Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg
Reuters/Kirsty Wigglesworth
Greta Thunberg

Die Folgen des Streiks einer Schülerin

Das Schild ist immer mit dabei: „Skolstrejk för klimatet“ („Schulstreik für das Klima“). Seit einem Jahr mobilisiert die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg gegen die Klimakrise. Am ersten Schultag nach den Sommerferien im vergangenen Jahr, dem 20. August 2018, platzierte sich die damals 15-Jährige mit ihrem Streikschild vor den Schwedischen Reichstag in Stockholm.

Zunächst blieb die Schülerin von Vorbeigehenden unbeachtet. Aus den freitäglichen Schulstreiks wuchs innerhalb eines Jahres aber eine globale Klimabewegung. Zehntausende Schüler und Schülerinnen weltweit folgten Thunbergs Beispiel und streikten an Freitagen im Rahmen der Aktion „Fridays for Future“ für mehr Engagement im Kampf gegen die Klimakrise. Je größer die Zahl der Unterstützer und die Aufmerksamkeit für Thunberg wurden, umso lauter wurden auch ihre Kritiker.

Sie habe sich lange mit dem Klimawandel und der Erderwärmung beschäftigt. Sie sei an der Erkenntnis verzweifelt, dass niemand etwas für das Klima unternehme, argumentiert Thunberg die Entscheidung, vor dem Reichstag zu demonstrieren und dafür die Schule zu schwänzen. Das kommende Schuljahr will Thunberg überhaupt völlig pausieren und sich nur auf ihren Kampf gegen die Klimakrise konzentrieren.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament 2018
Reuters/TT News Agency
Seit einem Jahr streikt Thunberg jeden Freitag vor dem Schwedischen Reichstag gegen die Klimakrise

Schulpause für Kampf gegen Klimakrise

Inzwischen ist Thunbergs Terminkalender dicht gedrängt. Sie absolviert Interviews und Pressekonferenzen, traf Papst Franziskus und Ex-US-Präsident Barack Obama, war im EU-Parlament und sprach vor der Pariser Nationalversammlung. Thunberg scheut sich nicht, vor Politikern ihre Botschaft auch mit drastischen Worten zu kommunizieren: „Ich will, dass ihr in Panik geratet“, sagte sie etwa Anfang des Jahres vor Topmanagern und Spitzenpolitikern beim Weltwirtschaftsforum in Davos und forderte ihr hochrangiges Publikum auf, schnell die Klimakrise zu lösen. Die Zeit für Höflichkeiten sei vorbei.

Ihr bedingungsloses Engagement wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Auch für den Friedensnobelpreis wurde sie nominiert. In den vergangenen Monaten reiste Thunberg durch ganz Europa. Sie nahm bei großen Klimademonstrationen in Städten wie Berlin und Wien teil und sprach mit und vor Politikern. Wenn sie reist, dann mit dem Zug oder, wenn es nicht anders geht, mit dem Schiff.

Auf dem Segelschiff über den Atlantik

Derzeit überquert Thunberg auf einer Hochseejacht den Atlantik, um im September an dem UNO-Klimagipfel in New York und bei der jährlichen Weltklimakonferenz in Chile im Dezember teilzunehmen. Begleitet wird sie auf ihrer zweiwöchigen Reise unter anderem von Profisegler Boris Herrmann: „Sie ist bereit, das Unbekannte und ein Stück weit auch Unkontrollierbare für ihre Mission in Kauf zu nehmen. Das zeigt, wie weit Greta für ihre Botschaft bereit ist zu gehen.“

Thunberg ist für viele zu einer Ikone für den Kampf gegen die Klimakrise geworden. Mit entsprechenden Argusaugen werden daher sie und ihre Handlungen verfolgt. Selbst Anhänger wundern sich über die zunehmende Inszenierung rund um Thunberg. So sorgte etwa ihre Reise über den Atlantik per Segelschiff für Wirbel.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg auf dem Schiff vor der Atlantik-Überquerung
Reuters/Henry Nicholls
Thunberg befindet sich derzeit auf einer Hochseejacht, um für die UNO-Klimakonferenz in New York den Atlantik zu überqueren

„Heiligt der Zweck die Mittel?“, fragte etwa die „Frankfurter Rundschau“. Thunberg war es ein Anliegen, dass die USA-Reise klimaneutral erfolge. Doch die „taz“ berichtete, dass aufgrund der Logistik rund um die Reise nun mehr Flugreisen anfallen würden, als wenn Thunberg mit ihrem Vater alleine geflogen wäre.

Flugreisen für Team

Fünf Segler sollen die Jacht dem Bericht zufolge nach der Ankunft in New York wieder nach Europa bringen. Diese müssen aber zunächst in die USA fliegen. Auch Thunbergs Skipper wird per Flugzeug die Rückreise nach Europa antreten und entsprechend einen CO2-Fußabdruck hinterlassen.

Das sei dem Team der Thunberg-Reise bekannt. Es gehe aber um die Aufmerksamkeit: „Wir müssen einfach alle darüber nachdenken, ob wir einfach einmal weniger fliegen“, sagte Andreas Kling, Pressesprecher des Skipper-Teams. Es werde nun aber tatsächlich geprüft, ob Thunberg für ihre Rückreise auf einem Containerschiff mitfahren werde, so Kling gegenüber der „taz“.

„Sie will ganz frei sein“

Vor allem von konservativer und rechter Seite schlägt Thunberg Gegenwind entgegen – mit persönlichen Rundumschlägen und Verschwörungstheorien. Man brauche keine „apokalyptischen Gurus“ ließ etwa ein konservativer Politiker in Frankreich angesichts eines Auftritts Thunbergs wissen. Andere werfen ihr vor, von einer grünen Lobby finanziert zu werden. Thunberg versicherte immer wieder, dass niemand hinter ihr stehe und sie unabhängig sei.

Nach Kritik und Vorwürfen der Vereinnahmung zog sich Thunberg im Februar als Ratgeberin aus dem Stiftungsvorstand der Aktiengesellschaft We don’t have time zurück. Das 2017 von dem ehemaligen Investmentbanker Ingmar Rentzhog gegründete Unternehmen möchte das „weltweit größte Soziale Netzwerk für Klimaaktion“ schaffen. Über eine Internetplattform will er mit Millionen von Mitgliedern Druck ausüben, um gegen die Klimakrise zu kämpfen. Rentzhog bezeichnet sich selbst als Entdecker Thunbergs.

Er kommunizierte ihren Streik in den sozialen Medien und warb später mit ihrem Namen für sein Projekt. Thunbergs Vater betonte, dass Greta davon nichts gewusst habe, und kommentierte im Februar: „Sie hat keine Verbindung mehr dazu. Sie will nicht mit irgendeiner Organisation in Verbindung gebracht werden. Ob ideell oder nicht. Sie will ganz frei sein.“

Klimawandelleugner „einfach ignorieren“

Greta Thunberg lässt sich nicht von der Kritik um ihre Person beirren: „In jüngster Zeit gab es eine gewaltige Polarisierung in der Gesellschaft, nach dem Motto, du bist entweder für Greta oder gegen sie“, sagte sie kürzlich in einem schwedischen Podcast, der von der dpa zitiert wurde. Die meiste Kritik sei aber eigentlich „ziemlich lustig“. Sie zeige nur, dass ihren Gegnern die Argumente fehlten.

Auch bei ihrer USA-Reise wolle sie Leugner des Klimawandels „einfach ignorieren“. Sie spreche und handle nur nach den Erkenntnissen der Wissenschaft. Optimistisch zeigt sie sich angesichts der weltweiten Proteste, die mit ihrem Schulstreik vor dem Schwedischen Reichstag ihren Ausgang genommen haben: „Die Denkweise vieler Menschen ändert sich. Auch wenn das nicht genug ist, und auch wenn es nicht schnell genug geht, ist es zumindest etwas.“