Italiens Premierminister Giuseppe Conte
APA/AFP/Andreas Solaro
Premier Conte zurückgetreten

Italiens Präsident soll Ausweg finden

Nachdem der italienische Premier Giuseppe Conte am Dienstag zurückgetreten ist und die Regierung aus Lega und Fünf Sternen damit offiziell beendet hat, muss Italiens Präsident Sergio Mattarella einmal mehr als Krisenmanager dienen. Mattarella wird am Mittwochnachmittag politische Konsultationen starten, um eine Lösung zu finden.

Mattarella wird am Mittwoch Gespräche mit Ex-Staatschef Giorgio Napolitano sowie mit den Parlamentspräsidenten Maria Elisabetta Casellati und Roberto Fico führen. Danach wird er die Vertreter der im Parlament vertretenen Parteien treffen. Nach Ende der Konsultationsrunde, die bis Donnerstag dauern soll, will Mattarella seine Schlüsse ziehen und mitteilen, wie er zur Lösung der Krise vorgehen will.

Conte hatte am Abend seinen Rücktritt eingereicht, nachdem Innenminister Matteo Salvini Anfang August einen Misstrauensantrag gegen ihn eingereicht hatte. Mattarella bat den parteilosen Conte, die Amtsgeschäfte vorläufig weiterzuführen, bis ein neuer Regierungschef eingesetzt wird. Der seit 2015 amtierende Präsident war bereits am Zug gewesen, nachdem die Regierungsbildung zwischen Lega und Fünf-Sterne-Bewegung geplatzt war.

Abrechnung mit Salvini

Conte hatte seinen Rücktritt bei einer Rede im römischen Senat angekündigt. Dabei rechnete Conte auch mit dem Koalitionspartner und Lega-Chef Salvini ab, der während der Erklärung neben dem Premier saß. Conte warf Salvini vor, nicht im Interesse der Regierungskoalition, sondern aus eigenem politischen Kalkül gehandelt zu haben. Mit seinem willkürlichen Verhalten habe Salvini die Arbeit der Regierung unterminiert. Wiederholt habe der Lega-Chef Mangel an Respekt der demokratischen Regeln bewiesen.

Matteo Salvini und Giuseppe Conte
Reuters/Guglielmo Mangiapane
„Diese Regierung endet hier": Italien steht vor der nächsten Politikkrise

Der Innenminister habe lediglich „seine eigenen Interessen und die seiner Partei“, der Lega, verfolgt. Salvini habe Italien damit „schweren Risiken“ ausgesetzt. „Die Menschen anzutreiben, jedes Jahr zu wählen, ist unverantwortlich“, kritisierte Conte. Mit seinem Beschluss, einen Misstrauensantrag gegen ihn einzureichen, unterbreche Salvini eine Regierungsarbeit, die in 14 Monaten mehrere beachtenswerte Resultate errungen habe. Conte warnte zugleich vor den Folgen der Regierungskrise für Italien in einer heiklen Wirtschaftsphase.

Italien brauche keine Politiker „mit Vollmachten“, wie es Salvini fordere, sondern Personen mit Verantwortungsbewusstsein und Sinn für die Institutionen. Immer wieder warf Conte Salvini mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Salvini verteidigte sich am Dienstag: „Ich würde alles noch einmal genauso machen, mit der großen Kraft eines freien Mannes.“ Von einem Ministerpräsidenten brauche er keine „Serie von Beleidigungen“.

Ball liegt bei Mattarella

Die Koalition war im Juni vergangenen Jahres an die Macht gekommen. Die rechtspopulistische Lega Salvinis und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung unter Luigi Di Maio hatten sich zusammengetan und den parteifreien Conte an die Spitze der Regierung gestellt. Di Maio und Salvini wurden beide Vizepremiers.

Nun dürfte das Schicksal des Landes wieder einmal in den Händen von Staatspräsident Mattarella liegen, der über die weiteren Schritte entscheiden muss. Es muss nicht zwingend zu einer Neuwahl kommen, es könnte auch einen Regierungswechsel geben. Mattarella könnte in Gesprächen mit den Parteien eine mögliche Mehrheit ausloten.

Italiens Präsident Sergio Mattarella
AP/ANSA/Fabio Frustaci
Präsident Sergio Mattarella soll mithelfen, die Krise zu überwinden

Im Vorfeld von Contes Rede war darüber spekuliert worden, ob der Premier zunächst im Amt bleiben und eine Übergangsregierung ohne die Lega führen könnte, um die von den der Fünf-Sterne-Bewegung geforderte Parlamentsreform zu beschließen und das Haushaltsgesetz zu verabschieden. Als Partner dafür im Gespräch waren unter anderen die Sozialdemokraten (Partito Democratico – PD). Doch sowohl bei den Fünf Sternen als auch bei der PD gibt es dazu geteilte Meinungen.

Lega bei Umfragen weit vorn

Vor zwei Wochen hatte Salvini die Koalition gesprengt, um eine schnelle Neuwahl zu erreichen. Wegen des harten Antimigrationskurses liegt die Lega in den Umfragen weit vorne. Auch bei der Europawahl im Mai erreichte sie schon mit mehr als 34 Prozent ein Rekordergebnis. Die Fünf Sterne hingegen stürzten ab. Der Bruch der Koalition war der vorläufige Abschluss monatelanger Streitereien der beiden Parteien über verschiedene Themen, vor allem aber über die geplante Hochgeschwindigkeitstrasse (TAV) zwischen dem französischen Lyon und Turin. Salvinis Lega ist für das Milliardenprojekt, die Fünf Sterne sind strikt dagegen. Conte hatte Zweifel, doch zuletzt war er der Ansicht, es sei teurer, die Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht zu bauen, als sie fertigzustellen.

Italien: Conte erklärt Rücktritt

In Italien hat Ministerpräsident Giuseppe Conte selbst seinen Rücktritt angekündigt. Zugleich hat Conte schwere Vorwürfe gegen Innenminister Matteo Salvini erhoben.

Salvini begann indes schon vor Wochen inoffiziell seinen Wahlkampf und forderte wiederholt eine Neuwahl. „Wer sich vor einer Neuwahl fürchtet, fürchtet in Wahrheit, seinen Parlamentssessel zu verlieren“, so Salvini. Kurz vor Contes Erklärung versprach der Lega-Chef zudem große Steuersenkungen. „Die Lega plant ein Budget für das Jahr 2020 mit Maßnahmen in der Größenordnung von 50 Mrd. Euro“, sagte Salvini im Interview mit dem Radiosender Radio 24.

Finanzprobleme

Italiens Wirtschaft ist allerdings am Boden. Das Land weist mit etwa 2,3 Billionen Euro eine der höchsten Staatsverschuldungen weltweit auf. Die Schuldenquote – also das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft – betrug 2018 mehr als 132 Prozent und war damit die zweithöchste in den 28 Staaten der Europäischen Union hinter Griechenland.

Matteo Salvini
APA/AFP/Andreas Solaro
Salvini verteidigt sein Vorgehen, er wolle die Bevölkerung wählen lassen

Darüber bricht auch regelmäßig Streit zwischen Rom und der EU-Kommission wegen Verstößen gegen die Kriterien der Währungsunion aus. Erst im Juli entschied die Kommission, vorerst keine Sanktionen mehr vorantreiben. Es ist allerdings ein Damoklesschwert, das weiter über Italien hängt. Ein Defizitverfahren könnte Italien stark zusetzen. Und die Zeit für eine Lösung der Krise in Rom drängt. Bis Ende des Jahres muss das Haushaltsgesetz für 2020 verabschiedet werden.