Screenshot des Ibiza-Videos
APA/Spiegel/Süddeutsche/Harald Schneider
„Ibiza-Affäre“

Gespanntes Warten auf neue Details

Während die „Ibiza-Affäre“ nach wie vor für einen heftigen Schlagabtausch in der Innenpolitik sorgt, könnte sich der Nebel rund um das Video in den nächsten Tagen stellenweise lüften. Einerseits prüft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Ermittlungen, andererseits könnte ausgerechnet die Klage von Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des Videos neue Details ans Tageslicht befördern – wie schon in der Klagsschrift.

So wird in der Klage geschildert, wie die Anbahnung mit der vermeintlichen Oligarchennichte gelaufen sei, bei der sich Gudenus insgesamt viermal mit ihr traf: zuerst im Grand Hotel in Wien, wo sie mit vermeintlichen Leibwächtern und einem Mercedes Maybach gekommen sei, dann bei der Besichtigung eines Grundstücks von Gudenus Tage später in einem Restaurant und schließlich beim vierten Treffen auf Ibiza – mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Den Kontakt zu der Frau soll eine schillernde Immobilienmaklerin hergestellt haben, das war schon bisher bekannt. Neu ist, dass die Maklerin wiederum über Gudenus’ Ehefrau mit dem Politiker in Kontakt getreten ist.

Dem Anwalt, der hinter der Entstehung des Videos stehen soll, wirft Gudenus Täuschung, Missbrauch von Abhörgeräten und den Missbrauch seiner Anwaltsstellung vor. Weiters sieht Gudenus eine Gewinnabsicht, wie aus der Klage hervorgeht: „Mehrfach verkaufte er dieses Video mit hohem Gewinn an verschiedene Erwerber“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Schimanko verweist auf „Übersetzungstätigkeit“

Gudenus’ Anwalt Heinz-Dietmar Schimanko sagte gegenüber Ö1: „Mein Mandant ist ja Opfer von Stasi-Methoden übelster Sorte, und wir ergreifen jetzt alle rechtlichen Maßnahmen, dass von dem bereits hergestellten ‚Ibiza-Video‘ nichts mehr gezeigt wird.“

Screenshot des Ibiza-Videos
APA/Spiegel/Süddeutsche/Harald Schneider
Gudenus will die Verbreitung des „Ibiza-Videos“ mit einer Klage unterbinden

Zum „Ibiza-Video“ selbst sagte Schimanko: „Aus den bisher veröffentlichten Sequenzen ergibt sich eigentlich nur eine Übersetzungstätigkeit. Die durchaus problematisch erscheinenden Passagen sind Aussagen des ehemaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache.“ Wobei relativierende Sequenzen nicht veröffentlicht worden seien, die Strache womöglich entlastet hätten, so Schimanko gegenüber dem ORF-Radio.

„Ansprüche aus der Verwertung der Aufnahmen“

Das Video soll künftig nicht mehr gezeigt werden dürfen, so die Forderung in der am Mittwoch eingebrachten Klage. Darüber hinaus will Gudenus auch eine einstweilige Verfügung erwirken, ebenso wie die Bekanntgabe, wer das Video gekauft hat. Außerdem fordert der Ex-FPÖ-Klubchef Schadenersatz. Zum Streitwert von 68.000 Euro sagte Schimanko: „Das Gesamtausmaß der schädlichen Auswirkung des ‚Ibiza-Videos‘ ist derzeit noch nicht absehbar. Das Ausmaß wird weitaus höher sein.“

Das Video, über das Strache stolperte

Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat in dem geheim aufgezeichneten Video offen Deals mit Staatsaufträgen und mit Wasserprivatisierung angeboten.

Laut „Kronen Zeitung“ wird auch die Rechnungslegung durch den beklagten Wiener Juristen gefordert, „weil Gudenus als Kläger sonst nicht in der Lage wäre, seine Ansprüche aus der Verwertung der Aufnahmen dem Grunde und der Höhe nach zu konkretisieren“. Die „Krone“ schließt daraus, dass Gudenus auch das Geld aus dem Verkauf des „Ibiza-Videos“ will. Laut Ö1 hat das Zivillandesgericht in Wien auf die Klage schnell reagiert: Es hat den Anwalt, der die Fäden bei der Entstehung des „Ibiza-Videos“ gezogen haben dürfte, aufgefordert, innerhalb von nur acht Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

Buch zur Affäre erscheint am Donnerstag

Spannend dürfte es werden, wenn der Fall dann vor Gericht kommt – und medienöffentlich verhandelt wird. Ebenfalls mit Spannung erwartet wird die Veröffentlichung des Buchs über die „Ibiza-Affäre“ der beiden „Süddeutsche Zeitung“-Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. Sie hatten den Fall ins Rollen gebracht und legen am Donnerstag ein Buch vor. Wie viele neue Details darin erzählt werden, ist nicht bekannt.

Der „Standard“ berichtet unterdessen, dass inzwischen die schriftliche Urteilsbegründung jenes Prozesses vorliegt, bei dem der im Video zu sehende Detektiv erfolgreich die „Zeit“ geklagt hatte. Die „Verbreitung von Spekulationen über die vorherigen beruflichen Verbindungen“ des Detektivs hätten „keine sachliche Information von Öffentlichkeitswert“, heißt es in der Begründung. Der Detektiv habe auch eidesstattlich versichert, dass er Gudenus und Strache keine Drogen verabreicht habe und auch nicht wisse, dass Dritte das getan hätten.

ÖVP sieht „Vereinigte Schmutzkübler“

Auch politisch gehen erneut die Wogen hoch: Die Drohung der ÖVP, jeden zu klagen, der behauptet, die Volkspartei habe etwas mit dem „Ibiza-Video“ zu tun, hat am Freitag für Aufregung in Österreichs Parteienlandschaft gesorgt. Dass die ÖVP die Justiz attackiert, sei eine „unfassbare Grenzüberschreitung“, hieß es dazu aus der SPÖ. Die FPÖ findet den Zusammenhang zwischen „Ibiza-Video“ und der Schredder-Affäre in der ÖVP durchaus „plausibel“.

Am Mittwoch war eine Anfragebeantwortung von Justizminister Clemens Jabloner an NEOS bekanntgeworden. Aus dieser geht hervor, dass die WKStA einen Konnex zwischen dem „Ibiza-Video“ und dem Schreddern von Festplatten durch einen ÖVP-Mitarbeiter für möglich hält. Die ÖVP hatte daraufhin mit Empörung reagiert und ortete „einen unglaublichen Schmutzkübel-Wahlkampf“. Man habe „mit dem Ibiza-Video und einer möglichen illegalen Parteienfinanzierung der FPÖ nichts zu tun“, hieß es. Zudem wurden rechtliche Schritte angekündigt: „Wer etwas anderes behauptet, wird geklagt.“

Die ÖVP forderte am Freitag noch einmal ein Ende der Angriffe auf Parteichef Sebastian Kurz und die Volkspartei. Diese „Schmutzkübel-Koalition aus SPÖ, FPÖ, NEOS und Pilz soll endlich ihr Handwerk der dauerhaften Anpatzerei von Sebastian Kurz einstellen“, teilte ein ÖVP-Sprecher mit – und nannte diese Koalition „Vereinigte Schmutzkübler“. Die ÖVP habe weder mit dem „Ibiza-Video“ noch mit dem angeblichen FPÖ-Novomatic-Deal etwas zu tun, hieß es weiter.

Staatsanwälte: Alles „völlig korrekt“

Die Staatsanwaltschaften prüfen 19 mögliche Vorwürfe im Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“. Die aufgelisteten Punkte reichen von Untreue und Bestechlichkeit über die Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung bis zum Schredder-Vorwurf gegen einen ÖVP-Mitarbeiter. Allerdings: Einen Anfangsverdacht gibt es bisher keineswegs bei all diesen möglichen Delikten. So ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft derzeit ausschließlich wegen des Verdachts der Untreue, sagte ein Sprecher gegenüber Ö1 – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Cornelia Koller, Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, verteidigte das Vorgehen der WKStA im Ö1-Mittagsjournal. Es sei alles „völlig korrekt“ abgelaufen, sagte sie. Die WKStA prüfe Inhalte und leite – wenn notwendig – Ermittlungsverfahren ein. Etwas anderes sei nicht passiert.

Die Behörde an sich könne außerdem gar nicht geklagt werden, berichtete Koller. Rein theoretisch: Wenn ein Fehler passiert, aus dem ein Schaden für jemanden resultiert, könne höchstens die Amtshaftung schlagend werden. Der einzelne Staatsanwalt müsse aber geschützt werden, so Koller – Audio dazu in oe1.ORF.at.

FPÖ schießt gegen ÖVP

Der ehemalige Koalitionspartner FPÖ zog die ÖVP am Freitag weiter in den „Ibiza“-Sumpf hinein und nannte einen Zusammenhang zwischen „Ibiza-Gate“ und Schredder-Affäre „plausibel“. Dass die WKStA das erkannt habe und nun Ermittlungen durchführe, sei „zu begrüßen“, sagte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky in einer Aussendung und ließ mit einer weiteren Mutmaßung aufhorchen: „Der Verdacht, dass nicht nur NEOS und SPÖ, sondern vor allem auch die ÖVP bereits seit Sommer 2017 vom Ibiza-Video Kenntnis hatte, wird immer konkreter.“ Damit nahm Vilimsky auch Bezug auf einen äußerst spekulativen Beitrag von „Österreich“ (Onlineausgabe). Er forderte die ÖVP auf, „konkret Stellung zu beziehen“.

SPÖ verärgert

Verärgert über die Rechtfertigungen der ÖVP reagierte am Freitag auch die SPÖ. Mit scharfen Worten wandte sich etwa SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim gegen Versuche der ÖVP, die Justizermittlungen zur Schredder-Causa als „Wahlkampf-Schmutzkübelkampagne“ zu diffamieren. Jarolim forderte die ÖVP auf, dringend „in den Rahmen rechtsstaatlichen Agierens zurückzukehren“. SPÖ-Wahlkampfmanager Christian Deutsch wertete die Unterstellungen der ÖVP als „unfassbare Grenzüberschreitung“. Die Volkspartei müsse ihre Angriffe auf die Justiz „sofort einstellen und diese arbeiten lassen“, so Deutsch in einer Aussendung.

Laut SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda offenbare die Entwicklung der „Ibiza-Affäre“ „eine erschreckende Bilanz der 17 Monate Türkis-Blau“. ÖVP-Chef Sebastian Kurz müsse „endlich Verantwortung dafür übernehmen, dass er diese FPÖ in die Regierung geholt und unsere Republik damit massiv gefährdet hat“, so Drozda.

Auch NEOS hatte sich kritisch über die Reaktion der ÖVP zu den Ermittlungen der WKStA geäußert. NEOS-Justizsprecherin Irmgard Griss hatte sich „überaus verwundert“ gezeigt und ein Ende der „Einschüchterungsversuche“ gefordert.