Mann verteilt Wasserflaschen
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Newark

Wut über bleiverseuchtes Trinkwasser

In der US-Stadt Newark nahe New York bereiten hohe Bleiwerte im Trinkwasser den Menschen Sorgen. Tausende Haushalte dürften von der gefährlichen Verseuchung betroffen sein. Das Problem erinnert die Menschen der Stadt an den Wasserskandal von Flint im US-Bundesstaat Michigan im Jahr 2014. Damals ging die Kontamination auf Sparmaßnahmen zurück – und machte sauberes Trinkwasser zur sozialen Frage.

Die 280.000-Einwohner-Stadt Newark ist Reisenden oftmals nur wegen des internationalen Flughafens bekannt. Nun ist sie wegen der Bleiverseuchung in den Schlagzeilen. Das Problem an sich ist nicht neu, Newark kämpft schon seit Jahren gegen hohe Bleiwerte im Wasser an. Die Stadt gab in der Folge Zehntausende Wasserfilter aus. Nun aber schlugen die Werte erneut aus – trotz der Filter.

Die Stadtverwaltung begann daher am Montag, Wasserflaschen zu verteilen. Damit soll die Zeit bis zur Feststellung der Ursache überbrückt werden. Im Verdacht stehen veraltete Bleirohre. Der demokratische Gouverneur im Bundesstaat New Jersey, Phil Murphy, forderte Hilfe von der Regierung in Washington an. Kirchliche Organisationen und Firmen wurden zu Wasserspenden aufgerufen. Newark betreibt auch eine Informationswebsite, auf der Bürgerinnen und Bürger erfahren, ob ihre Haushalte von betroffenen Leitungen mit Wasser versorgt werden. Die Menschen können ihr Wasser testen lassen und auch kostenlos Gesundheitschecks in den Spitälern der Stadt durchführen lassen.

Menschen tragen Palletten von Wasserflaschen
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An die Bewohnerinnen und Bewohner von Newark werden Wasserflaschen verteilt

Hohe Gesundheitsgefahr

Bleivergiftungen können besonders für Kinder zur Gefahr werden. Durch die Aufnahme von Blei, Bleisalzen und organischen Bleiverbindungen kann es beim Menschen zu akuten und auch chronischen Vergiftungen kommen. Typisch sind schwere Verstopfungen mit Krämpfen und Schmerzen im Darm und Harnverhalten. In weiterer Folge kommt es zu Nervenlähmungen, epilepsieartigen Krämpfen und schweren Herzproblemen. Heranwachsenden drohen bei Vergiftungen mit dem Schwermetall bleibende Nervenschäden und eine Beeinträchtigung der Hirnfunktion. Auch in Europa sind oft in alten Häusern noch Bleirohre in Betrieb, die für hohe Werte im Trinkwasser sorgen.

Gouverneur Murphy wollte aber nicht unbedingt davon ausgehen, dass die Rohre der Stadt schuld sein müssen. Er verwies darauf, dass die Wasserversorgung der Haushalte nicht nur in Newark durch alternde Bleirohre erfolge.

Ähnlichkeit zur Wasserkrise von Flint

Die aktuelle Bleiverseuchung in Newark ruft bei den Bewohnern der Stadt Erinnerungen an den Wasserskandal von Flint im US-Bundesstaat Michigan wach. Die dortige Bleikontamination ging auf Sparmaßnahmen zurück. Die Stadtverwaltung hatte im April 2014 damit begonnen, Wasser aus dem mit Chemikalien verseuchten Flint River zur Trinkwasseraufbereitung zu nutzen. Das aggressive Wasser griff die alten Bleirohre an, das giftige Schwermetall gelangte so ins Wasser. Tausende Kinder wurden vergiftet. Doch städtische und staatliche Stellen versicherten der zunehmend besorgten Öffentlichkeit wiederholt, das Wasser sei sicher. Der damalige Bürgermeister trank sogar vor laufenden Fernsehkameras demonstrativ aus einem Glas.

in der US-Stadt Flint werden alte Wasserrohre durch neue Kupferrohre ersetzt
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Ein Bild aus dem Jahr 2016: Damals wurde begonnen, Bleirohre in Flint auszutauschen

Doch verschiedene Untersuchungen für die Gesundheitsbeschwerden der Menschen brachten die Ursache ans Licht. In manchen Fällen, berichtete die „Washington Post“, war der Bleigehalt so hoch, dass das Wasser in die Kategorie „Giftmüll“ fiel. Im Jahr 2016 rief der damalige US-Präsident Barack Obama für die Region den Notstand aus, um Gelder für Hilfen freizustellen. Die Umweltbehörde EPA nahm Ermittlungen auf, zahlreiche Gerichtsverfahren wurden durchexerziert. Die Wasserkrise von Flint ist bis heute – fünf Jahre später – noch immer nicht vollständig behoben. Zwar wurden die Bleiwerte nach und nach gesenkt und ein Teil der Rohre ausgetauscht. Die Unsicherheit der Bevölkerung aber blieb.

Der Skandal der früher florierenden und später heruntergekommenen Industriestadt wurde zum Symbol für soziale Ungerechtigkeiten in den USA. In Newark, wo die Menschen mehrheitlich schwarzer und hispanischer Abstammung sind, mehren sich nun die wütenden Stimmen in der Wasserkrise. „Wir müssen darum kämpfen, Wasser zum Trinken zu bekommen“, sagte am Freitag eine Bewohnerin gegenüber dem US-Sender CBS. „Wir nehmen diese Karzinogene jeden Tag in uns auf. Wenn man immer nur etwas zudeckt, anstatt es ordentlich zu reparieren, passiert so etwas. Die Menschen leiden.“ Auch Newark hatte bereits einen Plan erstellt, die rund 18.000 städtischen Bleirohre auszutauschen, zumindest in der Theorie. Veranschlagt dafür sind rund zehn Jahre und viele Millionen Dollar.