der Erpressungsversuch gegen Strache soll am 6. Juni 2019 erfolgt sein. Hier soll jemand behauptet haben, im Besitz des Videos zu sein. Gedroht wurde mit der Veröffentlichung weiterer Passagen, sollte nicht gezahlt werden.

Insgesamt werden 19 (großteils bereits bekannte) Vorwürfe genannt, die auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts bzw. auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft oder noch keiner Enderledigung zugeführt wurden. Dazu gehören die Forderung nach einer Parteispende (sowie die Übersetzung ins Russische als Beitragstat), Steuerbetrügereien, Untreue, aber auch die heimliche Aufzeichnung des Videos, das Verwenden falscher Urkunden und auch der Lockvogelauftritt der vorgeblichen russischen Oligarchin beim Treffen mit Strache und Gudenus.

Screenshot www.youtube.com
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Der „Falter“ veröffentlichte Videoaufnahmen, die den ÖVP-Mitarbeiter bei der Firma Reisswolf zeigen sollen

Ermittler haben ganzes Video bisher nicht

Nach derzeitigem Stand werden laut Beantwortung bei der WKStA sechs natürliche Personen als Beschuldigte, vier Personen als Angezeigte, zwei juristische Personen als belangte Verbände und unbekannte Täter in Ansehung von sechs Unternehmen bzw. Organisationen geführt. Bei der Staatsanwaltschaft Wien werden sieben namentlich bekannte Personen und ein unbekannter Täter als Beschuldigte geführt.

Das Video, über das Strache stolperte

Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat in dem geheim aufgezeichneten Video offen Deals mit Staatsaufträgen und mit Wasserprivatisierung angeboten. Auch spricht er über geheime Großspenden an Parteien und Pläne für eine Umbesetzung der „Kronen Zeitung“-Redaktion.

Interessant ist auch, auf Grundlage welchen Materials die WKStA ihre Ermittlungen führt. Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft in Besitz des gesamten „Ibiza-Videos“ ist, beantwortete Jabloner mit einem knappen Nein.

NEOS: Keine „b’soffene Gschicht“

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper sah sich durch den Umfang der Ermittlungen bestätigt, „dass wir es nicht mit einer ’b’soffenen Gschicht’ zu tun haben. Hier geht es um schwere Verbrechen gegen die Interessen unserer Republik. Die Enthüllungen zu ‚Ibiza‘ zeigen die ganze Verdorbenheit des ÖVP-FPÖ-Sumpfs.“