Richard Gere an Bord der Open Arms
AP/Francisco Gentico
„Baby-Trump“

Gere will Salvini die Meinung sagen

Hollywood-Star Richard Gere will den italienischen Innenminister Matteo Salvini treffen und ihm offenbar die Meinung sagen. Der Chef der rechtspopulistischen Lega setze wie US-Präsident Donald Trump auf Angst und Hass, kritisierte Gere gegenüber der Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Montagausgabe). Salvini sei ein „Baby-Trump“.

Gere hatte erst vor Kurzem das auf dem Mittelmeer vor der italienischen Insel Lampedusa blockierte Rettungsschiff „Open Arms“ besucht und zur Unterstützung der Seenotretter aufgerufen. „Ich bin sicher, er ist nicht, wie er sich in der Öffentlichkeit zeigt“, sagte der US-Schauspieler. „Salvini hat eine Familie, Kinder, Eltern. Er betrachtet Politik als Weg, um seine Popularität zu erhöhen“, so Gere.

„Wenn Salvini Zeit mit den Migranten verbringen würde, auf ihre Geschichte, ihre Familiendramen hören würde, würde er seine Ansicht ändern. Er macht aus einem humanitären Notstand einen politischen Fall. Doch das ist schlechte Politik“, kritisierte der 69-Jährige. Der Schauspieler verteidigte die NGOs, die im Mittelmeer im Einsatz sind, um Migranten aus Seenot zur retten. Die Hilfsorganisationen würden nicht aus Profitgier handeln, „die Wahrheit ist, dass diese ehrenamtlichen Helfer Engel sind, die sich für den Nächsten opfern“, sagte Gere, der am 9. August den Migranten und der Besatzung an Bord der „Open Arms“ vor Lampedusa einen Besuch abgestattet hatte.

Richard Gere an Bord der Open Arms
AP/Valerio Nicolosi
Gere besuchte die Flüchtlinge auf der „Open Arms“ am 9. August.

„Open Arms“ will nicht nach Menorca

Das Tauziehen um das von Italien abgewiesene Flüchtlingsrettungsschiff „Open Arms“ dauert an. Zwar bot Spanien der Hilfsorganisation Proactiva Open Arms zuletzt an, das Schiff dürfe in den Hafen der Balearen-Insel Menorca einlaufen, die NGO lehnt diesen Vorschlag jedoch ebenfalls ab.

Migranten auf der „Open Arms“
AP/Francisco Gentico
Die „Open Arms“ ist komplett überfüllt

Die NGO hatte zuvor ein Angebot des spanischen Regierungschefs Pedro Sanchez vom Sonntag, den andalusischen Hafen Algeciras anzusteuern, mit der Begründung zurückgewiesen, die Lage an Bord sei zu prekär, um weitere fünf Tage auf See zu verbringen. Die Balearischen Inseln liegen etwas näher an der derzeitigen Position des Schiffs. Doch das sind ebenfalls noch mehr als 1.000 Kilometer.

Mallorca und Menorca seien die nächstgelegenen spanischen Anlaufstellen. Deshalb habe Vizeregierungschefin Carmen Calvo die Regionalbehörden der Balearen gebeten, einen der beiden Häfen zu öffnen, berichteten spanische Zeitungen unter Berufung auf Regierungskreise in Madrid. Regionalpräsidentin Francina Armengol habe dem zugestimmt, meldet das „Diario de Mallorca“.

„Absolut unverständlich“

Proactiva forderte nun, Italien und Spanien müssten in diesem Fall „die notwendigen Mittel“ zur Verfügung stellen. „Unser Boot liegt nur 800 Meter vor der Küste von Lampedusa und jetzt wollen die europäischen Staaten, dass eine kleine NGO wie unsere nach 18 Tagen Wartezeit noch einmal (…) drei Tage auf See verbringt, bei schlechten Wetterbedingungen und mit 107 erschöpften Menschen an Bord“, schrieb die Organisation.

Die Einigung auf Mallorca als möglichen Hafen sei „absolut unverständlich“. Die „Open Arms“ bietet 180 Quadratmeter Platz und hat nur zwei Waschräume. Medien zufolge möchte Proactiva, dass die Migranten auf ein anderes, schnelleres Schiff umgeladen werden, um die Überfahrt zu meistern.

Menschen sprangen ins Wasser

Der Arzt der italienischen Insel, Francesco Cascio, forderte unterdessen die Landung der Migranten. „Die Menschen an Bord der ‚Open Arms‘ sind erschöpft. Ich hoffe, dass sie so bald wie möglich das Schiff verlassen dürfen“, sagte der Arzt.

Verzweifelte Migranten sprangen am Sonntag ins Meer – offenbar um zu versuchen, die nahe gelegene italienische Insel Lampedusa schwimmend zu erreichen. Auf einem auf Twitter veröffentlichten Video war zu sehen, wie Helfer versuchten, die Menschen aufzuhalten und zu einer Rückkehr auf das Schiff zu bewegen. „Wir haben seit Tagen davor gewarnt, die Verzweiflung hat Grenzen“, schrieb Proactiva-Gründer Oscar Camps.

Kapitän warnte vor Eskalation an Bord

Bereits am Samstag hatte Kapitän Marc Reig vor einer drohenden Eskalation an Bord der „Open Arms“ gewarnt. „Jede Sekunde, die vergeht, rückt die Explosion dieser Bombe näher. Entweder jemand schneidet jetzt das rote Kabel durch und deaktiviert sie, oder die ‚Open Arms‘ wird explodieren“, sagte Reig mit Blick auf die Lage an Bord.

Der spanische Fernsehsender RTVE hatte am Samstag Bilder erschöpfter und aufgebrachter Menschen, die Land sehen, dieses aber nicht betreten dürfen, gezeigt. „Warum? Warum?“, rief ein Mann immer wieder. Kapitän Reig versuchte, ihn und andere zu beruhigen. „Die Menschen verlieren die Geduld und sind sehr nervös“, sagte eine Reporterin an Bord. Es sei schwer zu ertragen, die nur 800 Meter entfernte Insel nicht betreten zu dürfen.

Regierungsstreit in Italien über „Open Arms“

Der Umgang mit der „Open Arms“ spielt auch in die italienische Regierungskrise mit hinein. Anfang des Monats hatte Salvini dem Schiff per Dekret das Einfahren in italienische Gewässer verboten. Ein Gericht hob die Anordnung dann auf, woraufhin Salvini ein neues Dekret erließ, um die „Open Arms“ zu stoppen. Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta von Salvinis fallen gelassenem Koalitionspartner, den Fünf Sternen, weigerte sich jedoch, den Erlass gegenzuzeichnen.

„Open Arms“
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Die „Open Arms“ liegt seit Wochen vor Italiens Küste

Italien hatte am Samstag lediglich die Landung von 27 minderjährigen Migranten erlaubt. Die anderen Migranten mussten weiter an Bord bleiben. Die Erlaubnis für die Jugendlichen am Samstag ging auch auf einen Brief von Premier Giuseppe Conte an Salvini zurück.

Darin hatte sich der Regierungschef am Samstag für die Landung der Minderjährigen aus humanitären Gründen ausgesprochen. Sechs EU-Staaten – Deutschland, Frankreich, Rumänien, Luxemburg, Portugal und Spanien – wollen laut Conte Menschen von Bord der „Open Arms“ aufnehmen. Paris erklärte am Sonntag, 40 Personen Schutz gewähren zu wollen – allerdings müssten es Flüchtlinge sein oder Menschen, die „internationalen Schutz“ benötigten, hieß es.

Salvini forderte zur Kostenübernahme auf

In einer Antwort an Conte schrieb Salvini, dass der Premier allein die Verantwortung für die Landung der Minderjährigen übernehmen müsse und dass dieser Beschluss ein „gefährlicher Präzedenzfall“ sei. Die Gefahr sei, dass Italien als „einziger Verantwortlicher für die Aufnahme und die Versorgung aller minderjährigen Migranten im Mittelmeer oder auf der ganzen Welt“ betrachtet werde.

Der 46-jährige Salvini, der seit seinem Amtsantritt vor 14 Monaten einen strengen Einwanderungskurs verfolgt, bedauerte, dass Italien die Kosten für die Versorgung von Menschen übernehmen müsse, die – wie sich später herausstellen könnte – kein Recht darauf hätten. Salvini beklagte, dass EU-Länder, die sich zur Aufnahme von in Italien gelandeten Geflüchteten bereiterklärt hatten, das noch nicht getan hätten. In seinem Schreiben betonte Salvini, dass er im Zeichen der „loyalen Zusammenarbeit“ die Landung der Minderjährigen erlauben werde, er ändere jedoch nicht seinen Kurs in Sachen Migration.