Giuseppe Conte
AP/Gregorio Borgia
Krise in Rom

Premier Conte beendet Italiens Regierung

Misstrauensantrag, Rücktritt, Neuwahl, Regierungswechsel: Viele Spekulationen sind in Italiens Regierungskrise umhergegangen. Dementsprechend hoch war die Spannung vor der Erklärung des parteifreien Premiers Giuseppe Conte, wie es denn im Rom weitergehen solle. Conte kündigte schließlich seinen Rücktritt an: „Diese Regierung endet hier.“

Conte kündigte bei seiner Rede im römischen Senat an, bei Präsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt einzureichen. Noch am Abend traf er sich mit dem Präsidenten und trat formell zurück. Conte rechnete auch mit dem Koalitionspartner und Lega-Chef Matteo Salvini ab, der während der Erklärung neben dem Premier saß. Conte warf Salvini vor, nicht im Interesse der Regierungskoalition, sondern aus eigenem politischen Kalkül gehandelt zu haben. Mit seinem willkürlichen Verhalten habe Salvini die Arbeit der Regierung unterminiert. Wiederholt habe der Lega-Chef Mangel an Respekt der demokratischen Regeln bewiesen.

Italien brauche keine Politiker „mit Vollmachten“, wie es Salvini fordere, sondern Personen mit Verantwortungsbewusstsein und Sinn für die Institutionen. Immer wieder warf Conte Salvini mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Mit seinem Beschluss, einen Misstrauensantrag einzureichen, habe Salvini de facto die Arbeit seiner eigenen Minister zunichtegemacht, kritisierte Conte. Salvini verteidigte sich am Dienstag: „Ich würde alles nochmal genauso machen, mit der großen Kraft eines freien Mannes“. Von einem Ministerpräsidenten brauche er keine „Serie von Beleidigungen“.

Ball liegt bei Mattarella

Die Koalition war im Juni vergangenen Jahres an die Macht gekommen. Die rechtspopulistische Lega Salvinis und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung unter Luigi Di Maio hatten sich zusammengetan und den parteifreien Conte an die Spitze der Regierung gestellt. Di Maio und Salvini wurden beide Vizepremiers.

Nun dürfte das Schicksal des Landes wieder einmal in den Händen von Staatspräsident Mattarella liegen, der über die weiteren Schritte entscheiden muss. Es muss nicht zwingend zu einer Neuwahl kommen, es könnte auch einen Regierungswechsel geben. Mattarella könnte in Gesprächen mit den Parteien eine mögliche Mehrheit ausloten. Es soll wahrscheinlich am Mittwoch zu förmlichen Gesprächen mit Vertretern der Parteien kommen, um Wege aus der Krise zu sondieren, sagte ein Regierungsvertreter in Rom.

Italiens Präsident Sergio Mattarella
AP/ANSA/Fabio Frustaci
Präsident Sergio Mattarella soll mithelfen, die Krise zu überwinden

Im Vorfeld von Contes Rede war darüber spekuliert worden, ob der Premier zunächst im Amt bleiben und eine Übergangsregierung ohne die Lega führen könnte, um die von den der Fünf-Sterne-Bewegung geforderte Parlamentsreform zu beschließen und das Haushaltsgesetz zu verabschieden. Als Partner dafür im Gespräch waren unter anderen die Sozialdemokraten (Partito Democratico – PD). Doch sowohl bei den Fünf Sternen als auch bei der PD gibt es dazu geteilte Meinungen.

Lega bei Umfragen weit vorn

Vor zwei Wochen hatte Salvini die Koalition gesprengt, um eine schnelle Neuwahl zu erreichen. Wegen des harten Antimigrationskurses liegt die Lega in den Umfragen weit vorne. Auch bei der Europawahl im Mai erreichte sie schon mit mehr als 34 Prozent ein Rekordergebnis. Die Fünf Sterne hingegen stürzten ab. Der Bruch der Koalition war der vorläufige Abschluss monatelanger Streitereien der beiden Parteien über verschiedene Themen, vor allem aber über die geplante Hochgeschwindigkeitstrasse (TAV) zwischen dem französischen Lyon und Turin. Salvinis Lega ist für das Milliardenprojekt, die Fünf Sterne sind strikt dagegen. Conte hatte Zweifel, doch zuletzt war er der Ansicht, es sei teurer, die Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht zu bauen, als sie fertigzustellen.

Italien: Conte erklärt Rücktritt

In Italien hat Ministerpräsident Giuseppe Conte selbst seinen Rücktritt angekündigt. Zugleich hat Conte schwere Vorwürfe gegen Innenminister Matteo Salvini erhoben.

Salvini begann indes schon vor Wochen inoffiziell seinen Wahlkampf und forderte wiederholt eine Neuwahl. „Wer sich vor einer Neuwahl fürchtet, fürchtet in Wahrheit, seinen Parlamentssessel zu verlieren“, so Salvini. Kurz vor Contes Erklärung versprach der Lega-Chef zudem große Steuersenkungen. „Die Lega plant ein Budget für das Jahr 2020 mit Maßnahmen in der Größenordnung von 50 Mrd. Euro“, sagte Salvini im Interview mit dem Radiosender Radio 24.

Finanzprobleme

Italiens Wirtschaft ist allerdings am Boden. Das Land weist mit etwa 2,3 Billionen Euro eine der höchsten Staatsverschuldungen weltweit auf. Die Schuldenquote – also das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft – betrug 2018 mehr als 132 Prozent und war damit die zweithöchste in den 28 Staaten der Europäischen Union hinter Griechenland.

Matteo Salvini
APA/AFP/Andreas Solaro
Salvini verteidigt sein Vorgehen, er wolle die Bevölkerung wählen lassen

Darüber bricht auch regelmäßig Streit zwischen Rom und der EU-Kommission wegen Verstößen gegen die Kriterien der Währungsunion aus. Erst im Juli entschied die Kommission, vorerst keine Sanktionen mehr vorantreiben. Es ist allerdings ein Damoklesschwert, das weiter über Italien hängt. Ein Defizitverfahren könnte Italien stark zusetzen. Und die Zeit für eine Lösung der Krise in Rom drängt. Bis Ende des Jahres muss das Haushaltsgesetz für 2020 verabschiedet werden.